Regulierung

Vermittlerrichtlinie: Unabhängige als Gewinner

Die Finanzdienstleistungsbranche in Deutschland steht in den nächsten Jahren vor einer strukturellen Veränderung. Auslöser dafür ist die im Herbst 2006 von Bundestag und Bundesrat verabschiedete Versicherungsvermittlerrichtlinie.

Mit der Umsetzung dieser EU-Richtlinie aus dem Jahr 2002 wird das Verhältnis zwischen rund 500 000 Vermittlern in Deutschland und den Kunden neu geregelt. AWD hat seit vielen Jahren gefordert, dass die Voraussetzungen für einen einheitlichen Binnenmarkt für grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen sowohl im Versicherungs- als auch im Bank- und Investmentbereich geschaffen werden. Wir begrüßen die Grundzüge der Umsetzung daher ausdrücklich.

Mit dem Gesetz wird die Position der Kunden gestärkt. Darüber hinaus aber schafft die EU-Richtlinie die Voraussetzungen, dass die Tätigkeit der Versicherungsvermittler im zusammenwachsenden Europa vereinheitlicht wird. Grenzüberschreitende Vermittlungen werden damit erleichtert.

Als Marktführer in Europa profitiert AWD von einer Harmonisierung des Marktes in besonderem Maße. AWD ist in neun Ländern Europas tätig. Trotz unterschiedlicher Umsetzung der Richtlinie in den einzelnen Mitgliedsstaaten werden große europaweit agierende Dienstleister langfristig Skaleneffekte heben können. Denkbar sind hier die Bereiche Ausbildung und Dokumentationspflichten. Auch die Gewinnung von Kunden- und Mitarbeitern folgt künftig einheitlichen Regeln. Gerade deshalb erwarten wir längerfristig zusätzliche Wachstumsimpulse und verbesserte Möglichkeiten zur Kosteneinsparung.

Zwang zur Größe

Die Vermittlerrichtlinie sorgt dafür, dass sich auch jeder Vermittler selbst auf die neuen Zeiten einstellen muss. Hiervon sind insbesondere diejenigen Vermittler betroffen, die als Einzelkämpfer am Markt unterwegs sind. Aktuelle Studien, zuletzt durch die Humboldt-Universität in Berlin, gehen davon aus, dass von den neuen Anforderungen ein Zwang zur Größe ausgehen wird. Die Folge: Nur wer als Finanzdienstleistungsunternehmen in der Lage ist, die Vorgaben der neuen EU-Richtlinie in standardisierte Softwarepakete umzusetzen, wird am Markt überleben. Dabei müssen Vermittler und Kunde den Beratungsvorgang praxiswirksam nachvollziehen können.

Die Studie der Humboldt-Universität Berlin kommt zu dem Ergebnis, dass der Vermittler der Zukunft ohne hinter ihm stehende Beratungs- und Softwaredienstleister nicht mehr auskommen wird. Finanzberater, die dies nicht erkennen, werden sich in Haftungsfallen verstricken und von den professionell arbeitenden Vertrieben vom Markt verdrängt, sagen die Forscher der Humboldt-Universität weiter voraus.

AWD hat sich rechtzeitig auf den Wandel eingestellt. Nur wenige Tage nach der endgültigen Verabschiedung durch die Parlamente haben wir gemeinsam mit einem externen Dienstleister eine aktuelle Software zur Fach- und Vertriebsausbildung eingeführt. Dabei kam uns zugute, dass AWD bereits seit Anfang der neunziger Jahre auf Qualität in der Ausbildung gesetzt hat. Gleiches gilt für die jetzt eingeführten Dokumentationspflichten. Rund 1,74 Millionen Kunden von AWD schätzen bereits seit Jahren den Service und Nutzen, den die Erstellung einer Finanzstrategie und der umfangreichen Gesprächsnotizen und standardisierten Beratungsprotokolle bieten.

Wir gehen - wie in der Studie der Hum-boldt-Universität beschrieben - davon aus, dass diejenigen Unternehmen durch steigende Nachfrage belohnt werden, die strukturelle Änderungen angemessen nachvollziehen. Zahlreiche Ein-Firmenvermittler werden sich großen Finanzdienstleistern anschließen. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Administrationsanforderungen, Dokumentationspflichten, Produktzugang und Qualifikation. Wir sind überzeugt, dass AWD eine besondere Anziehungskraft auf Vermittler ausüben wird.

Wettbewerbsvorteil Sachkunde

Der Zugang zum Markt der Finanzdienstleistungen war in der Vergangenheit nicht geregelt. Ein Gewerbeschein reichte, um als Vermittler Altersvorsorgeprodukte anbieten zu dürfen. Dies war insbesondere deshalb ärgerlich, weil auch gar nicht oder unzureichend ausgebildete Verkäufer auf Kunden zugingen. Deshalb begrüßen wir es ausdrücklich, dass künftig nur gewerbsmäßig vermitteln darf, wer sich bei einer Industrie- und Handelskammer registrieren lässt, einen guten Leumund vorweisen kann und den Nachweis von Fachkenntnissen erbringt.

Warum aber nur unabhängige Finanzdienstleister diesen sogenannten Sachkundenachweis erbringen müssen, die Vielzahl der Ausschließlichkeitsverkäufer der Versicherer aber nicht, ist hingegen nicht nachvollziehbar. Der Kunde wird also in Zukunft auf unterschiedlich ausgebildete Vermittler treffen. Hier die lediglich auf das eigene Produkt geschulten Versicherungsvertreter, dort die qualifizierten unabhängigen Finanzberater mit IHK-Zertifikat.

Unsere Berater werden also in Zukunft den Sachkundenachweis am Anfang eines Beratungsgesprächs dem Kunden vorlegen und darauf hinweisen. Wir sehen in der Qualifikation unserer Berater langfristig einen klaren Wettbewerbsvorteil, weil der Anspruch der Kunden an Dienstleistungen und Produkte immer größer wird. Mit Unabhängigkeit, Produktvielfalt, Vergleichssoftware und qualitativ hochwertiger Aus- und Weiterbildung ist der AWD-Berater ganzheitlicher aufgestellt als der an eine einzige Versicherung gebundene Vermittler. Wie ein Ausschließlichkeitsverkäufer in Zukunft die immer komplexer werdenden Produktwelten dem Kunden erklären will, bleibt abzuwarten. Zweifel sind angebracht.

Im Ergebnis wird die EU-Vermittlerrichtlinie dazu führen, dass nur diejenigen unabhängigen Finanzdienstleister in einem größer werdenden Binnenmarkt überleben werden, die dauerhaft Administration, Produktzugang und Qualifikation in den Griff bekommen. Kleine Finanzdienstleister werden sich den Großen der Branche anschließen, um diese Anforderungen erfüllen zu können.

Zudem wird die Qualifikationsschere noch weiter auseinander gehen - bei gleichzeitig komplexer werdenden Beratungsgesprächen. Unabhängige Vermittler mit Sachkundenachweis werden das qualitativ anspruchsvolle Premiumprodukt im Beratungsmarkt anbieten. Das bedeutet: Unternehmen wie AWD sind langfristig der Gewinner der neuen Situation. Das hängt vor allem auch mit einem anderen Wettbewerbsvorteil zusammen, weil AWD sich nämlich auf die Distribution konzentriert.

Die unabhängige Finanzberatung, die reine Distribution, ist einer der wenigen Bereiche im Finanzdienstleistungssektor, der von den schwierigen Zeiten profitiert und seinen Marktanteil ausgebaut hat. Denn gerade in Zeiten der Unsicherheit gelten andere Wirkungsmechanismen als in Normalsituationen oder in Boomphasen. Eine klare strategische Fokussierung und der Verzicht auf Komplexität sichern Mehrwert für Kunden und Wertsteigerungspotenzial für Aktionäre. Das ermöglicht in Summe Wachstum bei Umsatz und Ertrag, sowohl in Zeiten der Stagnation, als auch heute, wo sich die Konjunktur wieder aufhellt.

Der emanzipierte Kunde

Zum Umwälzungsprozess in der Finanzdienstleistungsbranche hat neben enttäuschten Hoffnungen an den Kapitalmärkten in den neunziger Jahren, der lang anhaltenden Konjunkturkrise und der auch heute noch aktuellen Diskussion über die Schieflage der sozialen Sicherungssysteme vor allem auch ein verändertes Kundenverhalten geführt.

Die Banken konnten sich stets darauf verlassen, dass der Giro-Kunde auch bei den Themen Geldanlage und Vorsorge auf die Fondsprodukte oder Immobilien seiner Hausbank zurückgriff. Der persönliche und regelmäßige Kontakt zwischen Bank und Kunde sicherte den Instituten einen Vertriebsvorteil gegenüber den Produktherstellern. Im Bereich der Investmentfonds hatten Banken lange Zeit nahezu eine Monopolstellung.

Ende der achtziger Jahre nahmen die Kreditinstitute einen Strategiewechsel vor. Das erfolgreiche Modell des alleinigen Kundenkontakts am Bankschalter hatte ausgedient. Kontoauszugsdrucker, Geldausgabeautomaten, elektronische Überweisungsterminals und Homebanking rückten zum Teil an die Stelle des persönlichen Gesprächs. Zusätzlich straffen die Banken bis in die Gegenwart ihr Filialnetz. Die Zahl der Zweigstellen wird sich Berechnungen zufolge innerhalb der nächsten zehn Jahre mehr als halbieren. Das Gespräch am Bankschalter findet immer seltener statt. Die Kunden ihrerseits nutzen den Freiraum, unterstützt durch eine erheblich gewachsene mediale Angebotstransparenz. Längst schaut sich der Kunde selbst verstärkt auf dem Markt nach Anbietern, Produkten und Beratern um.

Die deutsche Assekuranz ist der dritte wichtige Produkthersteller neben Banken und Investmentfondsgesellschaften. Die Versicherer konnten lange Zeit darauf vertrauen, über die Produktentwicklung, über Filialen und den eigenen Außendienstmitarbeiter Zugang zum Kunden zu bekommen. Die sind aber in den vergangenen Jahren anspruchsvoller bezüglich einer breiter angelegten Beratung geworden. Der reine Produktverkauf trifft immer weniger die finanziellen Ziele und Wünsche der Privathaushalte. Die Loyalität der Kunden nimmt aufgrund transparenterer Informationen ab. Attraktive Produktauswahl und differenzierte Angebote zum Financial Planning werden immer häufiger nachgefragt.

Ganzheitliche Beratung

Auf den Ausschließlichkeitsverkäufer einer Versicherung kommen dadurch enorme Herausforderungen zu. Wie er in Zukunft mit nur wenigen Produkten - überwiegend innerhalb eines Produktsegments - in diesem Umfeld ein starkes Neukundengeschäft erzielen soll, ist eine spannende Frage, die derzeit die Versicherer bewegt. Insbesondere auch vor dem Hintergrund der Einführung des Alterseinkünftegesetzes im Jahr 2005 und dem damit verbundenen Wegfall des Steuerprivilegs auf Kapitallebensversicherungen wurden zahlreiche "Ein-Produkt-Vertreter" vor eine völlig neue Situation gestellt. Nicht mehr der Verkauf von zum Teil einfachen und bekannten Produkten war beim Kunden möglich. Die neue komplexe Produktwelt musste ausführlich erklärt werden. Immer mehr Kunden verlangten ganzheitliche Beratungskonzepte.

Unabhängige als Gewinner

Als Gewinner dieser Entwicklungen sehen Analysten die auf den Vertrieb und auf Financial Planning fokussierten unabhängigen Finanzdienstleister - Independent Financial Advisor (IFA).

Die Deutsche Bank Consulting Group geht in einer Untersuchung davon aus, dass der Anteil der Ausschließlichkeitsorganisationen am Neugeschäft mit Lebens- und Rentenversicherungen mittelfristig um 15 Prozent fallen wird, die unabhängigen Finanzdienstleister werden hingegen ihren Anteil um 25 Prozent erhöhen.

Bei der Neuanlage in Investmentprodukten werden die IFA ihren Anteil um 63 Prozent erhöhen, der Anteil des Absatzes über die Bankschalter wird um 18 Prozent zurückgehen.

Auch Ansätze von "Open Architecture" bei Investmentprodukten im Bankenbereich werden hieran nichts ändern. Beim Versicherungsangebot sowie bei den klassischen Hausprodukten der Banken sind solche Öffnungstendenzen für Drittprodukte aufgrund fester Strukturen erst gar nicht zu erwarten.

Unabhängige Finanzdienstleister, die zudem breit im europäischen Markt aufgestellt sind, bieten den Kunden einen echten Mehrwert. Mit finanzieller Transparenz, umfangreichen Beratungsansätzen und unterschiedlichsten Produktlösungen unterstützen sie ihre Kunden bei den komplexen Fragen der eigenen Altersversorgung, beim Vermögensaufbau und bei der umfassenden Risikoabsicherung, und dies unter Beachtung der Einkommenssicherheit. Aufgrund ihrer Unabhängigkeit vom Produkthersteller können sie Kunden objektiver und damit glaubwürdiger beraten. Gerade in Krisenzeiten steht die Frage der Notwendigkeiten für die Kunden ganz oben. Hier geht es um die Realisierung von Nutzen- oder Kostenvorteilen und Einsparungen mit individuellen Finanzstrategien.

Dieser Beratungsansatz hält auch kritischen Überprüfungen stand. So haben in jüngster Zeit das Handelsblatt in Zusammenarbeit mit dem Unternehmensberater M&OH sowie in einem weiteren Test die Zeitschrift Ökotest die Finanzberatung getestet. In beiden Tests setzte sich AWD gegen alle Teilnehmer aus den Bereichen Bank, Versicherungen und Finanzdienstleister als Testsieger durch.

Engpassfaktor Distribution

Aus Sicht der Finanzwirtschaft kam es in der Vergangenheit darauf an, Anpassungen im Produktbereich zu forcieren. Es wurde als Wettbewerbsvorteil angesehen, Produzent zu sein oder Asset Management anzubieten. Heute ist indessen erkennbar, dass Beratung und Distribution die stabilsten und profitabelsten Glieder in der Wertschöpfungskette der Finanzwirtschaft sind. Die unabhängigen Finanzdienstleister fokussieren sich auf diese Bereiche. In Zeiten, in denen sich Produktspezifikationen der Hersteller immer weiter angleichen, können unabhängige Finanzdienstleister ihre Beratungs- und Betreuungsleistung wesentlich differenzieren. Indessen setzen sich die Konsolidierungstendenzen im europäischen Versicherungs- und Bankensektor unvermindert fort. Größe durch Integration oder Spezialisierung wird künftig maßgebliches Erfolgskriterium sein.

Beratungs- und Distributionskapazität ist zugleich entscheidender Engpassfaktor für Hersteller. Große Finanzdienstleister mit dem Differenzierungsmerkmal der Unabhängigkeit, mit einer starken internationalen Ausrichtung sowie mit einer hohen Markenbekanntheit sind im europäischen Finanzdienstleistungsmarkt hervorragend aufgestellt.

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