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Vertriebspotenziale im Insurance Banking

Der Vertrieb von Versicherungsprodukten gehört für die meisten Kreditinstitute im Retailbanking selbstverständlich mit dazu. Das Gegenstück zur Bankassurance, also die Vermarktung von Bankprodukten über den Versicherungsvertrieb, ist dagegen noch wenig beachtet. Viele Nachahmer hat die Allianz mit dem Ansatz deshalb bisher nicht gefunden. Erfolgreich institutionalisierte Kooperationen wie etwa die Zuführung von Girokonten durch die HUK-Coburg an die Postbank sind noch die Ausnahme.

Werden Vertriebspartnerschaften von Kreditinstituten und Versicherungen aber allzu einseitig mit Blick auf die Bankassurance betrachtet, droht damit zunehmend beträchtliches Potenzial verschenkt zu werden, so eine Studie von Investors Marketing, für die 1300 Finanzentscheider aus deutschen Haushalten sowie 110 unabhängige Finanz- und Versicherungsmakler, Mehrfachagenten und Ausschließlichkeitsvermittler befragt wurden. Denn im Ver gleich zu einer Vorgängerstudie aus dem Jahr 2008 zeigt sich: Die Offenheit der Verbraucher für den Abschluss von Bankprodukten beim Versicherer hat zumindest für einfache Bankprodukte wie Tagesgeld- und Girokonten oder Kreditkarten deutlich zugenommen.

Größte Potenziale bei Festgeld und Tagesgeld

Bei Fest- oder Tagesgeldkonten bejahen dies mittlerweile knapp 38 Prozent der befragten Kunden. Vor zwei Jahren waren es nur etwas mehr als 21 Prozent. Selbst bei einem "Ur"-Bankprodukt wie dem Girokonto halten es mehr als 27 Prozent für möglich, über ihren Versicherungsberater abzuschließen, im Jahr 2008 lag dieser Wert noch unter 20 Prozent. Auch bei Bausparverträgen (24,2 zu 21,9 Prozent), Kreditkarten (16,4 zu 14,1 Prozent) und Ratenkrediten (10,0 zu 9,4 Prozent) stieg die Zahl derjenigen Verbraucher, die solche Bankprodukte auch bei ihrem Versicherungsvermittler kaufen würden, seit 2008 leicht an.

Bei Produkten wie Fonds (11,6 zu 14,3 Prozent noch im Jahr 2008) und Wertpapieren (9,4 zu 12,0 Prozent) fiel die Kaufbereitschaft dagegen signifikant. Dies zeigt, dass die Kunden durchaus kritisch bleiben. Die Bereitschaft, komplexe und im Gegensatz zu Zinsprodukten als risikoreicher empfundene Produkte wie Fonds und Wertpapiere bei Versicherungen zu kaufen, ist im Zuge der Finanzkrise gesunken. "Die Kunden wechseln also alles andere als gutgläubig ihren Anbieter von Finanzprodukten, dennoch haben Versicherer als Lösungsanbieter hinsichtlich Vertrauen und Kompetenzzuschreibung zugelegt", so Oliver Mihm und Ulf Lipphardt, die Autoren der Studie.

Inzwischen halten schon drei von zehn Kunden ihren Versicherungsvertreter für ausreichend kompetent, ihnen Bankprodukte des täglichen Bedarfs anzubieten, vor zwei Jahren lag dieser Wert noch unter 20 Prozent. Der Suche des Kunden nach Lösungen soll durch wettbewerbsfähige Angebote begegnet werden - aus dem einen oder anderen Lager.

Der entsprechende Vertriebskanal kann dabei auch ein Direktkanal sein, wie erfolgreiche Beispiele etwa beim Absatz von Tagesgeld über Telefon und Internet eindrucksvoll belegen. Weiteres Anzeichen dafür ist das überproportional gute Abschneiden von Direktversicherern hinsichtlich ihrer Eignung als Anbieter von Bankprodukten bei den befragten Endkunden.

Mittlerweile sind der Studie zufolge 30 Prozent der befragten Kunden der Meinung, dass ihr Versicherungsvertreter ihnen Bankprodukte des täglichen Bedarfs wie Girokonto, Tagesgeld oder Kleinkredite genauso gut anbieten kann wie ihre Hausbank - im Jahr 2008 lag dieser Wert noch bei unter 20 Prozent. Entsprechend würden heute auch 34,1 Prozent der befragten Finanzentscheider in deutschen Haushalten auf eine aktive Ansprache ihres Versicherungsvertreters auf Bankprodukte hin einen Gesprächstermin wahrnehmen - vor zwei Jahren signalisierten hier lediglich 22,4 Prozent Gesprächsbereitschaft, was einer Zunahme um mehr als die Hälfte entspricht. Erstmals trauen die Verbraucher dem Vermittler in fast demselben Maße zu, Bankprodukte verkaufen zu können, wie sie Bankberater hinsichtlich Versicherungsprodukten vertrauen.

Diskrepanzen in der Einschätzung von Kunden und Vermittlern

Die Versicherungsvermittler haben diesen Trend offenbar bereits erkannt und sehen hier die Chance auf lukratives Neugeschäft. So meinen 52 Prozent, dass sie durch den Verkauf von Bankprodukten ein signifikantes Zusatzgeschäft erwirtschaften werden. Nur noch knapp fünf Prozent sehen gar kein Geschäftspotenzial im Insurance Banking. Gefragt, für welche Produkte sie bei ihren Kunden die stärkste Nachfrage sehen, setzten die Versicherungsvermittler auf die Plätze eins und zwei risikoarme Einfachprodukte wie Festgeld und Tagesgeld, wo fast 90 Prozent eine steigende Nachfrage sehen, und Baufinanzierung, wo sich die Erwartung einer höheren Nachfrage von 27,8 Prozent noch im Jahr 2008 auf 59,1 Prozent in der aktuellen Umfrage mehr als verdoppelte.

Diese Trendwende kann vielleicht nicht zuletzt damit erklärt werden, dass viele Kunden schlicht dort kaufen, wo es sich für sie am günstigsten oder einfachsten ergibt - da sie sich durch zunehmende Multikanalnutzung insbesondere im Internet sowieso immer mehr von ihrer Bank emanzipieren. Darauf setzen mittlerweile nicht nur Direktversicherer wie Cosmos Direkt und bieten sehr gut verzinste Tagesgelder und Sparprodukte an. Der Kunde akzeptiert also Bankprodukte im Versicherungsvertrieb - Tendenz steigend.

Interessant sind die Diskrepanzen in der Einschätzung des Insurance Banking durch Kunden und Vermittler bei komplexeren, beratungsintensiveren Produkten. So sehen immerhin noch 52 Prozent der Vermittler Chancen für den Verkauf von Fonds, obwohl gerade etwas mehr als elf Prozent der Kunden solche Finanzprodukte bei ihrem Versicherungsvermittler kaufen würden. Aus Sicht der Berater haben dagegen Sparbuch (17,3 Prozent sehen hier eine höhere Nachfrage) und Kreditkarte (15,5 Prozent) das geringste Absatzpotenzial, während hier die Verbraucher ein vergleichsweise höheres Potenzial sehen.

Obwohl sich die Diskrepanzen im Vergleich zum Jahr 2008 deutlich verringerten, scheint die Selbsteinschätzung der Vermittler von präferierten oder wirtschaftlich erwünschten Themen überlagert zu werden. Zieht man zudem die Tatsache in Betracht, dass die in Umfragen erklärte Kaufbereitschaft meist um einiges höher liegt als die dann tatsächlich getroffenen Kaufentscheidungen, sollte das Potenzial vielleicht trotz der ausgewiesenen Zahlen der Studie nicht überschätzt werden. Nichtsdestoweniger kann für Banken eine systematische Auseinandersetzung mit dem Nachfrageverhalten des Endkunden bei seiner Versicherung sinnvoll sein. Eine reine Sicht als Wettbewerber um denselben Anlage- und Vorsorge-Euro verstellt den Blick auf mögliche Potenziale, so die Autoren der Studie. Banken sollten Insurance Banking chancenorientierter angehen und ernsthaft prüfen.

Vorteile für Kreditinstitute machen Oliver Mihm und Ulf Lipphardt zum einen in der Steigerung von Wachstum und Ertrag durch einen zusätzlichen Absatzkanal für die Produkte aus. Daneben ergeben sich Chancen durch die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit zum Beispiel durch eine größere Reichweite im Markt, die Neukundengewinnung aus Potenzialen, die der eigene Vertrieb nicht erschließen kann, Stärkung der Kundenbindung durch deutlich mehr Kontaktpunkte zum Beispiel mit der Marke, Schaffung zusätzlicher potenzieller Anspracheanlässe durch gegenseitige Überleitungen zwischen Bank und Versicherung sowie durch zusätzliche Möglichkeiten, mehr über das Finanzverhalten des Kunden zu erfahren, Marketingbudgets effizienter zu allokieren und die vertriebliche Ansprache effektiver zu gestalten.

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