Vertriebswege im Vergleich

Alternative Filialkonzepte auf dem Vormarsch

Kaum ein anderes Geschäftsfeld im deutschen Bankensektor hat sich in den vergangenen Jahren so dynamisch entwickelt wie das Retailbanking. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielschichtig. Auf der einen Seite werden die Wünsche der Kunden immer differenzierter und erfordern eine individualisierte Kundenansprache. Gleichzeitig ist die Preissensibilität in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen und die Kundenloyalität rückläufig.

Das spiegelt sich auch in der hohen Anzahl an Zweitkontoverbindungen wider, die Kunden aus Konditionenüberlegungen bei anderen Banken als ihrer Hausbank unterhalten. Ausländische Banken sowie Non- und Near-Banks drängen darüber hinaus zunehmend auf den deutschen Markt und werben mit hohen Zinsen. Im Unterschied zu den Filialbanken setzen sie auf das Internet und kommen deshalb ohne ein teures Filialnetz aus. Aus diesem Grund können sie bessere Konditionen als die etablierten Filialbanken anbieten. Letztere haben auf diese Entwicklung reagiert und setzen nun ihrerseits verstärkt auf elektronische Vertriebskanäle.

Die Filiale drohte angesichts der hohen Kosten und des intensiven Wettbewerbs am deutschen Retailbanking-Markt daher lange Zeit ein Auslaufmodell zu werden. Mittlerweile zeichnet sich aber ein Umdenken bei Kunden und Kreditinstituten ab. Die Kunden wünschen wieder den Kontakt zum Berater in der Filiale. Vor allem bei beratungsintensiven Produkten ist die Betreuung vor Ort gefragt.

Das geht auch aus den Ergebnissen einer Umfrage unter Bankkunden im Auftrag der Allianz/Dresdner Bank (2008) hervor. Danach wünschen sich auch weiterhin 70 Prozent der befragten Bankkunden eine regionale Präsenz ihrer Bank vor Ort. Für 83 Prozent ist eine kompetente Beratung wichtig.

Das eröffnet den Filialbanken die Möglichkeit, durch den Einsatz der Filiale und hoher Beratungsqualität Differenzierungsmerkmale zu entwickeln und dem starken Wettbewerb bei Standardprodukten aus dem Weg zu gehen. Erforderlich hierfür ist aber eine grundlegende Neuorientierung und Neugestaltung der Filiale.

Vor diesem Hintergrund hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) rund 350 Experten aus Banken, Versicherungen und Finanzdienstleistungsunternehmen zum Filialgeschäft der Zukunft befragt. Davon haben rund 250 Personen an der Umfrage teilgenommen.

Primärbanken der Finanzverbünde werden weiter Filialen schließen

Nach Ansicht der Studienteilnehmer werden die Banken auch in den kommenden Jahren weiter Filialen schließen. Bereits in den vergangenen Jahren haben sie die Zahl ihrer Zweigstellen deutlich reduziert. Derzeit gibt es noch rund 40 000 Filialen in Deutschland. Im Jahr 1998 waren es noch knapp 60 000 Filialen (siehe Abbildung 1). Nach Einschätzung der Experten werden vor allem die Genossenschaftsbanken und die Sparkassen weitere Filialschließungen vornehmen.

Die deutschen Privatbanken werden hingegen ihrer Ansicht nach keine weiteren Filialen schließen. Das gleiche gilt für die ausländischen Privatbanken. Hier wird sogar der Aufbau neuer Filialen in den kommenden zwei Jahren erwartet. Derzeit sind die ausländischen Privatbanken vor allem in Ballungsräumen mit hoher Kundenfrequenz präsent und ergänzen durch den Einsatz der Filiale den Direktvertrieb. Ein Hauptgrund für die große Anzahl an Filialschließungen in Deutschland in den vergangenen Jahren ist die hohe Fixkostenbelastung. Diese führt zu Leerkosten, wenn die Mitarbeiter in der Zweigstelle nicht ausgelastet sind. Teilweise ist diese Leerkostenproblematik durch die Kreditinstitute selber verursacht worden. Durch ihre Preispolitik haben sie den Kunden bei Standardprodukten bewusst auf andere Vertriebskanäle umgelenkt.

Differenzierung der Filialkonzepte ist nötig

Insbesondere im Geschäft mit klassischen Retailbanking-Produkten wie dem Tagesgeldkonto oder dem Konsumentenkredit ist der Wettbewerbsdruck sehr intensiv. Da Differenzierungsmerkmale kaum herausgearbeitet werden können, ist die Absatzstrategie auf den Preis ausgerichtet. Hohe Preise können deshalb nicht durchgesetzt werden. Die Margen werden über niedrige Kosten und eine hohe Ausbringungsmenge erwirtschaftet. Hohe Kosten, wie sie im Filialbetrieb auftreten, sind mit einer solchen Strategie nicht vereinbar.

Die Filialbanken können deshalb nicht auf Preisführerschaft setzen, sondern müssen sich auf ihre Stärken besinnen: Kundennähe, Kompetenz und Vertrauen. Erst durch den Besuch in der Filiale kann die Filialbank Differenzierungsmerkmale schaffen und das Vertrauen des Kunden in die Bank und damit auch seine Loyalität gegenüber der Bank steigern. Dann lassen sich auch im Filialgeschäft höhere Preise durchsetzen als im Direktvertrieb.

Mittlerweile scheint sich diese Erkenntnis bei den meisten Filialbanken durchgesetzt zu haben. Das kommt auch in der Umfrage von Ibi Research (2006) zum Ausdruck. Während nur zehn Prozent der befragten Bankmanager dem Neubau oder der Schließung von Filialen eine mittlere oder hohe Priorität zuweisen, hat der Umbau von Filialen mit neuen Filialkonzepten für rund 27 Prozent eine mittlere und für 21 Prozent sogar eine hohe Priorität.

Die Banken setzen deshalb in Zukunft neben der Vollservice-Filiale auf andere Filialkonzepte wie die Erlebnisfiliale, die Beratungsfiliale oder den Banking-Shop. Die bedeutsamste Filialform wird aber auch in Zukunft die Vollservice-Filiale bleiben. Nach Einschätzung der Finanzexperten kommt sie auf einen Marktanteil von knapp unter 40 Prozent an allen Filialgeschäften (siehe Abbildung 2). Auch wenn sie der klassischen Filiale am nächsten kommt, gibt es einige Unterscheidungsmerkmale. Einer davon ist die Integration von SB-Geräten in den Innenraum der Filiale. Dadurch soll der Kunde aus dem Eingangsbereich wieder in den Filialinnenraum gelockt und dadurch der Kontakt mit dem Kunden wiederbelebt werden.

Um dem Wunsch des Kunden nach längeren Öffnungszeiten und intensiver Beratung entgegenzukommen, werden die Banken darüber hinaus in Zukunft ver stärkt auf Beratungsfilialen setzen. Nach Ansicht der befragten Experten werden auf sie rund 22 Prozent aller Filialgeschäfte entfallen. Beratungsfilialen werden vor allem in Ballungsräumen und zur Betreuung von Privatkunden eingesetzt.

An Orten mit geringer Kundenfrequenz kommen verstärkt SB-Filialen zum Einsatz. Deren Marktanteil wird nach Ansicht der Experten in den kommenden Jahren bei unter 20 Prozent liegen. In der SB-Filiale kann der Vertrieb durch direkte Kundenansprache an den SB-Geräten gestärkt werden. Darüber hinaus kann die Kundenbindung durch Mehrwertdienste an den Automaten wie zum Beispiel die Ausgabe von Eintrittskarten erhöht werden.

Geringer Marktanteil von Banking- und Credit-Shops

Banking- oder Credit-Shops kommen auf einen deutlich geringen Marktanteil von elf Prozent. Sie werden an Standorten mit hoher Kundenfrequenz wie beispielsweise Fußgängerzonen oder Einkaufszentren errichtet. Im Unterschied zur Beratungsfiliale steht dort nicht die Beratung im Vordergrund, sondern der Vertrieb von Produkten. Deshalb werden dort keine beratungsintensiven Produkte angeboten. Banking-Shops werden daher auch als Produktfilialen bezeichnet. Sie stellen das Gegenstück zur Beratungsfiliale dar.

Auch Erlebnisfilialen werden nach Ansicht der befragten Experten nicht flächendeckend eingesetzt werden. Neben Bankprodukten und -dienstleistungen werden dort auch banknahe Produkte von Verbund- oder Kooperationspartnern (zum Beispiel Versicherungen), bankferne Produkte (zum Beispiel Bürgerbüro) und bankfremde Leistungen (zum Beispiel Markenartikel) angeboten. Darüber hinaus sind Erlebnisfilialen mit bequemen Sitzmöglichkeiten ausgestattet, um die Verweildauer in der Filiale zu erhöhen und den Filialbesuch zu emotionalisieren.

Defizite in der Verkaufspsychologie

Die Umgestaltung der Filiale wird aber nicht allein zu höheren Erträgen führen. Notwendig ist auch eine stärkere Fokussierung der Filiale auf die Kundenberatung und den Vertrieb. Dazu müssen die Mitarbeiter stärker als in der Vergangenheit geschult werden. Vor allem bei der Vertriebsorientierung besteht Nachholbedarf. Das Filialgeschäft muss außerdem stärker an den Erträgen orientiert werden als in der Vergangenheit. Hierzu ist eine am Kundenwert orientierte Personalsteuerung notwendig.

Dass die Ertragsorientierung in deutschen Kreditinstituten bisher nur gering ausgeprägt ist, kommt in einer Umfrage der Unternehmensberatung Steria Mummert (2008) unter deutschen Bankmanagern zum Ausdruck. Danach glauben nur 15 Prozent der befragten Bankentscheider, dass der Vertrieb ihres Instituts effizient arbeitet. Die größten Defizite sehen die Manager in der Verkaufspsychologie. Fast die Hälfte der Fach- und Führungskräfte aus der Kreditwirtschaft sieht hier Optimierungsbedarf.

Ein Mangel an bankfachlicher Kompetenz wird hingegen nicht gesehen. Rund 90 Prozent der Befragten glauben, dass ihr Vertriebsteam auf branchenüblichem Niveau oder besser berät. Damit sich der Berater verstärkt dem Vertrieb widmen kann, muss er zunehmend von administrativen Aufgaben entbunden werden. Darüber hinaus sollte er nicht alle Produkte in der Filiale vertreiben, sondern sich auf die margenstarken Produkte konzentrieren.

Produkte wie beispielsweise Konsumentenkredite sollten über andere Vertriebswege angeboten werden. Solche Produkte sind hinreichend standardisierbar und erfordern nur einen geringen Beratungsaufwand. Differenzierungsmerkmale können hier kaum herausgearbeitet werden. Daher entscheidet der Preis. Solche Produkte können und sollten kostengünstiger im Direktvertrieb angeboten werden. Auch die Kontoverwaltung kann zu ge ringeren Kosten und rund um die Uhr im Internet abgewickelt werden.

Beratungsintensive Produkte sollten hingegen von einem geschulten Mitarbeiter im Rahmen eines qualifizierten Beratungsgesprächs vertrieben werden. Erst wenn diese Maßnahmen greifen und die Filiale nach den Bedürfnissen der Kunden individuell ausgerichtet wird, kann die Beziehung zwischen der Bank und dem Kunden revitalisiert werden. Die Bankfiliale wird dann auch in Zukunft ein wichtiger Vertriebskanal von Banken sein.

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