bank und markt aktuell

Bankenaufsicht stärken - EZB-Aufsicht ist ein Irrweg

Vier Jahre nach dem Konkurs von Lehman-Brothers diskutieren die europäischen Regierungen über eine verschärfte Bankenaufsicht. Hat Europa vier Jahre geschlafen? Was ist passiert? Auf dem EU-Gipfeltreffen Ende Juni 2012 stand die Frage im Raum, ob insbesondere die spanischen Banken direkten Zugang zum europäischen Rettungsfonds EFSF/ESM erhalten sollen.

Damit würden Stützungsgelder ohne Sparauflagen für die betroffenen Staaten direkt an insolvenzgefährdete Banken fließen. Viele europäische Länder halten das für notwendig. Und die deutsche Bundeskanzlerin wollte genau das verhindern. Stattdessen will sie gemäß dem von ihr in Europa durchgesetzten Fiskalpakt einen massiven Spar- beziehungsweise Kürzungszwang zementieren.

Mit ihrer Position geriet die Bundeskanzlerin aber in die Defensive. Deshalb formulierte sie Bedingungen: Die Aufsicht über europäische Banken soll der EZB übertragen werden! Die EU-Kommission legte innerhalb kürzester Zeit einen Entwurf vor: Ab 1. Januar 2013 soll die Bankenaufsicht von der EZB übernommen werden. Zunächst sollen die systemrelevanten Institute, dann ab 1. Januar 2014 alle 6 000 europäischen Kreditinstitute von ihr überwacht werden.

Keine politische Kontrolle über die Aufsicht

Die Bundesregierung lehnt diesen von ihr angestoßenen Entwurf jedoch ab. Aber der aus der Flasche gelassene Geist ist nicht wieder einzufangen. Auf dem EU-Gipfeltreffen am 19. Oktober 2012 einigte man sich lediglich auf einen neuen Zeitplan: Bis Ende dieses Jahres sollen die rechtlichen Rahmenbedingungen zunächst geklärt werden. Die Bundesregierung setzt darauf, dass die komplexen Fragen der Bankenaufsicht durch die EZB viel länger zur Klärung brauchen.

Es ist ganz offensichtlich, dass die Merkel-Forderung nach einer EZB-Bankenaufsicht ein taktisches Manöver ist. Direkte und auflagefreie ESM-Hilfspakete an insolvenzgefährdete Banken sollen verhindert werden. Mit immer neuen Hürden soll zumindestens diese Einführung verschoben werden. Was bedeutet dieser Plan für Europa? Das Statut der EZB regelt ihre Unabhängigkeit von politischen Institutionen. Mit der Übertragung der kompletten Bankenaufsicht auf die EZB ginge die politische Kontrolle über die Aufsicht verloren. Die EZB würde in ihrer Unabhängigkeit zum Beispiel darüber entscheiden, ob ein Institut geschlossen und abgewickelt wird oder nicht. Die Regierungen hätten hier keine Entscheidungsbefugnis mehr.

Eventuell erforderliche politische Einwirkungen auf die Bankenaufsicht der EZB wären unmöglich. Eine politische Kontrolle ist aber zwingend erforderlich, um sie letztlich einer demokratischen Kontrolle unterordnen zu können.

Aufspaltung der Aufsicht in Europa

Eine Bankenaufsicht durch die EZB führt auch zu einer Aufspaltung der Aufsicht in Europa.

Die EZB ist ausschließlich für die 17 Euro-Länder zuständig. Eine starke Bankenaufsicht für die gesamte aus 27 Staaten bestehende EU ist aber erforderlich.

Zu dieser geografischen Aufspaltung kommt noch eine fachliche Spaltung hinzu. Die EZB könnte ausschließlich die Aufsicht über die Banken übernehmen, nicht aber über die anderen Akteure der Finanzmärkte wie Versicherungen, Börsen oder Hedgefonds. Eine solche fachliche Spaltung führt aber zu einer Schwächung der notwendigen integrierten Finanzmarktaufsicht.

Europäische Bankenaufsicht existiert bereits

Zudem ist die EZB personell hoffnungslos unterbesetzt, um 6 000 Banken streng zu überwachen. Verschärfend kommt hinzu, dass mit diesem Plan die bestehende Kompetenz der nationalen Aufsichtsbehörden genauso außer Acht gelassen wird wie die Tatsache, dass bereits eine europäische Bankenaufsicht existiert! Schließlich hat die EU erst letztes Jahr eine neue Behörde geschaffen mit dem Ziel, die Bankenaufsicht in Europa zu verschärfen. Die European Banking Authority (EBA) mit Sitz in London hat ihre Arbeit am 1. Januar 2011 aufgenommen und bereits durch mehrere Stresstests von sich reden gemacht.

Zudem sind weitere europäische Aufsichtsbehörden seit Januar 2011 ins Leben gerufen worden: die EIOPA mit Sitz in Frankfurt überwacht die europäischen Versicherungen und die ESMA mit Sitz in Paris überwacht die europäischen Wertpapiermärkte. Diese neuen Aufsichtsbehörden sind zwar bisher noch schwach, weil sie personell zu dünn ausgestattet und die Kompetenzen in Zusammenarbeit mit den nationalen Aufsichtsbehörden unzureichend geregelt sind. Aber mit der aktuellen Forderung Angela Merkels, so zu tun, als ob es noch gar keine europäische Bankenaufsicht gibt, ist äußerst verwunderlich.

Überhaupt nicht nachvollziehbar ist, dass die Bundesregierung ihr im Koalitionsvertrag enthaltenes Ziel, die nationale Bankenaufsicht komplett der Bundesbank zu übertragen und damit die integrierte Finanzmarktaufsicht der BaFin zu zerschlagen, inzwischen aufgegeben hat, aber genau diesen Vorschlag nun für Europa fordert. Der Plan, die Bankenaufsicht der EZB zu übertragen, hat massive Nachteile:

Die fehlende politische und demokratische Kontrolle,

die fehlende Einheitlichkeit für das gesamte Europa,

die fehlende Aufsicht über die integrierten Finanzmärkte

sowie die Missachtung der bereits gebildeten europäischen und nationalen Aufsichtsbehörden

führen zu einer Schwächung der Aufsicht. Dies ist ganz im Sinne der global agierenden Großbanken, von denen man auch keinen Protest hört. Schlagkräftige europäische Finanzaufsicht sieht anders aus.

Aufsichtsbehörden besser verzahnen

Zur Stärkung der europäischen Bankenaufsicht sind folgende Aspekte erforderlich:

Die europäische Banken- und Finanzaufsicht muss einer politischen und demokratischen Kontrolle unterliegen. Deshalb sind EBA, EIOPA und ESMA mit Personal und Kompetenzen auszubauen.

Dabei sind die nationalen Aufsichtsbehörden mit den europäischen Aufsichtsbehörden so zu verzahnen, dass ein sinnvolles und effizientes Stufensystem organisiert wird. Die national tätigen Institute sollten von den nationalen Aufsichtsbehörden überwacht werden, die stark international engagierten Institute von der EBA beziehungsweise EIOPA, die ihrerseits stärker miteinander verzahnt werden müssen.

Die Übertragung bestimmter konkret definierter Überwachungsarbeiten durch die EZB kann dabei sinnvoll sein. Dies kann aber nur im Auftrag der EBA und in engem Informationsaustausch mit ihr erfolgen. Ein solches duales Aufsichtssystem - wie es in Deutschland seit Jahrzehnten praktiziert wird - ist sehr nützlich.

Ein kritischer Erfolgsfaktor für eine schlagkräftige Aufsicht ist die ausreichende Personalstärke. In der EBA herrscht dramatischer Personalmangel, der mit einem deutlichen Personalaufbau abgestellt werden muss. Es müssen dringend entsprechende Stellen geschaffen werden.

Bankenabgabe ist eine Mogelpackung

Die Bankenaufsicht durch die EZB soll nur ein Teil einer neu zu schaffenden europäischen Bankenunion sein. Die EU-Kommission will zusätzlich ein einheitliches europäisches Einlagensicherungssystem sowie einen gemeinsamen Fonds zur Abwicklung von insolvenzgefährdeten Banken schaffen. Der Grundgedanke für diese Überlegungen resultiert aus der Zielsetzung, den Teufelskreis von Bankenrettung und Staatsverschuldung zu durchbrechen, das heißt die Schuldenquote nicht wieder durch Bankenrettungen zu erhöhen.

So sehr dieses Ziel richtig ist, so bedenklich sind die geplanten Maßnahmen eines einheitlichen Systems. In Deutschland haben wir bewährte Einlagensicherungssysteme. So garantieren zum Beispiel die Sparkassen und Genossenschaftsbanken untereinander, dass eine Insolvenz in ihrem Bereich durch den jeweiligen Verbund abgewendet wird. Diese Insolvenzsicherung ist auch der weitestgehende Einlagenschutz für Sparer. Eine europäische Regulierung der Einlagensicherung darf nicht dazu führen, dass solche bewährten Systeme zerstört werden, sondern sollte eine Differenzierung und Vielfalt anerkennen.

Besonders kompliziert wird es mit dem geplanten europäischen Fonds zur Abwicklung insolvenzgefährdeter Banken. Mit einem solchen Fonds wird man das Problem des "too big to fail" überhaupt nicht lösen können. Die aktuelle Finanzmarktkrise hat dem Steuerzahler allein in Deutschland schon mehr als 300 Milliarden Euro gekostet. In Deutschland gibt es die Bankenabgabe für einen solchen Abwicklungsfonds bereits. Im vergangenen Jahr ist dadurch gerade einmal eine halbe Milliarde Euro zusammen gekommen. Es braucht eine Ewigkeit, bis der Fonds eine angemessene Ausstattung zur Bewältigung einer solchen Finanzmarktkrise erreicht hat.

Die Bankenabgabe für einen Abwicklungsfonds ist demnach eine Mogelpackung. Es führt kein Weg daran vorbei, das Problem des "too big to fail" durch geeignete gesellschafts- und kartellrechtliche Strukturmaßnahmen anzupacken, wenn man den Steuerzahler tatsächlich vor neuen Rettungskosten schützen will.

Krisenlösung erfordert Alternativen zu dieser europäischen Bankenunion

Insgesamt betrachtet führt der Plan einer Bankenaufsicht durch die EZB zu einer Schwächung statt Stärkung der Aufsicht in Europa, und zudem wird die Bankenunion in ihrer spezifisch angedachten Form die Krise nicht lösen können. Die Bundesregierung und die EU-Kommission befinden sich auf einem Irrweg. Sie taumeln von Gipfel zu Gipfel und haben letztlich kein krisentaugliches Konzept. Die EU-Gipfel-Lösungen entpuppen sich immer wieder als Stückwerk, geboren aus der Überzeugung, dass primär gespart beziehungsweise gekürzt werden muss und die Finanzmärkte nur zu beruhigen statt zu bändigen sind.

Genau das aber schafft immer neue Instabilitäten und deutliche Wachstumseinbrüche - das genaue Gegenteil von Aufschwung und Konsolidierung. Die Eurozone ist inzwischen in die Rezession gerutscht. Auch die deutsche Volkswirtschaft wird davon negativ getroffen. Krisenlösungen sehen ganz anders aus. So brauchen wir eine völlig neue Finanzmarktarchitektur mit vor allem einer Trennung des rein spekulativen Bankgeschäftes vom realen, der Wirtschaft dienenden Bankgeschäfte, einem Finanz-TÜV, der diese Trennung begutachtet und durchsetzt.

Ganz besonders wichtig ist eine Regulierung und Aufsicht über wirklich alle Finanzmarktakteure, insbesondere der sogenannten Schattenbanken (wie Hedgefonds). In diesem Sektor bauen sich schon wieder enorme Risiken auf.

Erforderlich ist auch eine Entkoppelung der Staatsfinanzierung von den Geschäftsbanken in Verbindung mit einer echten europäischen Wirtschaftsregierung für eine konjunkturgerechte Wirtschafts- und Fiskalpolitik sowie eine Demokratisierung der EU-Institutionen.

Darüber hinaus ist ein gewaltiges europäisches Investitionsprogramm erforderlich, finanziert durch eine gerechte Steuerpolitik, das heißt insbesondere der (Wieder-)Einführung der Vermögenssteuer und Finanztransaktionssteuer. Davon sind wir mit der Politik der Bundesregierung aber weit entfernt.

Klar ist, dass es keine Lösung gewissermaßen über Nacht geben wird. Ein einziger Befreiungsschlag ist gegen diese Krise unmöglich. Aber mit dem konzeptionslosen Durchwursteln von Gipfel zu Gipfel wird die Krise auch nicht behoben, eher verschärft. Wir brauchen stattdessen eine klare problemlösende Konzeption.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X