Regulierung

MiFID aus Sicht des Verbraucherschutzes: Defizite bei nationaler Umsetzung

Die europäische Finanzmarktrichtlinie ist ein wichtiger Baustein eines stärkeren Anlegerschutzes, von dem ein wichtiger Impuls zur Stärkung des Anlegervertrauens in die Finanzmärkte ausgehen kann. Verbesserungen des Anlegerschutzes finden sich beispielsweise in der Vorschrift zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen, in den detaillierten Wohlverhaltensvorschriften der Anlageberatung und -vermittlung, in der Zulassungs- und Registrierungspflicht von Vermittlern und den Regelungen zur Provisionszahlung und deren Offenlegung.

Ob dieser Impuls für einen stärkeren Anlegerschutz erfolgt, dies wird von der nationalen Umsetzung abhängen. Immerhin die europäischen Vorgaben sind klar.

Wohlverhaltenspflichten in der Anlageberatung und -vermittlung

Der Grundsatz der bestmöglichen Ausführung bedeutet, dass Banken und Finanzvermittler gewährleisten müssen, dass Kundenaufträge zu den kostengünstigsten Konditionen ausgeführt werden. Das geltende Recht sieht bislang lediglich eine Pflicht vor, Wertpapierdienstleistungen im Interesse des Kunden zu erbringen.

Die Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Anlageberatung werden deutlich detaillierter als bislang geregelt. Die Richtlinie sieht künftig eine Pflicht zur Prüfung der Geeignetheit und Angemessenheit der empfohlenen Finanzinstrumente bezogen auf den Anleger vor. Damit soll sichergestellt werden, dass Banken und Finanzvermittler Kunden keine Geschäfte empfehlen, die den Kundeninteressen entgegenlaufen.

So sind Banken und Finanzvermittler künftig im Rahmen der Anlageberatung und -vermittlung verpflichtet, Informationen über die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden für den spezifischen Produkttyp einzuholen. Ferner sind Informationen über die finanziellen Verhältnisse, Verpflichtungen und Anlageziele des Kunden zu erfragen. Die im Einzelnen abzufragenden Informationen sind dabei zu dokumentieren.

Auf Grundlage dieser Informationen ist eine entsprechende Angemessenheitsprüfung durchzuführen. Diese muss zeigen, dass das empfohlene Finanzinstrument den Anlagezielen des Kunden entspricht, dieser vor dem Hintergrund seiner Kenntnisse die einhergehenden Risiken verstehen kann und die Risiken unter Berücksichtigung seiner Anlageziele tragen kann. Die Richtigkeit der Angemessenheitsprüfung unterliegt dabei der Kontrolle der BaFin. Ähnliche Verhaltenspflichten finden sich zwar bereits im nationalen Recht - allerdings in keinem derart ausdifferenzierten System. Die neuen europäischen Regeln werden daher die Sorgfalt in der Anlageberatung und -vermittlung steigern.

Registrierungspflicht der Vermittler

Gleichermaßen wird das Anlegervertrauen künftig dadurch gestärkt werden, dass sowohl ungebundene als auch gebundene Vermittler der Registrierungspflicht unterliegen. Die Registrierung setzt einen Nachweis der fachlichen Eignung und guten Beleumundung voraus. Ungebundene Vermittler müssen zusätzlich eine Berufshaftpflichtversicherung nachweisen - alternativ ein bestimmtes Eigenkapital. Bei den gebundenen Vermittlern haftet die Wertpapierfirma für Schadensersatzansprüche, die beispielsweise in Folge einer Falschberatung entstehen können.

Die fachliche Eignung und gute Beleumundung ist dabei sicherlich nicht als Garant, jedoch als eine Grundvoraussetzung für eine seriöse und fundierte Empfehlung einzustufen. Die Pflicht zur Absicherung von Beratungsfehlern durch eine entsprechende Berufshaftpflichtversicherung wird zum einen den Druck auf die Beratungsqualität erhöhen, zum anderen geschädigten Anlegern eine bessere Chance auf Kompensation von Schäden, die auf Beratungsfehler zurückzuführen sind, in Aussicht stellen.

Paradigmenwechsel bei Provisionszahlungen

Schließlich ist aus Anlegerschutzperspektive die weitgehende Untersagung der Annahme oder Zahlung von Provisionen zu begrüßen. Nur bei Offenlegung und beim Nachweis, dass Provisionen in Verbindung mit einer Verbesserung der Dienstleistungsqualität fließen, werden Provisionszahlungen künftig überhaupt noch zulässig sein.

Dieser Paradigmenwechsel bei Provisionszahlungen könnte letztlich auch das Modell der Honorarberatung stärken - der Kunde zahlt also für die Beratung an sich und wird nicht aufgrund der Provisionsinteressen der Berater zu bestimmten Produkten gelenkt.

Nationale Umsetzung konterkariert Impulse für den Anlegerschutz

So positiv also die Vorgaben der MiFID sind - so ist doch zu befürchten, dass die Stärkung des Anlegerschutzes und damit des Finanzplatzes Deutschland ausbleiben: Zu sehr weichen die bislang bekannten Pläne zur Umsetzung in nationales Recht von der europäische Vorlage ab.

1. So will das zuständige Finanzministerium Anteile an geschlossenen Fonds nicht als Wertpapiere einstufen. Hintergrund ist offenbar der politische Druck der Anbieter geschlossener Fonds. Die Konsequenzen wären weitreichend. Der Verkauf geschlossener Fonds, die hinsichtlich ihrer spezifischen Risiken und Einschränkungen oft besonders erklärungsbedürftig sind, würde so auch weiterhin keinen Verhaltenspflichten bei der Vermittlung unterliegen. Wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, bliebe es damit weiterhin bei einer großen Zahl fehlgeleiteter Anlageempfehlungen. Nach Einschätzung verschiedener Experten widerspricht dies eindeutig der Richtlinie.

Außerdem würde durch den Nicht-Einbezug die Chance verpasst, dieses Finanzinstrument stärker zu regulieren, den Markt besser vor unseriösen Initiatoren zu schützen und so das Vertrauen in das Anlageinstrument zu verbessern. Es ist erstaunlich, dass sich gerade die Anbieter geschlossener Fonds vehement gegen die Einstufung als Wertpapier und damit einer angemessenen Kontrolle durch die Finanzaufsicht wehren. Initiatoren seriöser Finanzprodukte hätten dies eigentlich als Chance auffassen müssen.

Ausnahme für ungebundenen Finanzvermittler

2. Eine ähnliche Konterkarierung der Ziele der Finanzmarktrichtlinie droht durch die beabsichtigte nationale Nutzung einer Ausnahmeoption für ungebundene Fondsvermittler. Obwohl die Richtlinie zur Stärkung des Anlegerschutzes auf detaillierte Wohlverhaltensregelungen in der Anlageberatung und -vermittlung abstellt - und damit unterstreicht, dass die Anlageberatung nur unter bestimmten Voraussetzungen angemessen funktionieren kann -, sollen gemäß der nationalen Umsetzung reine Fondsvermittler nicht unter diese Anforderungen fallen. Das hieße, dass weder die Registrierung und die damit verbundene Sachkunde, gute Beleumundung und Berufshaftpflichtversicherung noch die Pflicht zur Eignungs- und Angemessenheitsprüfung bei der Beratung in diesem Vertriebsweg greifen würden. Für die Frage der Qualität der erbrachten Anlageberatung und -vermittlung sollten jedoch die Anlegerschutzbestimmungen völlig unabhängig vom jeweiligen Vertriebsweg erforderlich sein - sie sollten also auch für reine Fondsvermittler gelten.

Beweisverteilung zu Lasten geschädigter Anleger

Trotz künftig konkreterer Wohlverhaltenspflichten in der Anlageberatung und -vermittlung bleibt problematisch, dass diese Regelungen vornehmlich aufsichtsrechtlicher Natur sind: Nur die Finanzaufsicht kontrolliert, ob die Anbieter ihre Pflicht einhalten, die Angemessenheit der Anlageempfehlung zu prüfen. Nur die Finanzaufsicht erlangt hierüber Erkenntnisse.

Dem geschädigten Anleger ist hiermit jedoch kaum geholfen: Er muss im Falle eines Schadens auch weiterhin die mangelnde Angemessenheit der Anlageempfehlung beweisen. Häufig haben Anleger jedoch Schwierigkeiten, diese Beweise zu erbringen. So ist beispielsweise der Beweis, auf Risiken eines Finanzinstruments nicht hingewiesen worden zu sein, in der Regel nur schwer zu führen. In der Konsequenz verlieren falsch beratene Anleger häufig Schadensersatzprozesse.

Diese Beweislastverteilung zugunsten des Vermittlers und zulasten des Anlegers ist vor dem Hintergrund der Prüfungen der Finanzaufsicht nicht nachvollziehbar. Es stellt sich die Frage, warum die Darlegungspflicht der Geeignetheit und Angemessenheit nur gegenüber der Finanzaufsicht besteht, nicht jedoch gegenüber den Gerichten. In diesem Sinne sollte die Beweisverteilung überdacht werden. Es erscheint angemessen, den geschädigten Anleger den Nachweis über den Schaden und die Falschberatung erbringen zu lassen. Dem Anlageberater und -vermittler sollte jedoch die Beweislast für die Geeignetheit und Angemessenheit seiner Empfehlung zukommen. Alternativ sollte die seitens der Wertpapierhäuser gegenüber der Finanzaufsicht zu leistende Dokumentation und Darlegung der Eignungs- und Angemessenheitsbelege auch im Zivilprozess Bestand haben.

Zu kurze Verjährungsvorschriften

Schließlich bestand im Rahmen der nationalen Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie die Erwartung, die Verjährungsvorschriften für Beratungsfehler in der Anlageberatung und -vermittlung denen des allgemeinen Zivilrechts anzupassen. Denn nur im Bereich des Kapitalmarktes gelten besonders kurze Verjährungsfristen von nur drei Jahren. Diese beginnen zudem nicht ab Kenntnis des Schadens oder der Falschberatung zu laufen, sondern bereits ab Kauf des Finanzinstruments. Die Erfahrungen aus der Verbraucherberatung und der Rechtsprechung zeigen, dass diese Verjährungsfristen zu kurz sind, da es sich häufig um Anlageempfehlungen mit einem langfristigen Anlagehorizont handelt.

Ausnahmeregelungen streichen

All diese Defizite sind dem Bundesfinanzministerium seit langem bekannt. Deshalb wollte das Ministerium mit dem Referentenentwurf des Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes vom 7. Oktober 2004 unter anderem die zu kurzen Fristen in der Anlageberatung an die allgemeinen Verjährungsregeln für Schadensersatzansprüche anpassen. Leider ist der Entwurf seinerzeit auf Eis gelegt worden. Die Umsetzung der MiFID sollte jetzt genutzt werden, auch die Verjährungsfristen in der Anlageberatung an die allgemeine zivilrechtliche Verjährung anzupassen.

Wie sich die zahlreichen positiven Ansätze der Finanzmarktrichtlinie auf den Anlegerschutz auswirken und hierüber das Vertrauen des Verbrauchers in einen funktionierenden Finanzmarkt stärken, hängt wesentlich von der konkreten nationalen Umsetzung ab. Das Ziel eines besseren Anlegerschutzes wird in der derzeitigen Fassung des Gesetzentwurfes konterkariert. Von den beabsichtigten Ausnahmeregelungen sollte deshalb Abstand genommen werden. Nur wenn alle Wohlverhaltensregeln unabhängig von Vertriebsweg und unabhängig von der Art des Finanzinstrumentes gelten, kann die Richtlinie die erhofften Impulse für mehr Vertrauen in die Finanzmärkte geben und die Motivation für eigenverantwortliche Vorsorge und Kapitalaufbau stärken.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X