Mittelstandsgeschäft

Die Renaissance der Hausbank

Über Jahrzehnte hinweg war der Bankkredit das dominierende Mittel der Außenfinanzierung deutscher Unternehmen. Aus dieser Grundfinanzierung heraus konnte sich das typisch deutsche "Hausbankprinzip" entwickeln. Es ermöglichte Liquiditätssicherung ebenso wie die Finanzierung von Wachstum, ohne dass Geschäftspolitik und -entwicklung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden musste.

Der verstärkte Bankenwettbewerb und die Globalisierung der Kapitalmärkte hat das Hausbankprinzip seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts aber aufgeweicht. Insbesondere in der jüngsten Vergangenheit war zu beobachten, dass sich neue Wettbewerber mit aggressiven Konditionen den Marktzutritt verschafften, um sich bald darauf - insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten - wieder zurückzuziehen. Beispielhaft dafür war das Verhalten von einigen Auslandsbanken im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise. Durch ihren Rückzug vom deutschen Markt hinterließen sie eine Finanzierungslücke in Milliardenhöhe.

Kontokorrentkredit als Basis für breite Geschäftsbeziehung

Das seinerzeit geborene Schlagwort "die Hausbank ist tot", gilt heute nicht mehr. Vor allem für mittelständische Unternehmen ist das Hausbankprinzip nach wie vor der Anker ihrer Finanzierung. Umgekehrt ist der Kontokorrentkredit ein strategisches Produkt der Bank, mit dem sie laufend über die Geschäftsentwicklung des Kunden informiert ist. Er ist die Basis für eine breite Geschäftsbeziehung. Für die Mittelständler ist die enge und auf Langfristigkeit ausgerichtete Beziehung zur Hausbank (Relationship Banking) weiterhin die Basis der Beziehung zu den Banken und bietet ihnen im Gegenzug Planungssicherheit und Stabilität.

Eine Studie der Intes Unternehmensberatung für Familienunternehmen ergab, dass 81 Prozent der befragten Unternehmen im Zuge einer Investition zuerst den Rat ihrer Hausbank suchen. Dieses Ergebnis ist nicht wirklich überraschend, denn die Banken finanzieren bei etwa 80 Prozent der Familienunternehmen auch das laufende Geschäft. Für familiengeführte Unternehmen sind die Hausbanken daher die ersten und natürlichen Kapitalgeber.

Zwar ist es für die Unternehmen wichtig, ihre Kredite und damit das Risiko auf mehrere Bankpartner zu verteilen. Dennoch sollten sie sich klar zu einer Hausbank bekennen, die zum Unternehmen und der Unternehmensstrategie passt und zu der ein enges Vertrauensverhältnis besteht. Empfehlenswert ist, dass der Charakter der Bank zum Unternehmen passt. Gegenseitige Kenntnis der Unternehmensverhältnisse und das hohe Vertrauen zueinander sorgen für eine stabile, belastbare Geschäftsbeziehung. Die gegenseitige Wertschätzung dürfte dabei über manche schwierige Situation in der Kundenbeziehung im Laufe der Krise hinweghelfen. Sie erhöht den Verhandlungsspielraum und die Flexibilität für beide Seiten.

Die Stellung der Hausbank bringt es mit sich, dass die Bank nicht nur über den Umgang des Unternehmens mit seinen Finanzen gut informiert ist, sondern aufgrund langjähriger Zusammenarbeit und zumeist gleichzeitiger Kontenführung für den Unternehmer auch das Verhalten des Managements gut beurteilen kann. Damit besitzt sie bei der Bonitätseinschätzung spezifische Vorteile und bekommt auch einen fundierten Blick in die Zukunft des Betriebs.

Für die Unternehmen bedeutet das Hausbankprinzip zwar eine Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse gegenüber einer Drittpartei, auf deren vertrauensvollen Umgang mit betriebsinternen und persönlichen Daten aber Verlass ist. Im Gegenzug bauen sie darauf, dass Hausbanken ihre Stammkundschaft auch in schwierigeren Situationen begleiten, was bei einer fallweisen Bankbeziehung eher nicht der Fall ist.

Unternehmen öffnen sich für neue Finanzierungsformen

Eine Hausbank zeichnet sich idealerweise auch dadurch aus, dass sie dem Unternehmen das gesamte Leistungsspektrum anbieten kann und im Vergleich zu anderen Bankphilosophien besonders vertrauenswürdig ist. Denn nur eine Bank, die das Geschäftsmodell des Unternehmens wirklich nachvollziehen und das Management einschätzen kann, wird in konjunkturell mageren Zeiten bereit sein, das Risiko einer Kreditvergabe einzugehen. Das bedeutet: Unternehmen ohne eine echte Hausbankverbindung stehen vermehrt alleine da. Sie haben mitunter sogar Schwierigkeiten, an öffentliche Kreditmittel zu kommen. Denn auch hier benötigt man eine Hausbank, die die Mittel beantragt und dabei selbst mit ins Risiko geht.

Die Bank sollte aber über das Kreditgeschäft hinaus denken. Die Veränderungen durch die globale Krise und daraus resultierenden neuen aufsichtsrechtlichen Kapitalanforderungen (Basel II) erfordern dies. Auch die Einstellung der mittelständischen Unternehmen zum Kapitalmarkt und damit einhergehend auch das Verhältnis zu den Kredit gebenden Banken hat sich nämlich seit Beginn dieses Jahrzehnts grundlegend geändert. Gerade für größere mittelständische Unternehmen haben alternative Finanzierungsinstrumente an Bedeutung gewonnen.

Es ist eine "Sophistication" der Mittelstandsfinanzierung zu beobachten, das heißt die Bereitschaft dieser Unternehmen, sich neuen Finanzierungsformen zu öffnen. Diese Betriebe betrachten seither ihre aktuelle Refinanzierungsbasis differenzierter und stehen einer Diversifizierung ihrer zukünftigen Refinanzierungsstruktur aufgeschlossener gegenüber. Darauf muss die Hausbank reagieren. Neben der Kreditvergabe werden die Banken im Zeitalter der Globalisierung dabei auch für unterstützende Dienstleistungen wie Währungsabsicherung und Auslandsfinanzierung sowie die Vermögensverwaltung der Eigner und ihrer Familien benötigt. Und trotz der augenblicklich schwierigen Situation an den Finanzmärkten mit den bekannten Fälligkeitsproblemen werden Themen wie Mezzanine-Finanzierungen und Private Equity in Zukunft wieder an Bedeutung gewinnen.

Eine Hausbank ist mit dem Unternehmen aber nicht nur über aktuelle Geschäftsentwicklung und Finanzierungsbedürfnisse im Gespräch, sondern auch über wichtige strategische Aspekte und Zukunftsfragen. Sie hilft beispielsweise bei der Unternehmensnachfolge, vor allem wenn ein Nachfolger von außen gesucht wird. Als Hausbank kennt sie das Unternehmen und die handelnden Personen in der Regel schon mehrere Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Sie ist mit dem Unternehmer im Gespräch, und zwar nicht nur über die aktuelle Geschäftsentwicklung, sondern auch über wichtige strategische Aspekte und Zukunftsfragen. Dazu gehört, dass man die Nachfolge offen thematisiert: gibt es eine Nachfolgeregelung? Wer ist der potenzielle Nachfolger? Falls es bisher noch keinen Nachfolger gibt, wie sehen mögliche alternative Lösungen aus? Gesellschafter- und Erbverträge sind so zu gestalten, dass ein harmonischer Generationenübergang möglich ist, der auch steuerrechtliche und liquiditätsschonende Aspekte mit einbezieht.

Strategische und finanzwirtschaftliche Aufgaben lassen sich umso besser lösen, je klarer und offener die Kommunikation zwischen dem Unternehmen und seinen Kapitalgebern ist. Unternehmen, die über Routineinformationen wie Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung hinaus zeitnah und umfassend über relevante Fakten berichten und auch Probleme aktiv ansprechen, haben Vorteile in der Finanzierung ihres Geschäfts.

Keine übertriebene Rating-Gläubigkeit

Natürlich muss auch der Kreditgeber ein klares Erwartungsmanagement betreiben, welche Informationen und Daten erforderlich sind. So lässt sich eine beiderseitige Vertrauensbasis schaffen, die auch in schwierigen Zeiten gemeinsame Lösungen für kurzfristig auftretende Finanzierungsfälle ermöglicht. Grundvoraussetzung dafür sind Kenntnisse über die Funktionsweise und die Einflussfaktoren des bankinternen Ratingsystems. Denn neben den klassischen Finanzkennziffern berücksichtigen moderne Ratingsysteme bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit auch Kriterien wie Managementqualität, Marktumfeld, Investitionsplanung oder unternehmensspezifische Risiken.

Werden hierzu regelmäßig aktuelle Kennzahlen des Unternehmens zur Verfügung gestellt, ist eine gute Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gelegt. Mit klarer Sicht auf die tatsächliche Lage des Unternehmens können dann mögliche Finanzierungsszenarien entworfen werden, die der jeweiligen Unternehmenssituation gerecht werden.

Allerdings ist dabei zu bedenken, dass dies nicht zu einer übertriebenen Rating-Gläubigkeit führen darf, da Grundlage des Ratings in erster Linie ein retrospektives Zahlengerüst ist, das firmenspezifische Geschäftsmodelle und aktuelle Veränderungen nicht immer ausreichend berücksichtigt.

Hausbank wirkt wie Liquiditätsversicherung

Dass die offene und intensive Finanzkommunikation zwischen Unternehmen und Bank ein Erfolgsrezept ist, bringen die Ergebnisse einer aktuellen Studie des Instituts für Kredit- und Finanzwirtschaft der Ruhr-Universität Bochum (IKF) auf den Punkt: Firmen, die ihre Kapitalgeber nicht nur mit Routineinformationen wie Bilanz und GuV-Rechnung versorgen, sondern sie zeitnah, umfassend und persönlich informieren, haben Vorteile bei der Finanzierung ihres Geschäfts. Sie müssen in der Regel weniger Sicherheiten stellen, haben mehr Mittel zur Verfügung und können in Notfällen mit Hilfe rechnen.

Der offensive Umgang mit den eigenen Kennzahlen trägt dazu bei, die Kreditwürdigkeit zu kommunizieren und die Finanzierungsmöglichkeiten auszubauen. Dabei sollten stets auch solche Themen zur Sprache kommen, bei denen Defizite vermutet werden. Die Studie belegt aber auch, dass es zwischen den Geschäftspartnern oft noch eine dramatische Kommunikationsklemme gibt, die sich in einer Finanz- und Wirtschaftskrise zu einer Kreditklemme ausweiten kann.

Die jüngste Vergangenheit hat teilweise gezeigt: Die Qualität einer Hausbank erkennt man in der Krise. Unternehmenskrisen offenbaren, ob sich die Partnerschaft zwischen einer Firma und ihrer Hausbank bewährt. Je schwieriger die wirtschaftliche Lage, desto wichtiger ist die Solidität und Solidarität der Hausbank. Eine echte Hausbank steht gerade bei unternehmerischen Herausforderungen, wenn Marktverschiebungen oder Konjunkturkrisen quasi über Nacht die Existenz der Firma bedrohen, an der Seite ihrer Partner. Untersuchungen auf Basis der Auswertung von Kreditakten haben eindeutig ergeben, dass eine Hausbank bei Verschlechterung der Bonität des Kunden wie eine Liquiditätsversicherung wirkt und der Finanzierungsanteil der Hausbank steigt. Aber auch eine Hausbank kann nur auf Basis eines plausiblen Konzepts agieren.

Ein früher, offener Dialog über die Probleme des Unternehmens und die alternativen Lösungsansätze stärkt dabei das gegenseitige Vertrauen. Das Unternehmen behält so das Heft des Handelns in der Hand und wird bei realisierbarem Sanierungspotenzial auch nicht im Stich gelassen. Die Hausbank wird dann alle Geldgeber und Kreditversicherer einbinden, um gemeinsam mit dem Unternehmen eine Stabilisierungsstrategie zu entwickeln. Eine vertrauensvolle Kommunikation mit den "Stakeholdern" des Unternehmens ist dabei bereits ein wichtiger Teil des Krisenmanagements. Tragen die Banken die Diagnose mit, dass der notleidende Betrieb eine erfolgversprechende Zukunft hat, werden sie sich an der Therapie beteiligen.

Nicht mehr als drei oder vier Kernbanken

Die Finanzkrise hat gezeigt, dass eine zu hohe Komplexität in den Bankenbeziehungen Lösungen für Unternehmen zum Teil erschwert oder sogar verhindert. Manches Unternehmen merkt, dass weniger Banken manchmal mehr sind. Die optimale Zahl an Banken hängt natürlich von der Größe des Unternehmens sowie seinem Internationalisierungsgrad ab. Aber selbst Unternehmen mit mehreren hundert Millionen Euro sollten nicht mehr als drei maximal vier Kernbanken haben. Insofern erleben wir gerade eine Renaissance des traditionellen Hausbankprinzips. Das hat ja Deutschland lange Zeit von anderen Ländern unterschieden. In Zukunft wird wieder mehr Stetigkeit in das Verhältnis zwischen Unternehmen und Banken kommen. Viele Unternehmen suchen wieder verstärkt Finanzierungspartner in ihrer Region.

Eine langfristig angelegte Zusammenarbeit mit ihrer Hausbank, die eine faire Zusammenarbeit bedingt, ist für die Unternehmen aber auch im Hinblick auf die Herausforderungen der kommenden Jahre fast unverzichtbar - insbesondere in Anbetracht der bevorstehenden Konsolidierungs- und Veränderungsprozesse auf den Finanzmärkten. Umgekehrt sind auch viele Banken an stabilen Kundenbeziehungen interessiert, zumal sich viele Institute wieder verstärkt auf die klassischen Geschäftsfelder konzentrieren werden.

Der ständige Wechsel eines Unternehmens zur Bank mit den jeweils günstigsten Konditionen zahlt sich jedenfalls nicht aus. Viel wichtiger ist das Vertrauen zwischen Bank und Kunde. Das Comeback der Hausbank wird aber keine Einbahnstraße sein, sondern ein Nehmen und ein Geben. Wer nicht in guten Zeiten mit seiner Hausbank zusammenarbeitet, wird nicht erwarten können, dass sie sich in schlechten Zeiten verpflichtet fühlt.

Vielleicht haben die Erfahrungen der Krise das gegenseitige Verständnis zwischen Bank und Unternehmen sogar verbessert. Die Kunde-Bank-Beziehung wird von beiden Seiten wesentlich bewusster gestaltet werden. Die Kunden werden sehr viel deutlicher darüber nachdenken, wer ihr Partner ist und was der Gesprächspartner, dem er gegenüber sitzt, zu entscheiden hat. Gerade in turbulenten Zeiten stehen persönliche Geschäftsbeziehungen mit der Hausbank vor Ort wieder hoch im Kurs. Sie bleibt der wichtigste Finanzpartner des Mittelstands.

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