Banken-Software

Es fehlt an intuitiven Angeboten

In Großbritannien hat mit der Metro Bank das erste Mal seit 100 Jahren wieder eine neue Großbank eröffnet, die in ihrem Werbeslogan nichts weniger als eine "Revolution des Bankwesens" verspricht. Von anderen Instituten will sie sich durch "beispiellosen Service, Komfort und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis" abheben. Zu dem "hervorragenden Kundenerlebnis" zählt unter anderem eine radikal einfache Webseite, die eine Kontoeröffnung innerhalb von 15 Minuten ermöglicht. Das Bestreben, den Kunden stärker als bisher in den Mittelpunkt zu stellen, ist dabei kein Einzelfall. Laut einer Studie der Universität St. Gallen verbessern derzeit 90 Prozent der Unternehmen die Qualität ihrer Kundenbetreuung, um sich vom Wettbewerb abzuheben. Damit hat die Kundenorientierung die Produktentwicklung als Top-Thema in Deutschlands Führungsetagen abgelöst.

Für die Versicherungsunternehmen hat die Wertentwicklung des Kunden eine genauso große Bedeutung wie die Kundenbindung. Insgesamt bewerten rund drei Viertel der Assekuranzen diese beiden Felder in den kommenden Jahren als wichtig für ihren Unternehmenserfolg. Bei den Kreditinstituten müssen hingegen erst einmal die Vertrauensverluste infolge der Finanzkrise wieder wettgemacht werden. Offensichtlich kein leichtes Unterfangen: Nur vier von zehn Bankern glauben, dass dies schon in absehbarer Zeit gelingen wird.

Customer Experience Management statt CRM

Neue Anbieter sind also nicht die einzige Bedrohung für Finanzinstitute im Kampf um neue und bestehende Kunden. Das Vertrauen in die etablierten Anbieter hat in den vergangenen Monaten schwer gelitten, die Wechselbereitschaft ist gestiegen. Das bedeutet auf der einen Seite, Bestandskunden mehr bieten zu müssen, um sie halten zu können. Auf der anderen Seite haben Anbieter, die Interessenten die richtigen Angebote unterbreiten, sogar die Chance, neue Kunden hinzuzugewinnen.

Ein wichtiges Stichwort in diesem Zusammenhang ist Customer Experience Management (CEM), das weit über die bisherigen Ansätze für das Kundenbeziehungsmanagement (CRM) hinausgeht. Viele Experten sind mittlerweile davon überzeugt, dass der CRM-Ansatz zu kurz greift und das Kundenerlebnismanagement heute die zentrale Herausforderung für den Aufbau einer nachhaltig erfolgreichen Kundenbeziehung darstellt. Unternehmen müssen dazu die Sicht ihrer Kunden einnehmen und die eigene Firma, die eigene Marke und die angebotenen Serviceleistungen aus deren Perspektive betrachten.

Professionell betriebenes CEM deckt dabei alle Kommunikationskanäle ab, denn jede Interaktion zwischen Unternehmen und Kunden entscheidet über den weiteren Verlauf der Geschäftsbeziehung. Dabei spielt die Auswahl geeigneter Technologien eine Schlüsselrolle, um die Erwartungen der Verbraucher an die Unternehmen erfüllen zu können. Doch leider wird das wichtigste Rezept erfolgreicher Onlineangebote wie Google oder Amazon zu oft missachtet: Einfachheit. Niemand würde eine Schulung machen, um Facebook oder Ebay nutzen zu können. Dieses Prinzip sollte auch für Bankensoftware Vorbild sein. Möglichst einfache Kommunikation und Interaktion ist jedoch leider in der Realität heute eher die Ausnahme. Egal ob im Austausch zwischen Kunde und Finanzdienstleister oder auch bei unternehmensinternen Prozessen - statt einer intuitiven Handhabung dominieren in der Regel aufwendige und von unnötiger Mehrfacharbeit geprägte Arbeitsschritte, die den Anwender frustrieren und Bankmitarbeiter unnötig viel Zeit kosten.

Onlinetransaktionen und der Ropo-Effekt

Bei der Frage, welche Rolle das Internet heute im Finanzgeschäft spielt, hilft ein Blick auf einige aktuelle Zahlen. Wie der Branchenverband Bitkom kürzlich mitteilte, erledigen fast 26 Millionen Deutsche ihre finanziellen Transaktionen mittlerweile online, rund zwei Millionen mehr als 2009. Der Verband rechnet damit, dass das Onlinebanking mit der Einführung des elektronischen Personalausweis weiteren Auftrieb erhalten wird. Die meisten Kunden setzen jedoch zumindest im Moment noch nicht vollständig und für alle Transaktionen auf das Internet, sondern nehmen die Angebote sehr selektiv wahr. Dies zeigen die Ergebnisse einer gemeinsamen Studie von GfK, Google und Deutsche Bank Research. Dabei wurde zum ersten Mal das Online- und Offlineverhalten deutscher Bankkunden unter die Lupe genommen und beide Welten miteinander verknüpft.

Es zeigte sich, dass sich viele Kunden zwar online informieren, der Vertragsabschluss aber meist in einer Filiale getätigt wird. Dieser sogenannte Ropo-Effekt ("research online - purchase offline") betrifft derzeit 48,6 Prozent des Neugeschäfts. Demgegenüber stehen lediglich 10,8 Prozent reiner Onlineabsatz. Das Ergebnis spiegelt die Bedeutung des Internet als Informationsmedium wider, zeigt aber gleichzeitig auch, dass Kunden die per sönliche Betreuung in den Filialen schätzen und ihre gesammelten Informa tionen in einem Beratungsgespräch besprechen möchten.

Der direkte Abschluss im Internet - so die Studie - spielt heute bereits besonders bei einfachen und transparenten Produkten eine große Rolle. Gerade Tagesgelder und Kreditkarten haben einen hohen Onlineanteil, da sich Konditionen leicht vergleichen lassen und das Internet den Abschluss bei einem günstigeren Anbieter einfach gestaltet. Komplexe Themen wie Vorsorge und Baufinanzierung benötigen dagegen immer noch oft eine persönliche Beratung.

Dabei gilt es für Anbieter, traditionelle Regeln auch online zu beachten. So ist gerade im Finanzgeschäft persönlicher Service Trumpf. Besonders wichtig ist eine personalisierte Ansprache, die es Kunden erspart, immer wieder die gleichen Informationen geben zu müssen. Denn so wie ein Stammkunde in der Filiale nicht jedes Mal nach seinem Namen gefragt werden möchte, gehört es auch bei der digitalen Kommunikation zum guten Ton, den Kunden zu (er)kennen. Benötigt werden deshalb Lösungen, die es ermöglichen, vorhandene Daten aus dem IT-System automatisiert für jede Interaktion mit dem Kunden zu nutzen. Und idealerweise sollte auch der kostenintensive Ropo-Effekt mit Hilfe geeigneter Technologien reduziert werden können.

Intuitive Angebote noch nicht an der Tagesordnung

Die Bemühungen vieler Geldhäuser, ihre Angebote und ihr Geschäftsgeschehen noch transparenter zu machen, effiziente und kundenfreundliche Geschäftsprozesse anzubieten und durch eine offene Kommunikation Vertrauen zu schaffen, sind allerdings in der Praxis bisher eher enttäuschend. So können die meisten Unternehmen die Wechselbereitschaft verunsicherter Anleger nicht als Vorteil nutzen, weil diesen durch wenig komfortable Onlineangebote unnötige Hürden in den Weg gelegt werden. Die Experton Group untersuchte im Rahmen der Studie Kreditanträge und Anträge für Hausratversicherungen und stellte fest, dass 50 Prozent aller getesteten Prozesse abgebrochen wurden.

Die Bankkunden erwarten übersichtliche, einfache Formulare und intuitiv durchführbare Prozesse. Stattdessen bestimmen technische Probleme, komplizierte Eingabemasken ohne Hilfestellung und ein insgesamt schlechtes Benutzererlebnis die Erfahrung mit dem potenziellen Finanzdienstleister. Genervt von unvollständigen Prozessen, suchen viele Kunden den nächsten Berater in der Filiale auf. Das kostet alle Beteiligten unnötig viel Zeit. Schlimmstenfalls klickt der Neukunde einfach gleich auf die Seite des professionelleren Konkurrenzangebotes. Für die Unternehmen haben diese Mängel in zweifacher Hinsicht Konsequenzen: Einerseits gelingt es ihnen nicht, durch effiziente Onlineprozesse Kosten für die Interaktion mit Kunden zu senken. Andererseits verschenken sie möglichen Umsatz.

Das Web zur Vorbereitung nutzen: Beispiel RSGV

Natürlich gibt es auch positive Beispiele: Der Rheinische Sparkassen- und Giroverband (RSGV) bietet mit dem Sparkassen- Finanz-Check ein wirkungsvolles Beratungsinstrument im Web an. Das Tool eine interaktive Rich Internet Application (RIA) - lässt sich mit minimalem finanziellen Aufwand individuell an die Anforderungen der einzelnen Institute anpassen und bietet den Kunden eine effiziente Informationsplattform im Web.

Neben den üblichen Prospekten und Formularen zum Download bietet der Finanz-Check eine Einführungsanimation. Ein gesprochener Kommentar vermittelt den Eindruck eines persönlichen Beratungsgesprächs. Der Kunde bestimmt nach Eingabe einiger persönlicher Daten mit wenigen Mausklicks selbst die Beratungsschwerpunkte und erhält direkt individuelle Vorschläge für seine Finanzplanung. Die Onlineberatung macht die Kunden auf zusätzliche Finanzprodukte und -dienstleistungen aufmerksam und verkürzt folgende Beratungsgespräche um etwa ein Drittel.

Die Kunden müssen sich nicht mehr mit langen und nervenden Frage- und Antwortspielchen auseinandersetzen, sondern werden mit modernster Animation und jederzeit transparent durch den Beratungsprozess geführt. Das senkt die Abbruchquote erheblich.

Wenn sich immer mehr Kunden vor einem Beratungstermin ausführlich über mögliche Gesprächsthemen informieren, unterhalten sich Berater und Kunde auf einem noch anspruchsvolleren Niveau. Zudem verlangen viele Kunden von ihrem Berater, Produkte bis ins Detail erklären zu können. Für Banken und ihre Mitarbeiter ist das eine ganz neue Herausforderung. Meistern sie diese, steigt die Bindung zum Kunden, und dessen Vertrauen wird gestärkt. Leistungsfähige Customer-Experience-Manage-ment-Lösungen bieten auf Basis der bisherigen Historie und der Präferenzen des Kunden etwa eine automatisierte "Next-Best-Action" und helfen so den Beratern vor Ort, ein maßgeschneidertes Angebot in Echtzeit zu unterbreiten.

Onlineangebot nicht als Insellösung

Wertvoll sind intuitiv zu bedienende RIAs jedoch nicht nur als Informationskanal für neue Angebote, sondern auch im Bereich Self-Service-Angebote für Kunden. Sie ermöglichen einen raschen Überblick über den finanziellen Status und die selbstständige Umsetzung von Routineaufgaben, ohne dass Unklarheiten zu Nachfragen in der Bank führen. Gute Angebote stellen gezielt die Informationen und Formulare bereit, die für die Kunden in der aktuellen Situation wirklich von Wert sind - etwa bei der Kontoeröffnung.

Ein personalisiertes, komfortables Onlineangebot mit interaktiven Tarifrechnern oder lukrativen Anlageangeboten darf jedoch keine Insellösung sein. Damit der Einsatz solcher Lösungen sich auch für den Anbieter lohnt, sollten die im Kundenportal angestoßenen digitalen Prozesse nicht wieder den herkömmlichen "Papier-Kriegen" zum Opfer fallen. Auch hinter den Kulissen müssen Geschäftsprozesse vom Papier gelöst werden, um Fehler und den Bearbeitungsaufwand zu reduzieren.

Onlineanfragen sollten deshalb nahtlos von den Backend-Systemen verarbeitet werden. Möglich machen dies intelligente Online-PDF-Formulare, Barcodes, XML und eine automatische, nahtlose Einbindung kundenorientierter Prozesse in Backend-Systeme. Das ist einer der Gründe, warum 23 der Top 25 Banken weltweit und die Top 10 der europäischen Banken auf Adobe-Unternehmenslösungen setzen.

Rechtsgültige Abschlüsse via Internet: Beispiel Impuls

Das Potenzial zeigt auch ein Beispiel aus dem Versicherungsbereich. So entwickelte die Impuls Finanzmanagement AG, Spezialist für die Vermittlung von privaten Kranken- und Krankenzusatzversicherungen, ein innovatives Angebot für seine Kunden. Der komplette Workflow von der Information über die persönliche Beratung bis hin zum rechtsgültigen Abschluss einer Police lässt sich bei Impuls auf Basis der Adobe Enter-prise-Lösungen Live-Cycle und Connect vollständig elektronisch abwickeln. So kann der Interessent auf Wunsch ohne Besuch eines Versicherungsvertreters rechtsgültige Verträge via Internet abschließen.

Natürlich ist gerade im Bereich der privaten Krankenversicherungen ein besonders sensibles und rechtskonformes Vorgehen gefragt. Die Kunden müssen neben ihren persönlichen Daten immerhin auch schützenswerte Informationen zu ihrer Lebensweise und ihrem Gesundheitszustand preisgeben. Für diese Datenabfrage im Internet mussten sowohl die rechtlichen als auch die technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Über die Webkonfe-renz-Lösung Adobe Connect und die Live-Cycle-Technologie ist das vollständige Ausfüllen eines Versicherungsantrags, die Sicherung über eine elektronische Signatur sowie die nahtlose Weiterleitung an die Versicherungsgesellschaft möglich. Der Kunde erhält eine Kopie seines Antrags, eine weitere Kopie wird automatisch archiviert. Danach können alle Versicherungsunterlagen über das Impuls-Kundenportal digital und sicher aus dem Archiv abgerufen werden.

Dieses Angebot ergänzt die Vor-Ort-Beratung, entlastet die Außendienstmitarbeiter und verschafft dem Unternehmen einen Technologievorsprung. Die multimedialen Inhalte der Webmeetings optimieren zusätzlich die Beratungsqualität. Ein Weg, der sich lohnt: Denn inzwischen ist das 2005 mit fünf Angestellten gestartete Unternehmen in Deutschland Marktführer in der unabhängigen Beratung und Vermittlung von privaten Krankenversicherungen.

Investition in neue Lösungen lohnt sich

Viele Finanzunternehmen gehen davon aus, dass ihre Angebote bei den Kunden gut ankommen. Das kann so sein, allerdings sprechen zahlreiche Tests und Studien eine andere Sprache, wie beispielsweise die Ergebnisse der Experton-Befragung zeigen. Dem Wunsch der Anbieter, mit den jeweiligen Angeboten den Erwar tungen der Kunden zu entsprechen, steht jedoch in vielen Fällen eine eher ernüchternde Wirklichkeit gegenüber. Der erste Schritt zu einer Verbesserung dieser Situation kann darin bestehen, gemäß dem Customer-Experience-Management-Ansatzes die Perspektive des Kunden einzunehmen und Angebote so zu gestalten, dass man sie selber gerne nutzen würde. Das gilt sowohl für Anwendungen, die von Kunden genutzt werden, als auch für Lösungen, die von Beratern in der Filiale, Vertriebsmitarbeitern oder Sachbearbeitern verwendet werden. Und das führt im Ergebnis nicht nur zu mehr Zufriedenheit, sondern auch zu einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und zu mehr Erfolg.

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