Blickpunkte

Versicherungen - Zurück zum Einheitstarif?

Als der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft 2004 die Verpflichtung zu Unisex-Tarifen bei Riester-Verträgen als den Todesstoß für das Produkt bezeichnete, schoss er weit übers Ziel hinaus. Die Zahlen haben seither gezeigt: Die staatlich geförderte Altersvorsorge ist weiter attraktiv, Riester-Policen werden nach wie vor von Männern und Frauen gekauft. Auch nach dem EuGH-Urteil, das die Assekuranz generell zu Unisex-Tarifen verpflichtet, werden die Aktuare die Policen weiterhin (oder sollte man sagen: wieder) rechnen können. Dass die Branche ob des bürokratischen Aufwands, der mit der Umstellung der Tarife verbunden ist, dennoch nicht in Begeisterung ausbricht, liegt auf der Hand.

Auch über die Sinnhaftigkeit kann man sicher streiten. Die Richter des Europäischen Gerichtshofs hatten bei ihrem Urteil das europäische Diskriminierungsverbot im Sinn. Und dieses hat auch durchaus seine Berechtigung. Allerdings wird man sich fragen dürfen, ob bei Unisex-Tarifen nicht einfach anders diskriminiert wird als zuvor. Statistisch gesehen leben Frauen nun einmal länger als Männer, beziehen bei einer Rentenversicherung also länger Rente als Männer - bei künftig gleichen Beiträgen. Umgekehrt verursachen sie als Verkehrsteilnehmer weniger Unfälle als Männer, werden also bei Kfz-Policen durch den Wegfall der Unterscheidung nach Geschlecht eher benachteiligt.

Skurril bei den Lebensversicherungen: Bei den Kapitallebensversicherungen war der nun beanstandete Unterschied bei den Auszahlungen gar nicht so groß. Die versicherungsmathematisch durchaus begründete (und deshalb vom deutschen Gesetzgeber bislang als Ausnahme vom Diskriminierungsverbot genehmigte) Unterscheidung zwischen Männern und Frauen kam erst mit der politisch gewollten Verschiebung von Kapitallebens- auf Rentenversicherungen so recht zum Tragen. Wie dem auch sei: Diskriminierung gab es schon immer und wird es auch in Zukunft geben - allein schon deshalb, weil jegliche Vertragskalkulation auf statistischen Annahmen beruht und das individuelle Risiko des Einzelnen nicht genau prognostiziert werden kann. Nur auf dieser Basis sind Versicherungen schließlich überhaupt möglich.

Je mehr Faktoren man aus diesem stochastischen Modell herausnimmt, desto ungenauer wird die Trefferwahrscheinlichkeit mit Blick auf den Einzelnen und desto "ungerechter" also der Tarif. Das ist nicht anders als bei risikoabhängigen Konditionen im Kreditgeschäft.

Natürlich ließen sich neben dem Geschlecht weitere Faktoren wie etwa das Alter aus der Kalkulation der Versicherungsverträge ausschließen. Dann aber läge der Weg zurück zum Einheitstarif nahe. Der Assekuranz wäre das im Grunde genommen gleich. Die Branche hat sich, so Friedrich Caspers, der Vorstandsvorsitzende der R+V, damit bis 1996 sehr wohl gefühlt. Eines ist aber klar: Das Hüh- und-Hott-Prinzip macht die Sache für alle Beteiligten in jedem Fall teurer. Red.

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