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Social Banking ist kein Strohfeuer

In der Konsumbranche besteht schon seit längerer Zeit der Trend zu ökologischen und ethischen Produkten. Während solche Produkte anfänglich nur von speziellen Läden angeboten wurden, hat mittlerweile auch der traditionelle Einzelhandel sein Angebot um Produkte erweitert, die nach ökologischen und ethischen Kriterien hergestellt werden. Damit trägt der Einzelhandel dem wachsenden Interesse in der Bevölkerung an Nachhaltigkeit Rechnung.

An der Bankbranche ist dieser Trend jedoch lange vorbeigegangen. Anstatt ihre Geschäftsstrategie stärker an sozialen und ethisch-ökologischen Zielen auszurichten, haben die Banken und Sparkassen vor allem an ihren Kostenstrukturen gearbeitet, um im preisintensiven Wettbewerb im Retailbanking mit den Direktbanken konkurrieren zu können.

Social Banks haben von der Finanzmarktkrise profitiert

Nur wenige Banken haben bisher das Interesse der Kunden an sozialen und ökologischen Themen erkannt. Dazu zählen die Ethikbank, die Umweltbank, die GLS Bank, die Noa Bank und die Triodos Bank. Sie unterscheiden sich vor allem in den folgenden vier Punkten von traditionellen Banken.

Erstens investieren sie in ethisch-ökologische und damit nachhaltige Projekte.

Zweitens setzen sie zum Nachweis der Mittelverwendung auf eine hohe Transparenz.

Drittens bieten sie ihren Kunden die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, in welche Anlagen ihre Gelder investiert werden.

Viertens verzichten sie auf Spekulationsgeschäfte und gehen dadurch weniger Risiken ein als traditionelle Kreditinstitute.

Banken, die ihr Geschäftskonzept nach diesen Kriterien ausrichten, werden auch als Social Banks bezeichnet.

Social Banks sind in den vergangenen Jahren entgegen dem allgemeinen Markttrend deutlich gewachsen. So hat etwa das Geschäftsvolumen der in mehreren europäischen Ländern operierenden Triodos-Gruppe im Jahr 2009 um rund 30 Prozent zugenommen, und die Anzahl der Kunden ist europaweit um 27 Prozent gestiegen. Dennoch verfügen Social Banks weiterhin nur über einen sehr geringen Marktanteil. Im vergangenen Jahr kam die Triodos-Gruppe beispielsweise nur auf eine Bilanzsumme von knapp drei Milliarden Euro. Zum Vergleich, die Bilanzsumme der Deutschen Bank betrug im gleichen Jahr rund 1,5 Billionen Euro. Das macht deutlich, dass Social Banks trotz des starken Wachstums weiterhin nur Nischenanbieter sind.

Social Banking hat im Zuge der Finanzkrise an Bedeutung gewonnen, da "soziale Banken" mit ihrem Geschäftskonzept Kunden anziehen, die das Vertrauen in traditionelle Banken verloren haben. Das spiegelt sich auch in den Ergebnissen einer Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) unter mehr als 200 Experten aus dem Finanzsektor wider. Demnach sind mehr als 80 Prozent der befragten Finanzexperten der Meinung, dass die Social Banks vom Misstrauen der Kunden gegenüber den traditionellen Kreditinstituten profitiert haben (siehe Abbildung 1). Weitere Gründe für den zunehmenden Marktanteil sozialer Banken sind nach Ansicht der Experten das Vertrauen der Kunden in sie, die gute Reputation dieser Institute und deren hohe Transparenz.

Darüber hinaus sind die befragten Finanzexperten der Ansicht, dass soziale Banken geringere Risiken eingehen, da sie nachhaltiger investieren. Aus diesem Grund werden sie häufig auch als Gegenwurf zu den Großbanken gesehen, die infolge der Finanzmarktkrise Milliarden verloren haben.

Durch den Wertewandel wachsen

Die zunehmende Bedeutung der Social Banks lässt sich aber nicht nur mit der Finanzkrise und dem Vertrauensverlust in traditionelle Banken erklären. Mit der Ausrichtung ihrer Geschäftsstrategie auf Nachhaltigkeit sprechen sie Kunden an, die Wert auf ein umweltfreundliches und gesundheitsbewusstes Leben legen. Das kommt auch in der Umfrage des ZEW zum Ausdruck. Demnach ist das verstärkte Interesse der Öffentlichkeit an sozialen und ökologischen Themen für rund zwei Drittel der Finanzexperten ein sehr wichtiger Grund für den zunehmenden Marktanteil der Social Banks.

Da das verstärkte Interesse an ökologischen und sozialen Themen einen Wertewandel in der Gesellschaft widerspiegelt, kann auch in Zukunft mit einer zunehmenden Bedeutung der Social Banks gerechnet werden. Somit ist Social Banking kein kurzfristiger Trend, sondern eine langfristige Entwicklung. Das spiegelt sich auch in den Ergebnissen der ZEW-Umfrage wider. Der Trend zum Social Banking ist für rund 43 Prozent der Experten nachhaltig (siehe Abbildung 2). Nur knapp ein Drittel der Befragten hält ihn für ein kurzfristiges Phänomen als Folge der Finanzkrise. Weniger als ein Viertel gibt keine Einschätzung zu den Zukunftsaussichten sozialer Banken ab.

Ein Grund für die Skepsis der Experten könnte der intensive Wettbewerb im Retailbanking sein. Dieser hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen und wird überwiegend über den Preis ausgetragen.1) Da die Produkte sozialer Banken häufig eine geringere Rendite abwerfen, sind sie unattraktiv für preissensitive Kunden. Letztere sind auch weiterhin in der Mehrheit, auch wenn die Zahl der Kunden, die ein umwelt- und gesundheitsbewusstes Leben führen, zuletzt deutlich zugenommen hat. Deshalb sollte der Preis für die Mehrheit der Kunden auch in Zukunft das entscheidende Kriterium bei der Wahl der Bank sein.

Ökologische und soziale Aspekte können Kostennachteile aufwiegen

Das könnte erklären, weshalb 43 Prozent der befragten Finanzexperten der Ansicht ist, dass andere Banken ihre Geschäftsstrategie und Produktpalette nicht an ethisch-ökologischen oder sozialen Zielen ausrichten werden (siehe Abbildung 3). Im Gegensatz dazu halten es knapp 57 Prozent der Experten für wahrscheinlich, dass die traditionellen Banken dem Beispiel der Social Banks folgen und ihr Geschäftkonzept ebenfalls stärker auf Nachhaltigkeit ausrichten werden.

Banken, die dem Beispiel der Social Banks folgen, können sich durch eine stärkere Ausrichtung auf ökologische und soziale Ziele neu im Markt positionieren. Das könnte insbesondere für Banken attraktiv sein, die aufgrund ihrer Kostenstruktur nicht mit anderen Instituten über den Preis konkurrieren können.

Chance zur Neupositionierung

Da die Kunden von Social Banks die Wahl der Bank nicht allein auf Grundlage ökonomischer, sondern auch sozialer und ökologischer Kriterien treffen, sind sie bereit, auf eine höhere Rendite zu verzichten, wenn ihre Gelder zur Finanzierung sozialer oder ökologischer Projekte verwendet werden. In diesem Fall wird der Verzicht auf eine höhere "ökonomische" Rendite durch die Erzielung einer "sozialen" Rendite kompensiert.

Darüber hinaus können Banken mit Social-Banking-Kunden deutlich höhere Erträge erzielen als mit dem klassischen Retail-banking-Kunden. So ist das Ertragspotenzial nach Einschätzung der Unternehmensberatung zeb bei dieser Zielgruppe fast doppelt so hoch wie der Durchschnitt der Bevölkerung.

Zudem haben die in Deutschland tätigen ethisch-ökologischen Banken bisher mit weniger als 200 000 Kunden nur einen Bruchteil der Zielgruppe von rund sechs Millionen potenziellen Social-Banking-Kunden erreicht.

Überdurchschnittliches Ertragspotenzial

Insgesamt lässt sich sagen, dass Social Banking aufgrund des verstärkten Interesses der Öffentlichkeit an sozialen und ökologischen Themen eine langfristige Entwicklung ist und kein kurzfristiger Trend. Aus diesem Grund sollten Social Banks auch dann noch eine Rolle spielen, wenn das Vertrauen der Kunden in die traditionellen Banken zurückgekehrt ist.

Ob auch andere Banken in Zukunft das Konzept verfolgen werden, ist hingegen fraglich. Problematisch bei einer Neuausrichtung könnte sein, dass Banken mit einer stärkeren Ausrichtung auf Nachhaltigkeit ihr eigenes Geschäftskonzept infrage stellen könnten. Darüber hinaus verspricht Social Banking trotz der zunehmenden Zahl potenzieller Kunden aufgrund der selbst auferlegten Kriterien nur geringe Profite. Deshalb ist eine vollständige Umsetzung des Social-Banking-Konzepts insbesondere bei größeren, börsennotierten Banken nicht wahrscheinlich. Realistischer ist, dass solche Banken ihr Angebot um "nachhaltige" Produkte erweitern werden, um die Zielgruppe der umwelt- und gesundheitsbewussten Kunden anzuziehen.

Anmerkung Zu aktuellen Trends im Retailbanking siehe auch Köhler, M. und G. Lang, 2008: Trends im Retailbanking: Die Bankfiliale der Zukunft, in: ZEW-Dokumentation, 08-01 oder Köhler, M., 2008: Trends im Retailbanking: Ausländische Banken im deutschen Bankenmarkt, in: ZEW-Dokumentation, 08-03.

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