Leitartikel

Graue Weste

sb - Nun hatte also die Helaba einen Skandal, der in allen Medien - einschließlich der sozialen - genüsslich breitgetreten und kommentiert wurde. Sex im Büro. Unmöglich! Und gleichzeitig: Wie pikant! Die Führung der Bank und ihre Kommunikationsstrategen hat das sicher wenig gefreut, wurden durch die Affäre doch wieder einmal Bankmanager in der Öffentlichkeit in schlechtes Licht gerückt. In anderen Branchen kommt dergleichen selbstredend niemals vor. Und die Selbstständigen, deren Techtelmechtel mit der jeweiligen Sekretärin mehrere Ehen scheitern ließ, bis die Firma keine weiteren Belastungen durch Unterhaltszahlungen mehr verträgt - die spielen ohnehin in einer anderen Liga.

Die Verve, mit der sich die Öffentlichkeit auf das Thema stürzte, ist - bei allem Ärgernis für die Bank - zweifellos auch ein gutes Zeichen. Beweist sie doch, dass es der Branche derzeit an "echten" Skandalen mangelt. Demnächst steht der gesamte Ex-Vorstand der Bayern-LB vor Gericht - wen kümmert's? Das, worum es dabei geht, das hatten wir doch alles schon. Aber die großen, neuen Skandale, die fehlen derzeit. Kein Investmentbanker, der Milliarden verzockt, keine Vertriebsorganisation, die in großem Stil Kunden über vorteilt hat, kein Vorstand, der sich mit Akquisitionen übernommen oder sich gar - womöglich noch zu eigenen Gunsten - "faule" Töchter hat andrehen lassen, die die Mutter in die Pleite zu reißen drohen. Da ist eine Führungskraft, die sich am Arbeitsplatz mit der Sekretärin vergnügt, doch viel schöner. Und man kann sich so herrlich darüber ereifern, dass die Bank sich nicht mit dem Faktum an sich befasst, sondern allein mit dem Umstand, dass das private Treiben nicht in der Pause, sondern der Arbeitszeit stattfand. Hätte die Helaba stattdessen darauf verwiesen, dass dergleichen Techtelmechtel zwischen Chef und Mitarbeiterin generell unerwünscht seien, wäre die Schlagzeile "Sex-Verbot bei der Helaba" aber genauso schön gewesen.

Doch Obacht. Als Indiz dafür, dass die Vertrauenskrise überwunden ist und die Öffentlichkeit wieder "normal" mit der Kreditwirtschaft umgehen kann, lässt sich die Affäre in der Helaba gewiss nicht deuten. Entspannung ist an dieser Front noch lange nicht angesagt. Das Vertrauen einstiger Generationen in die "Bankbeamten" wird es nie wieder geben. Die Öffentlichkeit wird weiterhin dazu neigen, bei der Finanzwirtschaft genauer hinzusehen als in früheren Zeiten und vielleicht auch genauer als bei anderen Branchen. Die "Aufräumarbeiten" - wenngleich teilweise durch Vorgaben der Regulatoren forciert - wurden aber zur Kenntnis genommen. So ist die generelle Zufriedenheit mit der Anlageberatung einer DZ-Bank-Studie zufolge gegenüber dem Jahr 2009 um immerhin sechs Prozentpunkte gestiegen. Namentlich beim Vertrauen in den Berater, der objektiven Beratung und der Aufklärung über Risiken hat sich viel verbessert.

Das Image der Banken ist aber unverändert verbesserungswürdig, wie es zum Beispiel die Studie European Trusted Brands 2012 von Readers Digest ausweist. 56 Prozent der Europäer haben demnach wenig oder gar kein Vertrauen in Banken. Damit rangiert die Branche auf Rang sechs der 14 abgefragten Branchen/Institutionen. Und der Anteil derer, die den Kreditinstituten sehr oder ziemlich stark vertrauen, ist 2012 im Vergleich zum Vorjahr noch einmal um drei Prozentpunkte auf 38 Prozent zurückgegangen. In Deutschland liegt der Wert mit 25 Prozent (dem schlechtesten Wert aller 15 untersuchten Länder) noch niedriger. Dass die Branche damit um einen Prozentpunkt besser liegt als der Durchschnittswert aller 14 abgefragten Branchen/Institutionen ist da vermutlich ein schwacher Trost. Und Finanzberater rangieren mit einem Vertrauenswert von 26 Prozent (Deutschland 17 Prozent) im unteren Mittelfeld gerade noch vor Gewerkschaftsführern, Fußballspielern, Autoverkäufern und (mit deutlichem Abstand) Politikern. Die Weste mag also heller geworden sein, sie ist aber immer noch grau.

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