Im Gespräch

"Unsere Investitionen müssen sich in Markterfolgen niederschlagen"

Herr von Schimmelmann, wenn Sie die Postbank von heute mit der Postbank von vor zehn Jahren vergleichen - was sehen Sie und wo sind die wesentlichen Veränderungen?

Ich glaube, die Postbank wird heute als echte und vor allem attraktive Bank gesehen. Damals waren das noch die Ausläufer des alten Postscheck- und Postgiroamts. Es begannen gerade die ersten noch zaghaften Ansätze im Fonds- und Privatkreditgeschäft. Wertpapiergeschäft, Brokerage und Baufinanzierung waren noch Fremdworte. Das alte "Amtsdenken" spiegelte sich auch in vielen Strukturen wider, und wenn ein Mitarbeiter gefragt wurde, in welcher Bank er denn arbeite, dann schämte er sich fast ein bisschen zu sagen, bei der Postbank.

Das hat sich total geändert. Die Postbank von heute ist anerkannt, man ist gerne Mitarbeiter, Kunde oder Aktionär. Dieser Wandel im Ansehen ist vor allem unserem gemeinsamen Engagement zu verdanken, unserer klaren Geschäftspolitik und deren konsequenter Umsetzung.

Wie wichtig für diese Anerkennung war das Thema Marketing?

Marketing ist immer ein zentrales Thema. Auch da gilt der alte Spruch: "Es reicht nicht, Recht zu haben, man muss auch Recht bekommen". Es nützt nichts, ein tolles Unternehmen zu sein, wenn es keiner weiß. Da haben uns der Börsengang bis hin zum Dax-Aufstieg und Aktionen wie die WM 2006 sehr geholfen. Die Aufmerksamkeit ist ein aktuelles Zeichen des Erfolgs und für morgen ein Ansporn.

Wie viel dieses Erfolgs ist Wulf von Schimmelmanns Erfolg?

Das war und ist nicht der Erfolg eines Einzelnen. Entscheidend war, dass es gelungen ist, relativ schnell ein hervorragendes Team aufzubauen. Unser Führungsteam kann heute mit jedem vergleichbaren Haus in Deutschland mithalten. Die sehr geringe Fluktuation zeigt, dass es Spaß macht, an dieser Erfolgsgeschichte mitzuwirken.

Ist es nicht so, dass die Dax-Mitgliedschaft höhere Anforderungen an Ihr Unternehmen stellt?

Nein, die Erwartungen waren und sind die gleichen, nur die allgemeine Aufmerksamkeit für die Bank hat sich erhöht.

Steht man nicht noch mehr im Fokus?

Natürlich steht man mehr im Fokus! Aber ich glaube, wir haben uns auch bisher schon ganz gut geschlagen.

Sehen Sie die Kurzfristigkeit der Quartalsberichterstattung als ein Problem? Kann man da Unternehmen solide führen?

Als Unternehmer muss man immer eine Balance zwischen langfristigen Investitionszielen und kurzfristigen Erfolgserwartungen finden. Der Veröffentlichungszwang von Quartalszahlen darf die Waagschale nicht einseitig belasten.

Sie empfinden das aber nicht als übergebührliche Belastung?

Ich habe längst gelernt, Gelassenheit gegenüber den Dingen zu empfinden, die ich partout nicht ändern kann, und mich auf die Themen zu konzentrieren, die ich beeinflussen kann.

Wie versuchen Sie hier in Ihrem Haus eine zu kurzfristige

Orientierung zu vermeiden?

Indem wir zum Beispiel bei unserer Steuerung die wesentlichen Parameter möglichst längerfristig festsetzen. Lassen Sie mich das am Beispiel der jährlichen Investitionsentscheidungen verdeutlichen. Einmal im Jahr legen wir anhand unserer Geschäftsstrategie fest, wie viel wir im kommenden

Jahr insgesamt und in den einzelnen Geschäftsfeldern investieren wollen und können. Jedes Geschäftsressort ist dann im Rahmen seiner eigenen Geschäftsziele weitgehend frei, was die konkrete Umsetzung betrifft, wie ein eigenständiger Unternehmer.

Das gilt aber nur für den "Geschäftverlauf normal". Es gibt ja immer Ausnahmen durch Unglücke oder Vorstandswechsel. Würde man dann davon abweichen?

Kaum, wir würden uns das sehr genau ansehen. Bis jetzt habe ich das noch nicht erlebt. Unser Geschäft ist nicht so volatil, dass es nicht möglich wäre, mindestens für ein Jahr im Voraus die Rahmendaten verlässlich zu definieren.

So schaffen Sie aber auch sehr klare Verantwortlichkeiten.

Richtig!

Was sind die Herausforderungen der Zukunft, worauf muss eine erfolgreiche Postbank reagieren, um noch besser im Wettbewerb zu bestehen?

Durch den Erwerb der Post-Filialen und des BHW mitsamt dem mobilen Vertrieb hat unsere Bank ein enormes Potenzial für Wachstum aus eigener Kraft. Nun müssen wir zeigen, dass wir es auch tatsächlich ausschöpfen. Wir müssen die PS auf die Straße bringen.

Mehr als 850 eigene Filialen mit 2000 Finanzdienstleistungsberatern und 4000 Finanzmanager im mobilen Vertrieb, diese quantitative Vertriebsstärke müssen wir künftig auch qualitativ umsetzen.

Unsere erheblichen Investitionen müssen sich in Markterfolgen niederschlagen. Das gilt sowohl für den stationären als auch für den mobilen Vertrieb.

Zielsetzung ist nicht so sehr das Neukundengeschäft, sondern eher die bessere Ausschöpfung der Bestandskunden?

Wer wie wir mehr als 14 Millionen hat, muss sich nicht mehr um jeden Preis neue Kundenverbindungen erkaufen. Wir können deswegen verstärkt den Ausbau bestehender Verbindungen vorantreiben.

Dabei steht für uns nicht eine simple Cross-Selling-Rate im Vordergrund. Sie wäre nur sinnvoll, wenn jedes Produkt den gleichen Ergebnisbeitrag liefern würde. Das ist aber nicht so. Entscheidend ist vielmehr der Gesamtertrag, den wir mit einem Kunden machen.

Wie viel wurde in Schulung und Weiterbildung der Mitarbeiter investiert?

In unseren Filialen arbeiten 8 000 Mitarbeiter, von denen jeder im Schnitt zehn Tage geschult wurde. Das sind 80 000 Tage. Nun können Sie sich leicht ausrechnen, was wir allein hier investiert haben.

Das heißt, die Durchschnittsfiliale hat zehn Mitarbeiter?

Ja. Wobei in der Regel zwei Mitarbeiter ausschließlich für Finanzdienstleistungen zuständig sind, also Bankberater. Die anderen sind im Servicebereich tätig und wurden auch zum großen Teil geschult.

Wie ist die Abgrenzung zwischen den Vertriebswegen?

Das wichtigste Kriterium ist sicherlich der Kundenbedarf an Beratung und Betreuung. Wir haben mittlerweile relativ gesicherte Erkenntnisse, welche Kunden und Kundentypen eher Filial-affin sind und welche Kunden in anderer Form angesprochen werden wollen.

Schlagen sich die eigenen Filialen spürbar in den Zahlen nieder?

Ja, auf jeden Fall. Der Vertriebserfolg ist stark gestiegen. In den ersten neun Monaten 2006 hat sich der Absatz an Lebensversicherungen gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum in diesen 850 Filialen mehr als verdoppelt, der Verkauf von Konsumentenkrediten ist um fast 90 Prozent gestiegen.

Wie ist es geregelt, wenn es mal zu "Reibereien" kommt, gerade zwischen dem mobilen Vertrieb und der eigenen Filiale? Sind die Vertriebswege "gleichberechtigt"?

Natürlich. Wir haben einen entscheidenden Vorteil gegenüber den anderen Finanzdienstleistern: Unsere riesige Kundenzahl erlaubt es sowohl den Filialen wie dem mobilen Vertrieb, mehr als genügend Kunden ansprechen zu können.

Stimmt die Abgrenzung zwischen den mobilen Einheiten von Postbank/BHW und Ihrer Zweitmarke DSL?

Die DSL ist unsere Marke für das Geschäft mit unabhängigen Vermittlern. Diese würden niemals eine Postbank-Baufinanzierung verkaufen, aus Sorge, dass der Kunde von uns dann auch in anderen Produkten angesprochen würde.

Das ist im Geschäftsmodell der Marke DSL ausgeschlossen. Das Gleiche gilt für die Zusammenarbeit mit dem Online-Portal Interhyp. Klare Aussage: keine Verwischung der Markenprofile.

Hat die DSL eigentlich auch das Partnergeschäft vom BHW übernommen?

Das BHW hat über viele Jahre ein interessantes Partnergeschäft aufgebaut. Diese Stärke wollen wir erhalten.

Vom gesamten Neugeschäft Baufinanzierungen von 8,5 Milliarden Euro kamen 4,4 Milliarden Euro von der DSL und 4,0 Milliarden Euro vom BHW. Ist das ein Verhältnis, das so bleiben soll?

Da gibt es keine Vorgaben: Jede Marke soll ihre eigenen Wachstumschancen bestmöglich wahr nehmen.

Zur Kreditfabrik: Hier gibt es in Ihrem Haus noch eine strikte Trennung zwischen Transaction-Banking für den Zahlungsverkehr und Kreditfabrik für die Kredite: Ist das dauerhaft aus volumenstechnischen Gründen so darstellbar oder könnte es hier zu einem Zusammenwachsen kommen?

Beiden Teilen des Transaction-Banking liegt die gleiche Philosophie zugrunde: Industrielle Prozesse und Produktion. Deswegen haben wir die "Payment Services" und die "Credit Services" auch zu einem Ressort zusammengefasst. Die jeweiligen Plattformen sind aber völlig unterschiedlich und dürften das auch langfristig bleiben.

Retail ist mit Abstand das größte Geschäftsfeld, Financial-Markets und Firmenkunden liegen in etwa gleich auf und Transaction-Banking hinkt ein wenig hinterher: Wird sich diese Gewichtung in Zukunft verschieben?

Retail ist und bleibt natürlich das Wichtigste für uns. Aber wir wollen vor allem im Transaction-Banking spürbar zulegen, wobei berücksichtigt werden muss, dass die ausgewiesenen Ergebnisse nur einen Teil dessen reflektieren, was dieses Geschäftsfeld wirklich für uns bedeutet. Im Firmenkundengeschäft ist es das Ziel, noch aktiver in einzelnen Segmenten zu werden.

Gemessen am Kundenpotenzial ist das Volumen im Fondsgeschäft relativ gesehen sicherlich zu gering. Woran liegt das?

Die Postbank hat aktuell ein Volumen an Spareinlagen von 42,2 Milliarden Euro und im Fondsgeschäft von 7,3 Milliarden Euro. Seit Jahresbeginn ist das Fondsvolumen um etwa eine Milliarde Euro gewachsen. Hinzu kommt eine weitere Milliarde durch die BHW-Übernahme.

Damit wären andere sicherlich mehr als zufrieden. Wir nicht. Wir können das in Zukunft noch besser.

Sie reagieren auf den verschärften Preiswettbewerb gerade im Retailgeschäft mit Tagesgeldkonten und guter Verzinsung, allerdings nicht bis zum letzten Prozentpunkt reicht das aus?

Ja, denn wir wissen, dass viele Kunden mehr wollen als nur den letzten Basispunkt.

So gibt es ein großes Interesse, zwar die Vorteile eines Sparkontos nutzen zu können, aber dennoch in irgendeiner Form von der Aktienkursentwicklung zu profitieren. Dafür gibt es unser Dax-Sparbuch, das das Kapital sichert und einen Bonuszins im Falle eines Dax-Anstiegs zahlt. Die Verzinsung lag in den letzten drei Monaten bei knapp 3,1 Prozent.

Ein anderes Beispiel betrifft eher spielerisch veranlagte Kunden, für die es das Gewinnsparen gibt. Wir bieten also nicht nur ein Produkt, sondern eine ganze Produktfamilie, um die vielfältigen Wünsche unserer Kunden abzubilden.

Damit fangen Sie aber nicht jene Kunden, die nun genau dieses Konto mit der höchsten Verzinsung haben wollen.

Wer dauerhaft attraktive Konditionen will, ist bei uns genau richtig. "Springer", die immer nur das allerbeste Angebot suchen, sind nicht unsere Hauptzielgruppe, vor allem weil wir ohnehin immer noch einen deutlichen Einlagenüberhang haben und auf Volumen per se nicht angewiesen sind.

In den ersten neun Monaten verzeichnete die Postbank deutliche Anstiege in den Bereichen Lebensversicherungen und Konsumentenkredit. Ist das eine neue Offensive?

Bei Lebensversicherungen wirken sich unsere erheblichen Vertriebsanstrengungen erfreulich aus. Aber natürlich hat uns hier auch das Marktumfeld geholfen.

Nachdem das Produkt "Riesterrente" einige seiner Schwachstellen verloren hat, ist es jetzt wieder interessanter für den Kunden und für uns.

Ebenfalls sehr gut läuft der Ratenkredit. Bis zum Jahresende wird das Volumen bei knapp zwei Milliarden liegen. Gemessen an dem, was wir noch vor ein paar Jahren hatten, ist das mehr als erfreulich.

Was ist mit Restschuld?

Viele unserer Kunden sichern sich und ihre Familie auf diese Weise ab.

Wie steuern Sie das Risiko bei Ratenkrediten? Nutzt die Postbank ein eigenes Scoring-Modell oder wird "nur" Schufa abgefragt?

Unser Scoring-Modell ist die Summe aller vorhandenen Risiko-Erfahrungen und -Erwartungen, die wir in jeder einzelnen Kreditentscheidung zum Tragen bringen. Ein Element dabei ist natürlich die Schufa-Abfrage.

Ein Ziel ist der Ausbau der Immobilienfinanzierung im Ausland. Wie darf ich mir das vorstellen?

In New York und London haben wir vor einigen Jahren das Geschäft von der BHF Bank übernommen und finanzieren in engen Grenzen dortige Immobilien.

Sollte sich eine Zukaufsmöglichkeit ergeben, die gut in den Baukasten passt, würden Sie zugreifen?

Im Augenblick konzentrieren wir uns voll darauf, unsere beiden Großakquisitionen in Geschäftserfolge umzumünzen. Nur für eine Investmentbank ist mit der Unterschrift unter den Kaufvertrag alles erledigt. Für uns fing die Arbeit dann erst an.

Wie groß ist der Anteil der Postbank am Erfolg der Deutschen Post?

Im letzten Jahr hatte die Post 3,8 Milliarden EBIT und wir im Bereich Finanzdienstleistungen 790 Millionen Euro, das sind über 20 Prozent.

Kann die Deutsche Post darauf verzichten?

Das sollten Sie Herrn Dr. Zumwinkel fragen, aber ich bin zuversichtlich, seine Antwort zu kennen.

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