Herausforderung Zweigstelle

Filiale versus Kompetenzzentrum - eine kritische Beleuchtung

Die Sparkassen-Beratungshaus Nord-Ost GmbH ist als Beratungsunternehmen für Sparkassen, Bausparkassen und Landesbanken regelmäßig mit der Fragestellung konfrontiert, Kompetenzen aus den Filialen in zentralen Kompetenzzentren zu bündeln. Die neue Ausgestaltung hat einen starken Einfluss auf die Vertriebsarbeit in den Sparkassen. Hier gilt es einerseits Prozesse zu definieren, aber auch Mitarbeiter und Führungskräfte von den Veränderungen zu überzeugen.

"Wir sind in der Region präsent und versorgen die Bevölkerung mit kompetenten Finanzdienstleistungen", "Wir stellen die Bedürfnisse unserer Kunden in den Mittelpunkt! ". So oder so ähnlich formulieren Sparkassen ihr Handeln in ihrer Geschäftsstrategie.

Neue Konzepte für den stationären Vertrieb

Vor allem die Sparkassen in den ländlichen Flächengebieten spüren heute jedoch schon die Auswirkungen des demografischen Wandels und erleben zudem eine Ausdünnung der jungen Potenzialkundschaft zugunsten der in Städten situierten Institute. Den geringeren Erlösen aus dem Zinskonditionsbeitrag, besonders in Zeiten des niedrigen Zinsniveaus, stehen die steigenden Kosten für den Vertriebskanal Filiale gegenüber und lösen immer häufiger die Überprüfung der Vertriebswegestrategie aus.

Neue Konzepte für den stationären Vertrieb sind gefragt. Um die regionale Präsenz trotz geringerer Frequenz vor Ort erfüllen zu können, überprüfen viele Sparkassen kontinuierlich ihr Filialkonzept anhand einer Kosten-Nutzen-Analyse oder Portfolioanalyse. Hierbei werden unter anderem Aspekte wie Anzahl und Entwicklung von Kundenbeziehungen und Kundenströme rund um die bestehenden Filialen zugrunde gelegt. Ebenso werden Verkehrswegezeiten, Infrastruktur, städtebauliche Entwicklungen und der Wettbewerb vor Ort bei der Weiterentwicklung der Vertriebswegestrategie berücksichtigt.

Besonders in der Fläche bietet sich eine gezielte Differenzierung der Filialausprägung an. Während die SB-Filiale kein Servicepersonal, sondern ausschließlich technische Abwicklungsmöglichkeiten bietet, können in sogenannten Service-Filialen Serviceleistungen und standardisierte Finanzdienstleistungen nachgefragt werden. Um der angesprochenen Präsenz in der Fläche weiterhin gerecht zu werden, kann bei zurückgehenden Kundenströmen zunächst eine Reduzierung der Öffnungszeit oder die Umwandlung in eine SB-Filiale eine Alter native sein.

Zwei weitere Filialtypen sind das Kompetenzcenter und die Vollservicefiliale. Während das Kompetenzzentrum ausschließlich zielgruppenspezifische und themenbezogene Expertenberatung anbietet, leistet die Vollservicefiliale sowohl die Expertenberatung als auch Servicedienstleistung an einem Standort.

Das Kompetenzzentrum hat in der Filiallandschaft, besonders bei Flächeninstituten, zunehmend an Bedeutung gewonnen. Zugunsten der Etablierung von Kompetenzzentren wird das Spektrum der Beratungsdienstleistungen und damit auch spezialisiertes Produktfachwissen auf den umliegenden Filialen reduziert. Ausgewählte Kundengruppen je nach vorhandenem Potenzial werden zur Beratung an das Kompetenzzentrum übergeleitet, während Serviceleistungen weiterhin in der Filiale ausgeführt werden können.

Verlierer sind immobile Kunden in der Fläche. Gerade für sie ist die Überwindung längerer Distanzen oft nicht möglich. Hier sind in den Regionen innovative und kreative Lösungen erforderlich, um auch der demografischen Entwicklung Rechnung zu tragen. Die Beratungspraxis zeigt, dass hier enormes Potenzial vorhanden ist.

Was sind die Bedürfnisse eines Kunden, der die persönliche Beratung seiner Hausbank sucht? Überzeugt eine Hausbank heute nur durch einen persönlichen Ansprechpartner oder ist heute mehr denn je Kompetenz gefragt?

Nachfrageorientierte Kompetenzdifferenzierung!

Sparkassen bündeln Beratungsleistungen zu ausgewählten, komplexen Finanzprodukten in Kompetenzzentren, um einen optimalen fachlichen Austausch der Spezialisten untereinander und eine adäquate Führung der Mitarbeiter und damit eine ständige Weiterentwicklung ihrer Lösungskompetenz sicherzustellen. Das in der Vergangenheit oft postulierte "Vier-Augen-Prinzip" kann somit auch bei der Entwicklung von individuellen Produktkonzepten vor Ort eingesetzt werden, um der Erwartung des Kunden nach der optimalen Lösung objektiviert gerecht zu werden.

Zudem steigen die gesetzlichen Anforderungen an eine sachgerechte Kundenberatung, beispielhaft wird hier auf das Beratungsprotokoll nach § 14 und § 34, die WpHG Dokumentation oder den Versicherungsbereich verwiesen (vergleiche hierzu § 61 VVG, § 34d Gewo und § 4 VersVermV) und an die nachzuweisenden Qualifikationen für die Beratung von ausgewählten Finanzdienstleistungen. Zu Recht wird dies auch von Institutionen wie den Verbraucherzentralen immer wieder eingefordert und überprüft.

Qualifiziertes Personal hat den Anspruch einer angemessenen Vergütung für das erarbeitete Produktfachwissen. Ziel der Sparkassen ist es somit, das vorhandene Produktfachwissen beim Mitarbeiter effektiv einzusetzen, durch ständige Übung aktuell zu halten und optimal im Vertrieb auszulasten. Die dem Vertrieb nachgelagerten Prozesse können somit ebenso effizient auf die Geschäftsvorfälle standardisiert ausgerichtet werden, um die Produktexpertise um eine optimierten Abwicklung zu ergänzen. Dem Produktspezialisten werden möglichst viele Kunden mit gleichgerichtetem Bedarf zugeführt. Ein ständiges Betreuungskonzept durch den Mitarbeiter kann bei andauernder Nachfrage durch einen Kunden sinnvoll sein.

Die zu empfehlende Trennung des Zugangs zum Kompetenzzentrum von der Filiale ermöglicht eine nachfrageorientierte Ausrichtung der Beratungszeiten. Während die klassische Filiale aus Gründen des Versicherungsschutzes und des Mitarbeiterschutzes ausgewiesene Öffnungszeiten einhalten muss und somit auf Kundennachfrageverhalten nach Beratung nicht flexibel reagieren kann, sind die Berater im Kompetenzzentrum genau hierauf eingestellt.

Einsatz von Produktspezialisten

Der Vertrieb komplexer Produkte erfordert den Einsatz von Produktspezialisten, um eine kompetente Beratung des Kunden sicherzustellen. Abweichend vom eigentlichen Geschäftsmodell haben Direktbanken dies bereits auch festgestellt und etablieren für den Vertrieb komplexer Bankprodukte einen stationären Vertrieb. Diese Annäherung der Vertriebswegekonzeption wird auch eine Annäherung in der Preis- und Konditionenpolitik nach sich ziehen.

Konsequente Service- und Kundenorientierung sowie eine zuverlässige, schnelle Abwicklung von standardisierten Finanzdienstleistungen sind die Kompetenzanforderung an einen Mitarbeiter in einer Ser-vice-Filiale, die einem Kompetenzzentrum zugeordnet ist. Diverse Marktforschungsstudien belegen, dass ein Kunde in den kurzen Kontaktpunkten im Service seine Kompetenzvermutung und die Zufriedenheit mit seiner Hausbank entwickelt.

Diese Kundenkontakte dauern oft nur wenige Minuten. Ein Servicemitarbeiter bedient am Tag eine Vielzahl von ganz unterschiedlichen Menschentypen. In kürzester Zeit für nur einen kurzen Moment muss der Filialmitarbeiter sich auf den Kunden einstellen und die eigene und die Leistungsfähigkeit der Sparkasse unter Beweis stellen: Für den Kunden ist das eine Selbstverständlichkeit. Das Risiko, die Erwartungshaltung nicht zu erfüllen, ist deutlich höher als die Chance, den Kunden durch Übererfüllung zu begeistern.

Servicemitarbeiter sind das Fundament vertrieblichen Erfolgs

Natürlich - eine ganz andere Kompetenz, aber einem Kreditinstitut nützt ausge wiesene Spezialistenkompetenz wenig, wenn die Kompetenz im Service nicht vor handen oder nicht vom Kunden wahrgenommen wird. Die Servicemitarbeiter sind das Fundament allen vertrieblichen Er folges. An dieser Stelle ist Führungsarbeit die immer wiederkehrende und neue Motivation zu Höchstleistungen im Servicebereich.

Während sich Direkt-, Spezialbanken und zum Teil auch Großbanken zielgruppenorientiert im Markt positionieren, bedienen Sparkassen und Volksbanken zielgruppenübergreifend breite Bevölkerungsschichten. Um der geänderten Nachfrage nach Beratung von Finanzdienstleistungen ökonomisch begegnen zu können, ist die Etablierung profilierter Vertriebswege gerade für Universalbanken in den Flächenregionen eine gute Alternative zur konsequenten Reduzierung von Vollservicefilialstandorten zulasten der Flächenpräsenz.

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