Call-Center im Wandel

Rechtliche Hürden beim Telefonvertrieb

Seit Jahren geht im Telefonvertrieb ein Schreckgespenst um - das sogenannte "Opt-in". Gemeint ist damit die Einwilligungserklärung eines Verbrauchers in die werbende Kontaktaufnahme per Telefon. Dieser Bereich ist in der Vergangenheit zunehmend juristisch geprägt worden, da eine Vielzahl von Gesetzesänderungen zu einer starken Einschränkung der Branche geführt hat und hiermit auch eine Fülle von Gerichtsentscheidungen einherging, die die Unsicherheit in der Branche noch bestärkt haben. Im Folgenden soll der aktuell geltende Rahmen nachgezeichnet werden. Der Grundgedanke, durch den sich auch der Gesetzgeber hat leiten lassen, ist das Persönlichkeitsrecht des Angerufenen. Der Schutz des Kunden vor unerwünschter telefonischer Kontaktaufnahme steht unter besonderem Schutz - ohne Rücksicht darauf, wie attraktiv ein beworbenes Produkt auch sein mag. Auf gleicher Stufe steht die Werbung per Telefax, etwas erleichtert ist die Werbung per E-Mail, zumindest gegenüber Bestandskunden. Sehr liberal sind die Möglichkeiten der Werbung per klassischer Postsendung.

Ein weiterer rechtlicher Aspekt ist neben dem Persönlichkeitsrecht das Datenschutzrecht. Um einen Kunden telefonisch durch ein Call-Center kontaktieren zu lassen, bedarf es der Erhebung, Speicherung und Verwendung der personenbezogenen Daten des Kunden - zumindest Name und Rufnummer müssen vor dem Anruf bekannt sein. Ist der Call-Center-Betrieb outgesourct worden, müssen die Daten sogar an Dritte weitergegeben werden.

Beide dieser Aspekte lassen sich jedoch durch streng juristische Betrachtung einfach lösen. In beiden Fällen bedarf es einer Einwilligung, um in die Rechte des Kunden eingreifen zu dürfen. Gesetzlich ist dies für den Bereich des Wettbewerbsrechts in § 7 UWG geregelt, der besagt dass eine unzumutbare Belästigung anzunehmen ist "bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung" - im Umkehrschluss bedeutet dies, dass mit einer Einwilligung solche Werbung möglich ist.

Auch das Datenschutzrecht enthält eine derartige Erlaubnisnorm. § 4 BDSG bestimmt, dass die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten zulässig ist, wenn "der Betroffene eingewilligt hat".

Opt-in-Gestaltung vom Gesetzgeber unzureichend definiert

Leider hat der Gesetzgeber nur unzureichend definiert, wie genau eine derartige Einwilligung auszusehen hat. Aus diesem Grund werden in diesem Zusammenhang immer wieder die Gerichte bemüht. In den wenigsten Fällen sind es jedoch die an-gerufenen Kunden, die sich gegen Werbeanrufe wehren. Zumeist werden hier Verbraucherschutzvereine und Wettbewerbsverbände tätig, die auf Basis des Wettbewerbsrechts tätig werden. Vereinzelt wurden auch schon die Datenschutzbeauftragten tätig, in der Hauptsache wird sich der Werbende allerdings mit wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen konfrontiert sehen.

Diese Unterlassungsansprüche besagen zunächst, dass das beanstandete Verhalten in Zukunft einfach nicht mehr ausgeübt wird. Wer nun allerdings einfach nur die Rufnummer des jeweils betroffenen Kunden löscht in der Hoffnung, die Sache habe sich damit erledigt, wird leider enttäuscht werden. Denn der Unterlassungsanspruch umfasst das beanstandete Verhalten insgesamt - und damit die Verpflichtung für die Zukunft, keinen weiteren Kunden ohne Einwilligung anzurufen. Die Einhaltung dieser Verpflichtung wird durch Vertragsstrafen oder gerichtliche Ordnungsgelder abgesichert - wer also mehrfach gegen ein solches Verbot verstößt, für den kann die Angelegenheit schnell teuer werden. Anwalts- und Gerichtskosten für die Durchführung eines Wettbewerbsprozesses treten dabei sehr schnell hinter den drohenden Sanktionen durch Vertragsstrafe oder Ordnungsgeld zurück.

Outbound auch bei Bestandskunden problematisch

Im Bereich der Telefonwerbung kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass auch die Telefonanbieter alle Spielregeln einhalten. In einem Urteil aus dem Jahre 2005, das inhaltlich auf den Bankensektor voll übertragbar ist, wurde der Deutschen Telekom untersagt, ihre eigenen Kunden zu Werbezwecken für neue Telefontarife anzurufen (OLG Köln, Urteil vom 25.02.2005, Az. 6 U 155/04). Spätestens hierdurch sollte jedem klar sein, dass mit der erforderlichen Einwilligung in Werbeanrufe nicht zu spaßen ist - wenn nicht einmal eigene Bestandskunden problemlos kontaktiert werden können. Das Gericht hat in diesem Urteil ausgeführt, dass auch die nachträgliche Billigung des Anrufes durch den Kunden keine Einwilligung darstellt - diese muss zeitlich immer vor dem Anruf vorliegen.

Jeder, der weiter auf den telefonischen Vertrieb seiner Produkte durch Call-Center setzt, muss also darauf achten, dass für jeden Kunden eine solche Einwilligung, ein "Opt-in" vorliegt. Am Markt existiert eine Vielzahl von Adressbrokern, die gerade für solche Zwecke ihre Dienste offerieren. Leider kann hierauf ebenfalls nicht bedenkenlos zurückgegriffen werden, wie die Gerichte in der Vergangenheit mehrfach geurteilt haben.

Opt-in-Vermietung nicht haltbar

Eine Einwilligung wird nämlich immer dadurch eingeholt, dass der Verbraucher bei einem bestimmten vorgefertigten Text ein Kreuzchen macht, unterschreibt, ein Häkchen setzt oder eine sonstige Bestätigung erteilt. Dieser vorgefertigte Text, der immer den Sinngehalt besitzt, dass sich der Kunde mit werbenden Anrufen einverstanden erklärt, ist als vorgefertigter Text jedoch immer als sogenannte Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen, die besonderer gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Dort dürfen dem Kunden nämlich keine überraschenden oder vom gesetzlichen Leitbild zu sehr abweichende Erklärungen untergeschoben werden.

Das OVG NRW hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2008 den Bereich des Adressbrokings jedoch faktisch trockengelegt. Die Besonderheit des Adress- und Einwilligungshandels lag darin, dass die Hauptarbeit, nämlich das Generieren von Opt-in-Erklärungen und das Qualifizieren von Adressen durch den Broker bereits erledigt wurde und die Adressen nur noch angemietet werden müssen.

Um eine mehrfache Vermietbarkeit zu erreichen, kann der Adressbroker im Vorfeld jedoch einen Umstand nicht erklären - wer nämlich auf die Einwilligungserklärung hin anrufen wird, denn im Vorfeld ist ja überhaupt nicht absehbar, wer einen derartigen Datensatz in der Zukunft einmal anmieten wird.

Im Beschluss vom 26.09.2008, Az. 13 B 1331/08 hat das OVG NRW unter Bezugnahme auf diese Praxis nun ausgeführt, dass die dort verwendete Klausel zur Einwilligung unzulässig und damit auch das vollständige Konstrukt der Opt-in-Vermietung nicht haltbar ist. Denn die Tatsache, dass dem Verbraucher überhaupt nicht klar ist, wer zukünftig unter Berufung auf die Einwilligungserklärung anrufen wird, ging den Richtern zu weit. In diesem Fall sei für den Kunden die Tragweite seiner Erklärung überhaupt nicht erkennbar, ein so abgegebenes Opt-in nicht verwertbar. Der Werbeanruf hätte nie stattfinden dürfen.

Aus diesen Umständen lässt sich ableiten, dass ein Vertrieb durch Call-Center zwar schwierig, aber zumindest nicht unmöglich gemacht worden ist. Denn sieht man einmal davon ab, dass in den beiden konkreten Fällen die Werbeanrufe unzulässig waren, so lässt sich jedoch aus der Rechtsprechung auch herauslesen, wie stattdessen hätte gehandelt werden müssen. So muss sich der Werbende zunächst um eine Einwilligung des Kunden bemühen, die sich auf den konkreten Verwender bezieht. Es bietet sich hier an, Anmeldungs-, Umfrage- oder sonstige Kundenformulare zu nutzen, um eine Einwilligung des Kunden einzuholen.

Telefonische Einwilligungen nur "Inbound" rechtlich sicher

Abzuraten ist jedoch davon, diese Einwilligung telefonisch einzuholen. Dies gilt zumindest dann, wenn jeder Bestandskunde angerufen werden soll, um eine Einwilligung abzufragen. Bislang ist noch nicht entschieden, ob aus einem unzulässigen Anruf ein wirksames Opt-in generiert werden kann. Angesichts der kundenfreundlichen Rechtsprechung ist jedoch davon auszugehen, dass die Gerichte diese Art der Einholung des Opt-ins auch für unzulässig erachten werden.

Es besteht jedoch die Möglichkeit, die Kontaktaufnahme durch den Kunden selbst zu nutzen. Nimmt der Kunde Kontakt mit dem hauseigenen Call-Center auf, so hat der jeweilige Agent die Möglichkeit, den Kunden zu fragen, ob er mit der werbenden Kontaktaufnahme für die Zukunft einverstanden ist.

Zu Beweiszwecken sollte dies aber immer dokumentiert werden. Eine Aufnahme des Telefonats ist jedoch nur dann zulässig, wenn der Kunde sich mit der Bandaufnahme einverstanden erklärt hat - eine doppelte Hürde.

Wortlaut von zentraler Bedeutung

Ebenfalls relevant ist der genaue Wortlaut der Einwilligungserklärung, die dem Kunden zur Bestätigung vorgesetzt wird. Diese unterliegt, wie oben ausgeführt, der Kontrolle der Gerichte als Allgemeine Geschäftsbedingung. Der Wortlaut der Klausel ist daher ebenfalls von zentraler Bedeutung. In jedem Fall ist anzuraten, dass die Klausel auf den konkreten Anwendungsbereich und den konkreten Branchenzuschnitt des Verwenders formuliert wird. So wäre wohl möglich, von einem Kunden das Einverständnis zur Werbung für "neue Geldanlagemöglichkeiten" einzuholen.

Allzu allgemein darf die Formulierung jedoch auch nicht ausfallen. Das OLG Köln hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 2009 festgestellt, dass die Formulierung "Ja ich bin damit einverstanden dass ich telefonisch/per E-Mail/SMS/Post über interessante Angebote ... informiert werde" unzulässig ist - weil die Klausel mit der nur scheinbaren Einschränkung auf die interessanten Angebote gegen das Transparenzgebot verstößt (Urteil vom 29.04.2009, Az. 6 U 218/08). Suggeriert wird eine Einschränkung, faktisch jedoch bedeutet die Klausel eine umfassende, uneingeschränkte Werbemöglichkeit.

Zusätzlich ist darauf zu achten, dass die Einwilligungserklärung durch den Kunden auch bewusst und eindeutig abgegeben wird. Der Bundesgerichtshof hatte sich mit den Teilnahmebedingungen des Rabattsystems Payback auseinanderzusetzen und hat die dortige Möglichkeit des Optout ("Wenn nicht gewünscht, bitte streichen") für unzulässig erachtet, Urteil vom 16.07.2008 - Az. VIII ZR 348/06. Die Richter forderten hier das eindeutige Setzen eines Kreuzchens durch den Kunden, andernfalls sei die Erklärung ebenfalls unwirksam.

Das Bild, was sich für den Call-Center-Vertrieb abzeichnet, wird durch diese Urteile sehr düster. Dennoch sollte hieraus das Positive für den Vertrieb gezogen werden - trotz aller Widrigkeiten gehen Gesetzgeber und die Gerichte davon aus, dass eine Werbung per Telefon in Deutschland nach wie vor zulässig ist. Nur die Voraussetzungen, unter denen dies geschehen kann, werden zunehmend enger.

Einsatz externer Dienstleister wird schwieriger

Die Verantwortlichkeit wird daher wieder stark in Richtung des Unternehmers geschoben, der sich weniger und weniger externer Dienstleister bedienen darf. Zukünftig wird die Einwilligungserklärung des eigenen Kunden für Werbezwecke von immenser Bedeutung sein. Für die Neuakquise von Kunden wird das Risiko größer werden, wobei auch hier die Möglichkeit besteht, ein Opt-in zu generieren - sei es durch Werbeaktionen, Gewinnspiele oder andere Marketingmaßnahmen mit Teilnahmemöglichkeit, bei denen der Kunde eine Erklärung abgeben muss - mit der das Opt-in dann verbunden werden kann.

Der Bereich der telefonischen Werbung muss damit zwangsweise mehr in den Fokus rücken, da er besonderer Aufmerksamkeit bedarf. Ein sorgloser Umgang mit diesem Thema ist sowohl für die Reputation als auch in finanzieller Hinsicht äußerst risikoreich. Wenn allerdings der Telefonvertrieb wieder zur "Chefsache" gemacht wird, so ist mit kompetenter Beratung durchaus eine zukunftsfähige Bewirtschaftung dieses Bereichs möglich.

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