Call-Center im Wandel

Vom Kostenfaktor zum Ertragsbringer

Die Rolle der Call-Center hat sich in den letzten Jahren stark verändert und wird sich in Zukunft weiter wandeln. Call-Center sind wichtige Bausteine im Rahmen der Kundenservice-Strategie geworden. Durch den professionellen direkten Kontakt spielen sie eine wichtige Rolle, um Kunden zu binden. Darüber hinaus werden sie durch aktive Kontaktnutzung mehr und mehr wichtiger Vertriebskanal. Der klassische Telefonkontakt wandelt sich zudem zunehmend in Richtung Multikanal-Steuerung. Dabei treten die Call-Center-Mitarbeiter, die Agenten, mit den Kunden über alle relevanten Kanäle in Kontakt, wobei sich synchrone und asynchrone Vorgänge zunehmend überlappen.

Neben dieser Entwicklung gibt es eine anhaltende Diskussion über das Image der Call-Center. Starker Preisdruck, Gesetzesänderungen und Web 2.0 stellen die Call-Center auch 2011 vor Herausforderungen. Der Wandel vom klassischen Call-Center hin zum Service-Center sowie zum Business Process Management ist in vollem Gange.

Beleuchtet man die aktuelle Situation der Call-Center im Bankenumfeld, kristallisieren sich fünf Schwerpunkte heraus:

Mensch-zu-Mensch-Kontakte wieder stärker gefragt

1. Nach wie vor werden im Bankenumfeld standardisierte Aufgaben über Telefonbanking abgewickelt. Telefonbanking bedeutet dabei: Automatisierte Sprachboxen und Sprachdialogsysteme geben den Kunden zum Beispiel bequem und schnell Auskünfte zu ihrem Kontostand. Obwohl Telefonbanking kostengünstig und effizient ist, geht der Trend vom Sprachdialog in Richtung Internet, also vom Telefonbanking zum Internetbanking. Die Anrufmengen über Telefonbanking sind zweifelsohne unverändert hoch, doch ist belegt, dass eine starke Kontaktredundanz vorhanden ist: Die gleichen Kunden rufen wiederholt das Telefonbanking an und nutzen dabei nur wenige Funktionen wie Kontoauskunft und Überweisungen.

Die Mensch-zu-Mensch-Kontakte sind wieder stärker gefragt, auch wenn es sich um keine Renaissance handelt. Die verstärkte Einführung von regionalen Rufnummern im Telefonbanking unterstützt diesen Trend zurzeit. Entscheidend hierbei ist, die Chancen der Mensch-zu-Mensch-Telefonie zu nutzen, beispielsweise indem diese als Vertriebsweg genutzt wird.

Inbound-Sales werden wichtiger

2. Zurzeit sind Call-Center weniger vertriebsorientiert als vielmehr serviceorientiert. Sie werden bisher kaum in die einzelnen Vertriebsprozesse eingebunden. Dies ändert sich jedoch. Die Integration der Call-Center in die Vertriebskanäle durch Inbound-Sales wird wichtiger.

3. In der Branche ist die Outbound-Direktansprache zur Terminvereinbarung oder zum Direktverkauf etabliert. Teams der Call-Center rufen Bankkunden an. Gestreute, professionelle Kampagnen dieser Art sind in allen Call-Centern üblich; das Geschäft mit der Outbound-Telefonie ist durch die UWG-Novelle (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) allerdings rückläufig.

4. Im Bereich Dialogmarketing hat sich die Branche professionalisiert. Industrialisierte Service-Center-Strukturen werden verstärkt geschaffen: Sie sind prozessual ausgerichtet und zielen auf kontinuierliche Effizienz und Qualität ab. Fast alle Banken verfügen heute über eigene Call-Center, in Strukturen, die mit professionellen Systemen arbeiten: sowohl was die Callverteilung angeht als auch bei der Mitarbeiterführung und flexiblen Schichtplanung.

5. Der hohe Margen- und Kostendruck, dem die Branche unterworfen ist, erschwert die Arbeit der Call-Center. Kunden wählen Banken immer öfter nach Attraktivität des Angebotes und Zinssatzes aus. Das heißt für die Banken: Über alle Kanäle muss der Kunde durch professionelle Ansprache gebunden und optimal angesprochen werden.

Insbesondere bei Großbanken im internationalen Geschäft gibt es zudem Outsour-cing-Tendenzen.

Outbound-Geschäft rückläufig

Der Wandel im Bankenumfeld hat Konsequenzen für die Call-Center. Verschiedene Trends und Tendenzen weisen den Weg der Call-Center in die Zukunft.

Zum einen schränkt die UWG-Gesetzeslage das Outbound-Geschäft stark ein. Der Aufwand, Opt-ins zu generieren wird immer größer.

Zum anderen sind Kunden gegenüber der direkten Kontaktaufnahme per Telefon kritisch eingestellt. Der Hype in der Presse um die "Telefonabzocke" hat diese Abwehrhaltung der Kunden noch weiter verschärft und erschwert das Geschäft; tatsächlich aber ist der nicht-konforme Anteil der Telefonie sehr gering. Das Outbound-Geschäft wird durch die Abwehrhaltung mehr und mehr rückläufig. Kunden möchten selbst entscheiden, wann sie mit einem Berater Kontakt aufnehmen.

Die aktiven Verkaufsprozesse werden sich in Zukunft in Richtung Inbound-Telefonie und Internet verlagern. Der Vorteil: Dem Kunden werden in ungezwungener Atmosphäre Produktvorschläge gemacht und er hat weniger das Gefühl, dass ihm Produkte "angepriesen" werden. Zukünftig wird bei Outbound-Kampagnen deshalb noch verstärkter auf Anruffrequenz, Anrufzeitpunkt und Datenselektion geachtet werden müssen, was die Kampagneneffizienz einschränkt.

Abnehmende Tendenz beim Telefonbanking

Der Rückgang des Telefonbanking-Volumens in Richtung Internet und Mensch-zu-Mensch-Telefonie erzeugt für die Call-Center neue Anforderungen. Telefonbanking wird nach wie vor wichtig sein, allerdings mit abnehmender Tendenz. Denn: Die Spracherkennung ist mittlerweile soweit ausgereift, dass einfache Auskünfte per Telefon schneller abgefragt werden können als im Internet.

Die Banken regionalisieren zunehmend die Rufnummernkonzepte. Der Anruf zum Ortstarif wird dank der kostenfreien Flatrates für Kunden immer attraktiver. Dieser Trend verlagert die Telefonbanking-Kontakte hin zu den Mensch-zu-Mensch-Kontakten.

Zudem verschieben sich die Kundenkontakte verstärkt in Richtung Internet. Das Internet verändert den Serviceanspruch der Kunden und hat entscheidende Auswirkungen auf die Organisation der Call-Center: Kunden sind es gewohnt, rund um die Uhr alle Services sofort zu erhalten. Der Kunde möchte zu jedem beliebigen Zeitpunkt mit einem Berater über das jeweilige Medium seiner Wahl Kontakt aufnehmen können. Erhält der Kunde nicht sofort Auskunft, wechselt er die Internetseite und somit den Anbieter mit wenigen Klicks.

Herausforderung Multikanalfähigkeit

Herausforderung für Call-Center ist die Multikanalfähigkeit: Kunden treten über verschiedene Kanäle per Mail, Fax oder Telefon mit den Call-Center-Agenten in Kontakt. Agenten müssen den Kanalwechsel und den bereits erfolgten Austausch an Informationen nachvollziehen können. Die Tendenz geht vermehrt zu Prozessen, die dem Kunden alle Kanäle zur Kontaktaufnahme anbieten.

Es ist durchaus möglich, dass Kunden zukünftig per Skype visuell mit ihrem Berater in Kontakt treten möchten. Die Call-Center müssen spontan auf verschiedene Kontaktkanäle reagieren können, eine hohe und zeitlich ausgedehnte Erreichbarkeit sowie Reaktivität zeigen und dies bei vollständiger Kundenhistorie.

Integration des Kundendialogs in die Kundendatenbank

Verstärkt werden diese Anforderungen durch den Trend Social Media für den Kundenkontakt genutzt. Mitarbeiter müssen sich in Zukunft nicht nur sprachlich und schriftlich gut ausdrücken können, sondern auch mit Social Media umgehen können.

Die Herausforderung für die Call-Center liegt allerdings weniger im Bereich der Mitarbeiterschulung für die verschiedenen Medien, als vielmehr in der Integration des Kundendialoges per Mail, Telefon und Fax in die Kundendatenbank und dem parallelen Arbeiten mit verschiedenen Kanälen.

Dass Kunden eine schnelle Erreichbarkeit über verschiedene, von ihnen bestimmte Kanäle verlangen, bedeutet im Umkehrschluss: mehr Agenten werden benötigt und das heißt Mehrkosten für die Call-Center. Guter und schneller Service ist eben teuer.

Den Kundenwunsch, Kontakte zu den Beratern über unterschiedlichste Kanäle zu nutzen, zeigt die Tendenz zur Rückläufigkeit der Kundenkontakte in der klassischen Bankfiliale.

Inbound-Vertrieb braucht Schulung und organisatorische Veränderungen

Call-Centern kommt eine immer größere Bedeutung im Bereich der Terminvereinbarung für den Bankberater zu. Die Terminvereinbarungen der Call-Center leisten einen wichtigen Beitrag zur Auslastung der Filialberater. Für die Banken ist es entsprechend wichtig, dass es Kontakte zu den Kunden per Telefon gibt.

Die Call-Center leisten einen erheblichen Beitrag zum Wachstum der Banken. Vertriebsagenten vereinbaren schon heute aktiv per Outbound-Termine für die Filialen. Aktuell werden auch Serviceagenten vertrieblich geschult, um aus dem Inbound heraus zu verkaufen und Termine zu vereinbaren.

Ein Hindernis ist dabei die häufige Trennung der Bereiche Vertrieb und Service innerhalb der Call-Center. Zudem gibt es oft Vorbehalte der Service-Mitarbeiter gegenüber dem vertrieblichen Einsatz. Umso wichtiger wird es zukünftig sein, Agenten professionell zu schulen und kontinuierlich weiterzuentwickeln, was Ansprache- und Vertriebsmethoden angeht. Vertrieb ist anders als Service!

Die aufgeführten Entwicklungen zeigen deutlich: Der Inbound-Sales wird ein wichtiger Teil des Bankenvertriebs werden. Ziel ist es, jeden Inbound-Call auf vertriebliche Potenziale hin zu analysieren und den Kunden aktiv einen Produktvorschlag und gegebenenfalls einen Termin anzubieten. Die Call-Center-Mitarbeiter müssen in kürzester Zeit, oft nur Sekunden bis Minuten, Bedarfe der Kunden erkennen. Den Agenten werden dafür Systeme zur Verfügung gestellt, die sie schnell bei der Entscheidung unterstützen.

Call-Center werden messbare Erfolgsbringer

Call-Center werden in Zukunft keine Kostenfaktoren mehr sein, sondern messbare Erfolgsbringer für die Banken: Als Transaktionskanal werden sie bereits viel genutzt und bieten ein hohes Potenzial für die Kundenansprache und damit den direkten Vertrieb oder Verkaufsanbahnung. Zudem haben Call-Center eine weitere bedeutende Funktion für die Banken: Viele Kunden sind im Zuge der Finanzkrise mit der persönlichen Bankberatung nicht mehr zufrieden und haben kein Vertrauen mehr zu ihrer Bank. Durch guten Service und professionellen Kundenkontakt verbessern Call-Center das Image der Banken. Entscheidend ist dabei, dass die Call-Center mit ihren vielen Kundenkontakten durch gute Qualität und guten Service die Vertrauensrückgewinnung im direkten Kundenkontakt zu unterstützen.

Trennung zwischen Sachbearbeiter und Spezialisten wird aufgeweicht

Dieser Wandel von klassischen Call-Centern in Richtung Service-Center führt zum Aufweichen der Trennung zwischen Sachbearbeiter und Spezialisten in den Banken. Die Rolle des klassischen "Sachbearbeiters" wird sich zunehmend verändern. Die Prozesse werden aufgegliedert und automatisiert. Nicht-automatisierbare Prozesse werden industrialisiert, in gleichförmige digitale Aufgabenpakete verwandelt, priorisiert und von Servicemitarbeitern unter Berücksichtigung von Produktivitäts-, Ser-vice-, und Qualitätszielen vorgangsmäßig bearbeitet. Produktivität und Durchlaufzeiten werden zu Schlüsselkennzahlen. Die einzelnen Funktionen verblassen. Viele Servicemitarbeiter werden viele verschiedene Arbeiten erledigen.

Dennoch werden Spezialisten für Spezialthemen benötigt. Wenige Agenten werden wenige Spezialfälle behandeln. Auf diese Weise wird effizienter und qualitativer gearbeitet und Spitzenlasten können intern aufgefangen werden. Für die Zukunft bedeutet das: Service-Center übernehmen einen großen Teil der Banken-Administration unter Nutzung von modernen Service-Center-Methoden und -Systemen, wie sie heute schon in Call-Centern üblich sind: Zum Beispiel werden Vorgänge an Agenten automatisch verteilt.

Dabei wird man sich an industrielle Produktionsmethoden anlehnen müssen. Methoden wie Prozesskostenmanagement, Maschinentaktung und Kanban sind in der Industrie schon seit vielen Jahren etabliert und werden sich zukünftig auch in der Dienstleistungserbringung durchsetzen. Auf diese Veränderungen muss mit Chan-ge-Management innerhalb der Call-Center reagiert werden, denn um konsequent Service-Center-Strukturen umzusetzen, sind umfangreiche organisatorische Veränderungen notwendig und die betreffen vor allem die Menschen.

Auch der uniforme Bankenmarkt hat Auswirkungen auf die Call-Center. Kunden entscheiden bei der Bankwahl nach Zinsen oder Serviceempfinden. Die lebenslange Verbundenheit zu einer Bank ist Vergangenheit. Kundenkontakte spielen bei dieser Entwicklung eine besondere, bindende Rolle.

Ein Beispiel ist der Baufinanzierungsprozess: Der interessierte Kunde sucht über eine Suchmaschine im Internet ein Angebot. Er will es schnell auf der Bankseite finden und er will schnell über einen Baufinanzierungsrechner ein Angebot erhalten. Hat er Fragen, will er über den Kanal seiner Wahl einen Bankmitarbeiter sofort sprechen. Ist der jeweilige Prozessschritt unbefriedigend für den Kunden, sucht er sich mit wenigen Klicks direkt ein neues Angebot.

Die Beziehung zwischen Bank und Kunde wird sich grundlegend ändern - nicht zuletzt durch unsere schnelllebige Zeit. Kunden erwarten von ihrer Bank einen Service, der ihrem persönlichen Lebensstil entspricht und nehmen diesen aus eigenem Antrieb, durch Nutzung des Kontaktkanals ihrer Wahl, in Anspruch.

Vom Call-Center zum Service-Center

Der wichtigste Trend bei den Call-Centern im Finanzumfeld ist der vom klassischen Call-Center zu einem Service-Center. In diesen Service-Centern arbeiten wenige Spezialisten, stattdessen werden die Prozesse aufgegliedert. Alles, was möglich ist, wird automatisiert bearbeitet. Außerdem wird es Tätigkeiten geben, die nur Spezialisten bearbeiten. Das Ziel der Ser-vice-Center ist es, effiziente und qualitativ hochwertige Arbeit in industrieller Weise zu leisten.

Die Zukunft wird zeigen, wie erfolgreich der Wandel vom Call-Center zum Service-Center gelingt. Letztendlich geben die Erwartungen der Kunden den Weg vor. Für die Call-Center ist es wichtig, Tendenzen und Trends frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Inwieweit diese Veränderungen von Banken selber zu stemmen sind, hängt von deren Kernkompe-tenz-Definitionen ab. Ist Kundenservice als Kernkompetenz erkannt, so müssen in der Folge Servicestrukturen geschaffen werden, die industriell geformt sind, also Effizienz und Durchlaufzeiten in den Vordergrund stellen. Offensichtlich ist eine solche Struktur nur in speziellen Serviceeinheiten oder -gesellschaften kompromisslos zu realisieren. Zugegeben - der Weg dorthin ist schwierig, insbesondere im Sinne einer Akzeptanz im Unternehmen. Alternativen können ganzheitliche oder partielle Outsourcing-Modelle sein, doch insbesondere im Bankenumfeld dürften die Hürden im Sinne des Bankgeheimnis und der grundsätzlichen Sensibilität der Kundeninformationen sehr hoch liegen.

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