Wertpapiergeschäft

MiFID: Bürokratie oder Vertriebsvision?

Finanzmarktrichtlinien-Umsetzungsgesetz, Wertpapierhandelsgesetz, Wertpapierdienst-leistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung, erste Verordnung zur Änderung der Finanzanalyseverordnung, Kundenkategorisierung, bankeigene Ausführungsgrundsätze, Kundeninformationen über den Umgang mit möglichen Interessenkonflikten, Kundeninformationen über Zuwendungen: Das ist nur ein Auszug von Gesetzen, Verordnungen und Bestimmungen, die Kreditinstitute innerhalb der Europäischen Union seit dem 1. November 2007 bei Beratungen und Empfehlungen in Finanzinstrumenten berücksichtigen müssen und ihren Ursprung in der neuen Finanzmarktrichtlinie Markets in Financial Instument Directives (MiFID) haben. Vor dem Hintergrund der bis zum 31. Oktober bestehenden Wohlverhaltens- und Com-pliance-Richtlinien und den damit verbundenen besonderen Anforderungen an die anleger- und anlagegerechte Beratung bei Wertpapieren sei an dieser Stelle die Frage nach dem Aufwand und dem Nutzen dieser neuen EU-Richtlinie erlaubt.

Kein positives Echo beim Kunden Bereits der Versand diverser Kundeninformationen über die Ziele der EU-Richtlinie und die mit der Wertpapierdienstleistung verbundenen Preise, über mögliche Interessenkonflikte, Zuwendungen oder Sonderbedingungen lässt nachfolgende Fragen offen: Haben unsere Kunden die Inhalte tatsächlich zur Kenntnis genommen? Haben sie diese Vielfalt von Informationen möglicherweise bei Zweit- und Drittbankverbindungen sogar mehrfach erhalten?

Die Erfahrungen aus den ersten Kundengesprächen nach dem Versand des MiFID-Starterpaketes haben gezeigt, dass unsere Berater mit Verständnislosigkeit konfrontiert werden. Ein positives Echo konnte bisher noch nicht vernommen werden. Hinzu kommt, dass die Kundeninforma tion über Kosten- und Nebenkosten bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen, die dem Transparenzgesichtspunkt Rechnung trägt, möglicherweise dazu führt, dass die bereits vorhandenen Preisdiskussionen weiter zunehmen und das Geschäftsfeldergebnis der Bank negativ beeinflussen werden.

Unbestritten sind allerdings die bankeigenen Ausführungsgrundsätze, die die bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen gewährleisten, sofern diese keine Weisung erteilt haben. Die Grundsätze, die neben den Ausführungsplätzen auch Preis, Kosten, Ausführungswahrscheinlichkeit und Ausführungsgeschwindigkeit berücksichtigen, beinhalten auch für unsere Mitarbeiter einen zusätzlichen Nutzen. Diejenigen Mitarbeiter, die nicht alltäglich Wertpapierkundenaufträge annehmen, leiten diese jetzt ohne besonderes Spezialistenwissen immer an den für den Kunden besten Handelsplatz weiter.

Kundenangaben als Vertriebsansatz für das gesamte Dienstleistungsangebot

Positiv zu bewerten sind ebenfalls die "mifidkonformen" Anforderungen im Bereich der Kundeninformationen. Die angemessene, redliche, eindeutige, ausgewogene und für den Kunden verständliche Darstellung von Anlageprodukten, zusammen mit den zusätzlichen Anforderungen im Bereich der Wertentwicklungen und steuerlichen Informationen führt dazu, dass keine zusätzlichen Erläuterungen oder Korrekturen zu den Produktinformationen mehr erforderlich sind, unsere Kunden die Produktgestaltungen mit den damit verbundenen Chancen und Risiken besser verstehen und sich somit die Beratungen effizienter darstellen werden.

Den wesentlichen Vorteil aus dieser EU-Richtlinie stellt jedoch die gesetzliche Verpflichtung dar, bei Empfehlungen in Finanzinstrumenten die Kundenangaben in Erfahrung zu bringen, die schon seit vielen Jahren in der Wertpapierberatung benötigt werden, die aber durch die EU-Richt linie sowohl im Kundeninteresse als auch aus unserer Sicht sinnvoll ergänzt und systematisiert wurden.

Welchen Einfluss hat diese EU-Richtlinie nun auf unser töglich präsentes Vertriebsziel, kontinuierlich Marktanteile zu gewinnen? Das Geschäftsfeld "Wertpapiere" stellt nur einen Bereich aus unserem Dienstleistungsangebot dar. Es ist der einzige Bereich, der bei aktiven von der Bank initiierten Beratungen grundsätzlich neben den Anlagezielen, die Risikobereitschaft, die Kenntnisse und Erfahrungen in Finanzinstrumenten und die detaillierteren finanziellen Verhältnisse von unseren Kunden gesetzlich erfordert.

Insbesondere die Informationen über das monatlich frei verfügbare Einkommen lassen Rückschlüsse auf die Spar- oder Kapitaldienstfähigkeit zu. Darüber hinaus können weitere Informationen über die Vermögenswerte unserer Kunden erlangt werden, die möglicherweise auch Geldanlagen bei fremden Finanzinstituten aufzeigen oder eigen- und fremdgenutztes Immobilienvermögen in Erscheinung treten lassen. Dies alles sind Informationen, die durch MiFID in der Wertpapierberatung erforderlich geworden sind und hervorragende Vertriebsansätze für unser gesamtes Dienstleistungsangebot beinhalten können; dies gilt für unsere Passivprodukte, die eigene Immobilienfinanzierung und -vermittlung, das Wertpapiergeschäft und die Bauspar- und Versicherungsvermittlung.

Die damit verbundene Verbesserung der Cross-Selling-Quote wird sich mehrfach positiv auswirken. Die Kundenbedarfslösungen aus dem eigenen Haus werden die Kundenzufriedenheit steigern, die Beratungskompetenz erhöhen, die Kundenbeziehungen vor Drittanbietern schützen und das gute Image unseres Hauses weiter fördern. All diese Aspekte festigen die bestehenden Kundenbeziehungen, führen zu neuen Kundenverbindungen, weiten die Marktanteile aus und schlagen sich zusätzlich in der Bankbilanz nieder.

Mangelnde Auskunftsbereitschaft der Kunden als Risiko

Die Vision, über die EU-Richtlinie den Vertriebserfolg für die Gesamtbank zu erhöhen, könnte nur scheitern, wenn unsere Kunden die Bereitschaft nicht mitbringen, sich uns gegenüber zu öffnen. Hier wird die Herausforderung bei unseren Beratern liegen, ihren Kunden die Bedeutung der optimalen Beratung und Empfehlung mit der Notwendigkeit der gesetzlich geforderten Kundenangaben zu verdeutlichen.

Bei den bisherigen Ausführungen haben wir den Vertriebserfolg aus der EU-Richtlinie auf unsere Kunden, die in Finanzinstrumente investieren, begrenzt. Bereits heute nutzen wir schon viele Kundeninformationen, unabhängig von der vom Kunden in Anspruch genommen Dienstleistung und ohne gesetzliche Erfordernis, systematisch und strukturiert für den Vertrieb. Die zuvor genannten Aspekte sind zumindest eine Überlegung wert, die standardisierten und durch MiFID geforderten Kundenangaben im Wertpapiergeschäft für weitere Vertriebsfelder einzuführen.

Einführung von Abgeltungssteuer beschleunigt Datenaufnahme

Ein wichtiges Vertriebsthema, das insbesondere für die in Deutschland ansässigen Kreditinstitute bis Ende nächsten Jahres im Fokus stehen wird, ist die Abgeltungssteuer, die am 1. Januar 2009 in Kraft treten wird. Diese steuerrechtliche Änderung wird für viele Kunden eine grundsätzliche Überprüfung beziehungsweise Neuausrichtung der Anlagestrategie erfordern.

Die Tatsache, dass die steuerbegünstigten Anlagemöglichkeiten im Bankentableau nur einen begrenzten Spielraum zulassen, lässt vermuten, dass Finanzinstrumente im Rahmen einer Neuausrichtung verstärkt als Empfehlung in den Beratungen auftauchen werden. Diese Empfehlungen werden durch die MiFID eine anlassbezogene Aktualisierung der vorhandenen Kundenangaben bei Bestandskunden erfordern und bei neuen Depotkunden zu neuen Kundenangaben führen.

Zeitfenster für Mitbewerber möglichst klein halten

Als großes Kreditinstitut am Bankplatz Dortmund stehen wir mit einer Vielzahl von Kreditinstituten und auch Strukturvertrieben täglich in einem harten Wettbewerb. Wettbewerber, die möglicherweise gleiche Vertriebsvisionen haben wie wir und über Preisanreize neue Geschäftsverbindungen zu unseren Kunden aufzubauen versuchen. Diese Preisanreize oder Konditionsgestaltungen sind oft nicht nachvollziehbar, beziehen sich in der Regel nur auf neue Geschäftsverbindungen und müssen aus diesen Gründen hinterfragt werden.

Auch wenn wir diese Entwicklungen sehr genau verfolgen, sind wir der Meinung, dass nicht der Preis oder die Konditionen für eine Dienstleistung die Erfolgsfaktoren einer Bank darstellen, sondern diese in der Kontinuität der Geschäftspolitik und der Konditionengestaltung sowie der persönlichen Betreuung liegen. Ungeachtet dessen dürfen wir nicht auf die Dinge warten, die auf uns zukommen werden, sondern müssen zeitnah und zielgerichtet auf die sich ständig wechselnden Rahmenbedingungen reagieren und versuchen, das Zeitfenster für unsere Mitbewerber möglichst klein zu halten.

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