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VVG-Reform: Absatznachteil für Lebensversicherungen?

Mit der am 5. Juli 2007 vom Bundestag beschlossenen Reform des Versicherungsvertragsgesetzes ist die Versicherungswirtschaft im Großen und Ganzen einverstanden. Insbesondere der weitgehende Erhalt der stillen Reserven als Risikopuffer stößt bei der Branche auf Erleichterung.

Kritisch gesehen wird allerdings - ähnlich wie es auf EU-Ebene bei der Verbraucherkreditrichtlinie der Fall ist - die zunehmende Bürokratie in Gestalt der Verpflichtung, dem Kunden bereits vor Übersendung der Police die Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu übergeben. Da es für die Versicherten bei Antragstellung nicht auf die juristischen Bedingungswerke, sondern eine übersichtliche Darstellung der wesentlichen Informationen ankomme, löst die Politik damit nach Einschätzung des GDV Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft e. V., Berlin, nur ein Scheinproblem, verursacht damit aber nicht unerheblichen bürokratischen Aufwand.

Aber nicht nur, dass dem Kunden damit vermutlich wenig weitergeholfen ist - die getrennte Zusendung von Vertragsbedingungen und Police könnte auch zu Verwirrung und entsprechendem Kommunikationsbedarf führen, wenn nämlich Versicherte bei Zusendung des Regelwerks ihre Police vermissen und sich daraufhin bei der Gesellschaft melden.

Schwerer als der hier kritisierte bürokratische Aufwand wiegen aber vermutlich die Auswirkungen der zeitgleich in Kraft tretenden Informationspflichtenverordnung (VVG-InfoV). Sie sieht vor, den Konsumenten durch die Ausweisung sämtlicher Kostenbeträge eine Vergleichsmöglichkeit der auf dem Markt angebotenen Produkte zu geben. Anders als bei anderen Vorsorgeprodukten sollen die Abschlusskosten bei Lebensversicherungen nicht in Prozentsätzen, sondern absoluten Euro-Beträgen angegeben werden.

Unattraktiv für Kunden ...

Eben hieran entzündet sich die Kritik. Die Verordnung verkenne, so heißt es etwa beim GDV, Berlin, dass die Versicherer nicht nur im Wettbewerb untereinander, sondern auch mit anderen Finanzprodukten stehen. Und hier befürchtet man einen Wettbewerbsnachteil, weil die Lebensversicherung durch die neue Verordnung für die Kunden und/oder den Vertrieb unattraktiv sind.

Zum einen wirkt der Ausweis in einer konkreten Summe im Vergleich zum Beispiel mit dem in Prozent angegebenen Ausgabeaufschlag bei Fonds auf den Kunden erschreckend hoch. Selbst wenn die tatsächliche Kostenbasis beider Produkte gleich ist, ist der wahrgenommene Preis für die Versicherung somit höher, was das Produkt aus Kundensicht unattraktiv machen könnte.

... und Vertrieb

Hinzu kommt aus GDV-Sicht zudem, dass die Verordnung die bisherige Querfinanzierung des Vertriebssystems nach Vertragsvolumen vermutlich unmöglich machen wird, sodass künftig nach Stückzahlen statt Vertragsvolumen finanziert werden müsste. Konkret heißt das:

Bei höhervolumigen Verträgen, so die Prognose, wird es künftig Verhandlungen um die Provisionen geben. Ein Entgegenkommen der Versicherer in diesem Bereich wiederum müsste über die kleinen Verträge finanziert werden.

Lassen sich die sich daraus ergebenden höheren Kosten im geringervolumigen Geschäft durchsetzen, sinken die Absatzchancen. Gelingt dies nicht, ist die Beratung in diesem Segment für den Vertrieb unprofitabel und damit wenig interessant.

Sozialpolitischer Gau?

Im letzteren Fall würden Kapazitäten abgebaut, und die Beratung würde sich allein auf das profitablere gehobene Segment konzentrieren - zulasten der Bürger mit kleinen und mittleren Einkommen. Dann könnte sich die Verordnung als "sozialpolitischer Gau" entpuppen - zumal die Versicherungsbranche mit über 80 Prozent aller Neuverträge die Hauptlast der Umstellung der Alterssicherung auf Kapitaldeckung geleistet habe und noch leiste.

Das Institut für Transparenz in der Altersvorsorge, Berlin, sieht noch eine andere Gefahr: Weil es zwischen den Versicherern zu einem Wettbewerb um die niedrigsten Abschlusskosten in absoluten Beträgen kommen werde, würden diese versuchen, die Kosten auf anderem Wege wieder hereinzuholen, zum Beispiel indem sie in höhere Gebühren für die Kapitalanlage umgelenkt werden. Die Transparenz für den Kunden würde somit nicht erhöht. Als Alternative schlägt das ITA deshalb eine bindende jährliche Darstellung der prozentualen Gesamtkosten inklusive Kapitalanlagekosten vor sowie eine Ergänzung der Modellrechnung um diejenige Rendite, die der Anbieter für denselben Vertrag (gleiche Laufzeit, Risikoschutz, Kostengruppe) im Abschlussjahr tatsächlich erzielt hat. sb

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