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Versicherungen - Unisex: Kein echter Schlussverkauf

Am 21. Dezember 2012 war es soweit, seit diesem Datum macht die Gleichberechtigung auch nicht mehr vor Versicherungen halt. Und dies aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofes (Aktenzeichen C-236/09) im Frühjahr 2012, das unterschiedliche Tarife für Männer und Frauen für diskriminierend hält. Die Änderungen betreffen im Wesentlichen die bisher geschlechtsspezifischen Renten-, Lebens-, Berufsunfähigkeits- und Krankenversicherungen.

Konkrete Angaben über den durch die Umstellung entstandenen Aufwand scheuen die Versicherer. Im Wesentlichen umfasst er die Kalkulation und die IT-Umstellung. Bei der Ergo-Versicherung führte dies zu einer Belastung von 20 000 bis 30 000 Mannstunden. Außer den Riester-Verträgen, die schon als Unisex-Tarife kalkuliert waren, mussten fast alle Tarife im Bereich Lebensversicherungen unter neuen Voraussetzungen berechnet werden. Am schwierigsten ist dies bei aufgeschobenen Rentenversicherungen. Denn der Versicherer weiß nicht, wie viele Kunden sich für eine Kapitalauszahlung ent scheiden und wie beispielsweise in 30 Jahren das Mischungsverhältnis Mann/Frau aussieht.

Auch im Bereich der Krankenversicherung musste die neue Zusammensetzung der Versichertengemeinschaft mit der Mischung aus Männern und Frauen und möglichen Wechselbewegungen aus den bisherigen geschlechtsspezifischen Tarifen neu berechnet werden. Zusätzlich wurde noch die "medizinische Inflation", also die steigenden Kosten der Gesundheitsversorgung sowie die steigende Lebenserwartung berücksichtigt. Durch die Notwendigkeit umfangreicher Tarifänderungen entstand Projektaufwand bei der Umstellung der IT-gestützten Beratungsund Verkaufssysteme sowie für die Umstellung sämtlicher Verkaufsmaterialien. Der Aufwand ist somit höher als bei Anlässen, die nur kleinere Teilbereiche des Produktportfolios betreffen.

Übergangstarife und Umtauschoptionen

Die Vertriebsstrategien der einzelnen Anbieter zum Thema Unisex sind unterschiedlich. Kunden der Allianz, die dank Unisex mit günstigeren Tarifen rechnen können, konnten schon vor dem Stichtag mit den sogenannten Übergangstarifen vergünstigte Verträge abschließen. Zum Beispiel erhielten Männer für Rentenversicherungen bis zum 20. Dezember 2012 den bisherigen Bisex-Preis, Frauen hingegen bei Neuabschlüssen schon die Konditionen, die der Versicherer erst ab 21. Dezember unter Unisex angesetzt hat. Analog wurde bei der Berufsunfähigkeits-, Pflege- und Hinterbliebenenvorsorgeversicherung vorgegangen.

Andere Anbieter wie beispielsweise Axa, R+V und Generali boten eine Umtauschoption an. Wer sich bis zum Stichtag den Bisex-Tarif gesichert hat, hat auch nach dem Datum immer noch die Wahl zwischen Bisex- und Unisex-Tarif. Beim Abschluss einer Rentenversicherung bei R+V noch 2012 konnten sich zum Beispiel Frauen das günstigere Eintrittsalter sichern und Anfang 2013 entscheiden, ob sie im alten Tarif bleiben oder aber die Unisex-Variante wählen. Gar rund ein halbes Jahr (bis 1. Juni 2013) haben noch diejenigen Zeit, die bei Generali vom 1. September bis 20. Dezember 2012 einen Versicherungsvertrag abgeschlossen haben, wenn Unisex Tarife bessere garantierte Leistungen versprechen. Bei den Kunden der Sparkassenversicherung, die 2012 Verträge abgeschlossen haben, werden diese automatisch auf Unisex Tarife umgestellt, wenn diese günstiger sind.

Der Informationsaufwand für den Kunden ist in jedem Fall hoch. Hier helfen Vergleichsrechner, wie ihn beispielsweise die Zurich im Internet zur Verfügung gestellt hat. Damit konnten die Kunden vor Abschluss des Vertrages die möglichen Beitragsveränderungen je nach Eintrittsalter ermitteln.

Die Frage nach einem Schlussverkauf konnten die Versicherer zum Jahresende noch nicht eindeutig beantworten - zumal die angebotenen Umtauschoptionen die Aussagen über die tatsächliche Nachfrage nach alten Tarifen verzerren könnten.

Die R+V Versicherung verzeichnete eine hohe Nachfrage bei den Bisex-Tarifen, insbesondere von Männern bei der Renten- oder Krankenversicherung oder von Frauen bei der Risikolebensversicherung. Die Versicherungskammer Bayern gab einen deutlichen Zuwachs an Abschlüssen in der Krankheitskostenvollversicherung und noch stärker in der Zusatzversicherung an. Bei der Zurich ist der große Ansturm nur aufgrund von Unisex ausgeblieben. Auch die Commerzbank konnte keine Torschlusspanik bei den Kunden feststellen. Wenn Vorsorgebedarf vorhanden ist, nutzen die Kunden nach Angaben der Bank den Vorzieheffekt. Die PB Versicherungen konnte ebenfalls keinen nennenswerten Schlussverkauf durch die Unisex-Umstellung verzeichnen. Insgesamt scheint es zumindest gestiegenes Interesse bei den Versicherungswilligen gegeben zu haben. Ob dieses tatsächlich einen Schlussverkauf ausgelöst hat, wird sich wohl erst in diesem Jahr zeigen. Red.

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