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Auswirkungen von MiFID II: mehr Aufwand, weniger Erträge

Die Finanzmarktkrise und das sich wandelnde Umfeld auf den Finanzmärkten haben die Notwendigkeit aufgezeigt, den Anlegerschutz weiter zu stärken und die Finanzmärkte intensiver zu regulieren sowie effizienter, transparenter und widerstandsfähiger zu gestalten. Die Europäische Kommission hat aus diesem Grund am 20. Oktober 2011 einen Vorschlag für die Überarbeitung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II) vorgelegt. Für Banken und Sparkassen könnten insbesondere die vorgesehenen verschärften Anforderungen an den Anlegerschutz Einfluss auf die Prozesse im Wertpapierdienstleistungsgeschäft, die laufenden Kosten der Wertpapierdienstleistungserbringung und auch die Erträge aus dem Wertpapiergeschäft haben. Die Pflichten im Rahmen der Anlageberatung sowie die laufenden Informationspflichten könnten sich maßgeblich verschärfen, zudem könnten Zuwendungen im Rahmen der unabhängigen Anlageberatung und Vermögensverwaltung verboten werden.

Stresstest für Produkte

Die Vorschläge der Kommission sehen vor, dass neue Angebote und Produkte zunächst durch die Institute daraufhin überprüft werden sollen, ob sie an den Bedürfnissen der Kunden beziehungsweise bestimmter Kundensegmente ausgerichtet sind. Im Rahmen der Prüfung soll auch ein Stresstest durchgeführt und die Wertentwicklung des Produktes bei verschiedenen Marktsituationen simuliert werden. Deutsche Banken und Sparkassen haben neue Produkte bereits im Rahmen eines "Neue Produkte Prozesses" nach den Mindestanforderungen an das Risikomanagement zu prüfen. Die Anforderungen aus MiFID II fordern jedoch noch weiter greifende Prüfungshandlungen und stellen auf Kundeninteressen ab.

Institute müssten sich voraussichtlich in einem ersten Schritt mit den Charakteristika ihrer Kunden (wie Kenntnisse und Er fahrungen, finanzielle Verhältnisse und Bedürfnisse hinsichtlich der Anlagen) auseinandersetzen, klar abgrenzbare Kundensegmente bilden und diese im Zeitablauf aktualisieren. In einem nächsten Schritt könnten einheitliche Qualitätskriterien, Prüfroutinen und eine Bewertungsskala entwickelt werden, anhand derer die Über prüfung und Bewertung der Produkte einheitlich erfolgen soll. Für den Stresstest wären risikoorientierte Stresstestszenarien für die verschiedenen Finanzinstrumente zu definieren und festzulegen, welche Testergebnisse aus Kundensicht vertretbar sind und bei welchen Stresstestergebnissen von einem Angebot abzusehen wäre.

Hohe Anforderungen an die unabhängige Anlageberatung

Banken und Sparkassen könnten zukünftig im Rahmen der Anlageberatung verpflichtet werden klarzustellen, ob ihre Beratung auf unabhängigen und fairen Analysen basiert. Soweit dies bestätigt wird, wären die Institute verpflichtet, eine ausreichend große Anzahl von entsprechenden Finanzinstrumenten zu beurteilen. Die deutsche Gesetzgebung verpflichtet Banken und Sparkassen bereits seit dem Inkrafttreten des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes (AnsFuG) zum 8. April 2011 dazu, Kunden zu informieren, soweit Einschränkungen oder Bevorzugungen hinsichtlich Finanzinstrumenten, Emittenten oder Wertpapierdienstleistungen im Rahmen der Anlageberatung bestehen. Die Vorschläge der EU-Kommission fordern hier jedoch noch klarere Angaben und strengere Konsequenzen, soweit eine unabhängige Anlageberatung erbracht werden soll. Im Rahmen der MiFID-II-Konsultation bliebt abzuwarten, inwieweit die bestehenden deutschen Regelungen noch anzupassen sind.

Vertriebsvereinbarungen auf dem Prüfstand

Banken und Sparkassen müssten für die Erbringung der unabhängigen Anlageberatung laufend die Analyse einer ausreichend großen Anzahl entsprechender Finanzinstrumente sicherstellen. Institute, die über Vertriebsvereinbarungen an bestimmte Kapitalanlagegesellschaften und Emittenten gebunden sind, wären gezwungen, ihre Produktauswahl breiter aufzustellen, soweit sie eine unabhängige Anlageberatung anbieten möchten. Es ist hierbei fraglich, ob Kunden zukünftig die unabhängigen Anlageberatungen bevorzugt in Anspruch nehmen werden, um den Vorteil einer besseren Produktauswahl zu genießen. In diesem Fall könnte die unabhängige Anlageberatung ein Qualitätsindikator werden.

Zur Stärkung und Unterstreichung der Unabhängigkeit sieht die europäische Kommission in ihrem Vorschlag ein Verbot der Annahme und Gewährung von Provisionen und anderen Zuwendungen im Rahmen der unabhängigen Anlageberatung und Vermögensverwaltung vor. Mit Inkrafttreten des AnsFuG wurde in Deutschland bereits das Zuwendungsmanagement strenger reguliert. Alle Zuwendungsarten im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienst- und -nebendienstleistungen sind zurzeit daher auf ihre Zulässigkeit zu prüfen und beurteilen sowie den Kunden offenzulegen.

Ein generelles Verbot von Zuwendungen würde starke Auswirkungen auf die Erträge der Institute haben. Banken und Sparkassen hätten neben den verschärften Anforderungen an die Erbringung der unabhängigen Anlageberatung und Vermögensverwaltung und den damit verbundenen höheren laufenden Kosten weniger Erträge, die diesen Kosten entgegenstehen. Es müssten Vertriebsvereinbarungen angepasst und die Zahlungsströme aus Provisionen genau kontrolliert werden, um den Erhalt oder die Zahlung von verbotenen Zuwendungen zu vermeiden. Soweit dennoch verbotene Zuwendungen fließen, wäre eine Rücküberweisung der Zuwendungszahlungen oder eine Auskehrung an die Anleger notwendig.

Bei der Abgabe von Anlageempfehlungen könnten Banken verpflichtet werden, ihren Kunden die Gründe für ihre Empfehlungen schriftlich darzulegen und zu erläutern, warum das empfohlene Finanzinstrument zu dem Profil und den Anlagezielen des Kunden passt. Die deutsche Gesetzgebung ist der europäischen Kommission in diesem Punkt ein Stück voraus. Seit dem 1. Januar 2010 sind Beratungsprotokolle für jede Anlageberatung gegenüber einem Privatkunden zu erstellen. Die Mindestanforderungen an Compliance konkretisieren seit dem 14. Juni 2011 mit dem BT 6 die Anforderungen an das Beratungsprotokoll. Für deutsche Banken und Sparkassen dürfte sich aus diesem Grund bei dieser Anforderung kein übermäßiger Umsetzungsbedarf ergeben. Es bleibt abzuwarten, ob der Detaillierungsgrad der Erläuterungen zu den Empfehlungen den zukünftigen Anforderungen auf europäischer Ebene entspricht.

Aktualisierung der Kundenangaben und jährlicher Eignungstest

Im Rahmen der Anlageberatung könnten Banken zudem verpflichtet werden, einmal im Jahr ihre Kunden um eine Aktualisierung ihrer persönlichen Angaben zu bitten, um die Eignung der empfohlenen Finanzinstrumente auch im Zeitablauf unter Berücksichtigung der Entwicklung der Finanzinstrumente und der persönlichen Kundensituation beurteilen zu können. Es wurde von der Kommission in diesem Zusammenhang vorgeschlagen, dass Institute im Nachgang zur Anlageberatung einmal jährlich die Eignung der empfohlenen Finanzinstrumente auch hinsichtlich der Risikodiversifikation aller Investments für ihre Kunden beurteilen und ihren Kunden bestätigen sollen.

Banken und Sparkassen müssten für die laufende Überprüfung der Kundenangaben und Eignung der empfohlenen Finanzinstrumente einen Prozess aufsetzen, der sicherstellt, dass alle Kunden einmal pro Jahr nach Änderungen ihrer Angaben gefragt beziehungsweise um eine Bestätigung der bestehenden Angaben gebeten werden, der Eignungstest durch die Berater sachgerecht vorgenommen und das Ergebnis an die Kunden kommuniziert wird. Diese Anforderungen stellen einen hohen Aufwand im Rahmen der Datenerhebung und Dokumentation dar. Die Institute müssten verstärkt auf die Aktualität der Kundenangaben achten, um valide Bestätigungen zur Eignung von Finanzinstrumenten überhaupt abgeben zu können und rechtliche Risiken aus fehlerhaften Bestätigungen gering zu halten.

Laufende Informationspflichten

Die Informationspflichten der Institute könnten dahingehend verschärft werden, dass Banken ihren Kunden vor einer Transaktion für die empfohlenen Finanzinstrumente ein Risiko- und Ertragsprofil sowie ein Bewertungsprofil unter Berücksichtigung von verschiedenen Marktphasen zur Verfügung stellen sollen. Während der Lebensdauer der Produkte könnten zudem Informationspflichten entstehen, die eine regelmäßige schriftliche Information über den Wert und die Performance der empfohlenen Anlagen vorsehen. Zusätzlich könnte bei wesentlichen Wertänderungen von Finanzinstrumenten ein gesondertes Reporting verpflichtend werden. Bei der Bewertung von Derivaten wären sowohl das Underlying als auch das Derivat zu beurteilen.

Die Informationspflicht über das Risiko- und Ertragsprofil von Finanzinstrumenten vor Abschluss eines Geschäfts wurde bereits in Deutschland durch die Verpflichtung der Erstellung und Aushändigung von Produktinformationsblättern beziehungsweise wesentlichen Anlegerinformationen im Rahmen der Anlageberatung bei der Abgabe einer Kaufempfehlung mit dem Inkrafttreten des AnsFuG zum 1. Juli 2011 eingeführt. Ein Bewertungsprofil unter Berücksichtigung von verschiedenen Marktphasen und laufende Reports über Finanzinstrumente und deren Wertentwicklung wären jedoch noch er gänzend umzusetzen.

Banken und Sparkassen müssten für die Erfüllung dieser Informationspflichten sicherstellen, dass ihnen die relevanten Angaben zu den jeweiligen Finanzinstrumenten vorliegen und dass die Reports regelmäßig in den vorgesehenen Zeitabständen erstellt und an alle Kunden versandt werden. Die Datenerhebung und Reporterstellung müsste prozessual sehr sauber aufgesetzt werden, damit den Instituten durch fehlerhafte Reportings keine zusätzlichen Rechtsrisiken entstehen. Banken und Sparkassen könnten die Datenlieferung zu den Finanzinstrumenten und Reporterstellung möglicherweise auslagern und durch die Emittenten oder externe Dienstleister auf Basis von detaillierten Service Level Agreements durchführen lassen.

Verbot oder Einschränkung von Execution-Only-Orders

Die Wertpapierdienstleistungserbringung im Rahmen des Execution-Only könnte sich durch MiFID II maßgeblich ändern. In der einen vorgeschlagenen Variante würde die Definition der als nicht-komplex geltenden Finanzinstrumente angepasst werden und dazu führen, dass Finanzinstrumente wie Wandelanleihen und Asset Backed Securities nicht mehr als "nicht-komplex" eingestuft und damit nicht mehr im Rahmen von "Execution-Only"-Orders gehandelt werden dürfen. Zudem könnten Execution-Only-Orders nicht mehr ausgeführt werden dürfen, wenn die entsprechenden Wertpapiere über Kredite finanziert wurden. Die zweite vorgeschlagene Variante würde das Verbot aller Execution-Only-Geschäften bedeuten.

Soweit eine dieser Regelungen in Kraft treten würde, wären die entsprechenden Kundenorders zukünftig im Rahmen des beratungsfreien Geschäfts auszuführen und einem Angemessenheitstest zu unterziehen. Von den Execution-Only-Kunden wären zunächst die notwendigen Kenntnisse zu erheben. Außerdem wäre systemseitig durch geeignete Sperren und Prüfroutinen sicherzustellen, dass Kunden Execu-tion-Only-Orders nur noch im eingeschränkten Umfang oder gar nicht mehr abwickeln können. Die neue Regelung würde einmalig zu einem hohen Datenerhebungs- und Dokumentationsaufwand führen und eine Anpassung der Handelssysteme und Prüfroutinen im Rahmen der Orderabwicklung erfordern.

Aufzeichnungspflicht von elektronischen und telefonischen Orders

Telefonisch und elektronisch übermittelte Orders könnten zukünftig auch gesonderten Aufzeichnungspflichten unterliegen. Für Banken und Sparkassen würde die Aufzeichnungspflicht vor allem eine finanzielle Investition darstellen, da für die Aufzeichnung und Aufbewahrung eine technische Lösung gefunden werden müsste.

Neben den verschärften Anforderungen an die Institute sieht der Entwurf der Kommission auch ein Eingriffsrecht der Aufsicht vor. Die nationale und europäische Aufsicht soll die Vermarktung, den Vertrieb oder Verkauf bestimmter Finanzinstrumente mit bestimmten Merkmalen oder in einer Form der Finanztätigkeit oder -praxis verbieten oder beschränken können. Banken und Sparkassen müssten bei der Produktauswahl vorsichtig vorgehen und berücksichtigen, dass eine Rückabwicklung von risikobehafteten Produkten notwendig werden könnte. Eine Rückabwicklung würde neben Kosten möglicherweise einen Reputationsschaden bei den Instituten erzeugen.

Konsultationsphase nutzen

Das sich wandelnde aufsichtsrechtliche Umfeld stellt Banken und Sparkassen vor Herausforderungen. In den vergangenen Jahren hatten die deutschen Institute bereits eine Vielzahl an aufsichtsrechtlichen Anforderungen im Bereich der Wertpapierdienstleistungserbringung umzusetzen. MiFID II enthält viele Vorschläge, die die Prozesse im Rahmen der Wertpapierdienstleistungserbringung der Banken und Sparkassen erneut maßgeblich betreffen und verändern könnten.

Es ist davon auszugehen, dass mit MiFID II hohe einmalige Umsetzungskosten entstehen und die neuen laufenden Prüfungs-, Informations- und Dokumentationsanforderungen zudem die Kosten der laufenden Dienstleistungserbringung noch deutlich erhöhen werden. Das mögliche Verbot von Zuwendungen würde außerdem die Erträge der Institute verändern.

Die Anforderungen aus MiFID II werden nach einer Konsultationsphase voraussichtlich 2015 in Kraft treten. Die Konsultationsphase sollte von Banken und Sparkassen dringend genutzt werden, die

Auswirkungen der einzelnen möglichen Änderungen zu analysieren und sich strategisch für MiFID II aufzustellen. Sie sollten sich dabei so organisieren, dass eine Umsetzung der Anforderungen bei Inkrafttreten zeitnah sichergestellt werden kann. Zudem sollten die Institute abwägen und entscheiden, ob alle Dienstleistungen auch nach den verschärften Anforderungen von MiFID II noch rentabel und geschäftspolitisch sinnvoll erbracht werden können.

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