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AGG-Schutzpolicen: eine Chance für den Bankvertrieb

Durch Klagen gemäß dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz könnten auf Unternehmen beträchtliche Schadenersatzforderungen zukommen. Wie hoch ist mittlerweile das Risikobewusstsein der Unternehmen?

Für große Unternehmen ist ein Versicherungsschutz hier schon eine Selbstverständlichkeit.

Bei den kleinen gehe ich davon aus, dass sie nicht auf dieses Haftungsszenario vorbereitet sind. Gerade für kleinere Firmen birgt das AGG aber existenzielle Risiken.

AGG-Haftpflichtprodukte sind also keine Selbstläufer?

Nein. Das Risikobewusstsein bei den Unternehmen muß noch geschaffen werden. Hier können im besonderen die Banken ihre Firmenkunden aufklären und über die neue Haftungssituation informieren.

Das heißt AGG-Policen sind besonders gut für den Bankvertrieb geeignet?

Ja. Hier sehe ich eine große Chance für die Ausschließlichkeitsorganisation, aber eben auch für die Banken, ihre Kunden bei dem Thema abzuholen. Das kann die Bank am besten, weil sie den besten Zugang hat.

Welches Potenzial erwarten Sie?

Die AGG-Haftpflicht kommt eigentlich als zusätzliche Säule zum Pflichtprogramm eines kompletten Versicherungsschutzes für ein Unternehmen hinzu. So wie Betriebshaftpflicht, Produkthaftpflicht, Umwelthaftpflicht und Managerhaftpflicht, sollte auch die AGG-Schutzpolice zum Standard werden.

Wie hat sich bisher die Nachfrage entwickelt?

Das Interesse der Unternehmen ist sehr hoch - vielleicht auch deswegen, weil bereits eine Reihe von Klagen anhängig sind. Eine Volksbank hat zum Beispiel 120 Unternehmensleiter zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Davon haben 117 sofort zugesagt, und noch am Abend der Veranstaltung sind vier Abschlüsse getätigt worden.

Ich gehe deshalb davon aus, dass der Markt sehr kurzfristig durchdrungen werden wird.

Mit wie vielen Policen rechnen Sie für 2007?

Wir erwarten im ersten Jahr den Abschluss von etwa 5 000 Policen.

Stellen Sie im Rahmen des Risikomanagements den versicherten Unternehmen Informationen zur Verfügung, wie sie potenziellen Klagen vorbeugen können?

Das ist schon deshalb ein schwieriges Thema, weil wir als Versicherer keine Rechtsberatung geben dürfen.

Natürlich werden wir immer wieder gefragt, was Unternehmen präventiv tun können. Am ehesten ist das bei der Formulierung von Stellenanzeigen möglich. Ansonsten gibt es eigentlich nichts, womit sich ein Unternehmen wirklich vor Klagen schützen kann. Denn das Thema Diskriminierungstatbestände ist ein unwegsames Gelände.

Wie kalkulieren Sie die Risiken? Auch die Versicherer können ja noch nicht auf Erfahrungen bezüglich der zu erwartenden Zahl der Klagen und Schadenersatzforderungen und der Rechtsprechung zurückgreifen.

Das ist eine gute Frage, die auch den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft beschäftigt: Was sind die Kalkulationskriterien? Wie kann man sich einem solchen Haftungsszenario nähern? An welche Risiken ist zu denken?

Um uns dem zu nähern, schauen wir uns in einer vergleichenden Betrachtung die Schadenbedarfe bei ähnlichen Risiken heran. Als vergleichende Parameter haben wir die Manager-Haftpflichtversicherung und den Arbeits-Rechtsschutz herangezogen.

Denn im Arbeitsrecht - und in diesem Bereich bewegen sich die Klagen überwiegend - hat der Arbeitgeber im Gegensatz zur Zivilprozessordnung selbst dann, wenn er den Prozess gewinnt, keinen Kostenerstattungsanspruch. Abwehrkosten (wie etwa Anwalts- oder Gutachterhonorare) muss er grundsätzlich selbst tragen. Allein dadurch, dass versucht wird, einen Anspruch geltend zu machen, entsteht somit immer schon ein Schadensfall.

Durch die Kombination von Vergleichskriterien halte ich das Risiko für überschaubar.

Wonach richtet sich die für den Versicherungsschutz zu zahlende Prämie?

Die Orientierung an der Mitarbeiterzahl allein ist zu kurz gesprungen, weil es nicht nur um das geht, was in der Arbeitswelt geschieht, sondern auch zivilrechtliche Ansprüche aus dem sogenannten Massengeschäft hinzukommen. Das wird oft übersehen. Das betrifft zum Beispiel die Banken: Es ist durchaus denkbar, dass beispielsweise jemand Klagen gegen die Unterscheidungskriterien in den Scoringsystemen von Banken ins Rollen bringt.

Wir orientieren uns deshalb nicht an den Mitarbeiterzahlen, sondern nehmen die Umsatzzahlen als Kalkulationsgrundlage. Anhand einer Ablesetabelle kann der Unternehmer dann selbst wählen, welche Versicherungssumme er braucht.

Als Verbundpartner der Volks- und Raiffeisenbanken haben wir dabei auch die Kleinstunternehmer im Auge, denen wir eine kostengünstige Deckung zur Verfügung stellen wollen. Deshalb steigen wir bereits bei Prämien unter 300 Euro ein.

Mittlerweile ist von sogenannten "AGG-Hoppern" die Rede, die sich gezielt nur dazu bewerben, um bei einer Absage das Unternehmen zu verklagen ...

Aktuelle Verfahren vor Arbeitsgerichten belegen, dass sich auch Trittbrettfahrer das Regelwerk zu nutze machen. Bewerber oder Angestellte drohen grundlos mit einer Diskriminierungsklage und rechnen sich aus, dass der Arbeitgeber allein aus Sorge um seinen guten Ruf zahlt.

Manche "Bewerber" schicken mehrere Scheinbewerbungen an verschiedene Unternehmen, um nach erfolgter Ablehnung wegen vermeintlicher Diskriminierung zu klagen. Die Streitwerte reichen von 5000 Euro bis zu Beträgen in einer Größenordnung von mehreren Millionen Euro.

Legt die Versicherungswirtschaft eine gemeinsame Datenbank an, um "professionellen" AGG-Klägern auf die Spur kommen zu können?

Entwickelt wurde Derartiges noch nicht. Es wäre aber vermutlich sinnvoll.

Was heißt das AGG für die Vertragsgestaltung der Versicherer? Wird es künftig noch Nichtraucher-Tarife bei der Personenversicherung oder Frauentarife im Kfz-Bereich geben können?

Eine Folge der Diskriminierungsthematik sind zum Beispiel Unisex-Tarife. Soweit sich statistisch belegen lässt, dass für eine bestimmte Personengruppe andere Schadenbedarfe notwendig sind, dürfen Tarife aber auch künftig noch differenziert werden.

Generell sind bei den Versicherern alle Tarifsituationen betroffen und müssen nachjustiert werden. Deshalb ist der Versicherungswirtschaft eine Übergangsfrist bis Ende 2007 eingeräumt worden.

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