Kredite im Retail

Bonitätsinformationen von Auskunfteien: Mit der zweiten prüft man besser

Im Rahmen einer Kreditvergabe an Konsumenten nutzen insbesondere Finanzdienstleister unter anderem externe Auskunftei-Informationen zur Bewertung des Zahlungsausfallrisikos. Dazu haben sich verschiedene Verfahren etabliert, bei denen negative Zahlungserfahrungen (sogenannte Negativmerkmale) Risikoindikatoren darstellen. Auskunfteien sammeln, verarbeiten und beauskunften in Echtzeit Zahlungserfahrungen, die bei der Risikobewertung von hoher Bedeutung sind.

Für Unternehmen der kreditgebenden Wirtschaft, speziell Finanzdienstleister, stellt sich kontinuierlich die Frage nach der Auswahl der am besten geeigneten Datenquellen. Zu diesem Zweck führte die Deutsche Multiauskunftei GmbH ein umfangreiches Auskunftei-Benchmarking durch. Die Fallstudie stellt die Analyseergebnisse vor, liefert Erklärungsansätze und verdeutlicht das Optimierungspotential, welches Unternehmen durch eine geeignet gewählte Auskunftei-Kombination erschließen können.*) Eine zentrale Erkenntnis des Benchmarking ist, dass keine der marktführenden Auskunfteien im Besitz aller verfügbaren Negativmerkmale ist und dass es signifikante Anteile an "exklusiven Merkmalen" gibt (das heißt Merkmale aus außergerichtlichen und gerichtlichen Mahnverfahren, welche jeweils nur von einer Auskunftei beauskunftet wurden). Damit sind "Schlechtzahler" nicht zwangsläufig bei allen Auskunfteien bekannt, sodass eine geeignete Kombination mehrerer Auskunfteien die Bewertung des Zahlungsausfallrisikos verbessert (siehe Abbildung 1). Neben der Qualität der Auskünfte variieren

auch der Preis je Auskunftei-Anfrage sowie die Schnittstellen zu den jeweiligen IT-Systemen. Hinzu kommt, dass die Datenbasis von Auskunfteien einer Dynamik unterliegt, die über einen längeren Zeitraum ebenfalls zur Veränderung der Ab deckung von Negativmerkmalen führt (beispielsweise aufgrund gesetzlicher Löschfristen). Für Unternehmen besteht daher kontinuierlich die Herausforderung, die für sie geeignete(n) Auskunftei(en) zu identifizieren und Informationen optimal in Risikobewertungsprozesse zu integrieren.

Eine besondere Schwierigkeit beim Vergleich von Auskunftei-Informationen verschiedener Anbieter stellen die unterschiedlichen Codierungen von Auskünften dar. Die Marktteilnehmer beauskunften insgesamt über 350 alphanumerische Codierungen für Negativmerkmale oder sonstige Auskünfte. Aufgrund syntaktischer und semantischer Unterschiede in der Auskunftserteilung ist daher eine Anbieterübergreifende Vergleichsbasis als Grundlage für ein Auskunftei-Benchmarking zwingend notwendig. Die Deutsche Multiauskunftei hat hierzu eine "Master-Skala" für Auskunftei-Informationen entwickelt. Beispielsweise werden Auskunftei-individuelle Codierungen für das Negativmerkmal "Eröffnung Insolvenzverfahren" ("IBE", "11", "600", und "IE") einer von insgesamt sieben Kategorien der Master-Skala zugeordnet und damit vereinheitlicht.

Das durchgeführte Auskunftei-Benchmarking basiert auf einer Stichprobe mit 20 186 Vorgängen zu Endkunden eines Finanzdienstleisters (Finanzierungsanfragen aus aktuellem, rund zweiwöchigem Zeitraum). Diese wurde in Echtzeit mit Auskunftei-Informationen der genannten Auskunfteien angereichert. Um Rückschlüsse auf individuelle Auskunfteien auszuschließen, sind einzelne Kategorien der Master-Skala ausgeblendet beziehungsweise aggregiert dargestellt: Beispielsweise erfolgt kein expliziter Ausweis von außergerichtlichen und sogenannten erledigten Negativmerkmalen oder Meldungen unter Vorbehalt. Abbildung 2 zeigt den Anteil an Vorgängen der Stichprobe, zu denen die betrachteten Auskunfteien Negativmerkmale aus außergerichtlichen und gerichtlichen Mahnverfahren beauskunftet haben. Dabei ist dieser Anteil sowohl Anbieter-übergreifend ausgewiesen (Balken links: Vorgänge, zu denen mehrere Anbieter Negativmerkmale beauskunftet haben, wurden nur einmal gezählt) als auch Anbieter-spezifisch (Balken rechts).

Kombination von Auskunfteien erhöht Abdeckung von Negativmerkmalen

Es fällt auf, dass unter Berücksichtigung aller Anbieter eine Negativ-Quote von 13,3 Prozent bei den rund 20 000 Vorgängen zu verzeichnen ist, eine einzelne Auskunftei jedoch lediglich eine Negativ-Quote zwischen 4,7 Prozent und 6,9 Prozent aufweist. Die zu beobachtenden Unterschiede in der Abdeckung von Negativmerkmalen zwischen den Marktteilnehmern werfen die Frage auf, welche Kombination von zwei oder mehreren Anbietern einen möglichst hohen Abdeckungsgrad bietet.

Zur Beantwortung dieser Frage wurde wie folgt vorgegangen: Alle Vorgänge, zu denen mindestens eine der betrachteten fünf Auskunfteien ein (oder mehrere) Negativmerkmal(e) beauskunftet hat, bilden die Bezugsbasis, das heißt 100 Prozent der Vorgänge mit potenziell verfügbaren Negativmerkmalen. Dadurch lässt sich für beliebige Auskunftei-Kombinationen ermitteln, wie hoch der Abdeckungsgrad relativ zur Gesamtmenge an Vorgängen mit Negativmerkmalen aller fünf Auskunfteien ist. Die Ergebnisse sind in Abbildung 3 dargestellt. Demnach deckt eine einzelne Auskunftei maximal zwischen rund 35 und rund 52 Prozent aller Vorgänge mit Negativmerkmalen ab. Durch eine geeignete Kombination von mehreren Auskunfteien kann der Abdeckungsgrad auf rund 75 Prozent bei zwei Auskunfteien und auf rund 89 Prozent bei drei Auskunfteien gesteigert werden.

Signifikante Unterschiede bei der Abdeckung amtlicher Registerdaten

Auskunfteien beziehen Informationen zum nicht-vertragskonformen Zahlungsverhalten unter anderem aus amt lichen Registern, also aus Schuldnerverzeichnissen von

Amts- und Insolvenzgerichten in Deutschland. Alle Marktteilnehmer im Auskunftei-Markt haben uneingeschränkt Zugriff auf diese Datenquellen. Dennoch sind Unterschiede im Abdeckungsgrad festzustellen (siehe Abbildung 4). Ausgehend von Auskunftei 3 (A3), welche die geringste Abdeckung an Negativmerkmalen aus amtlichen Registern aufweist, ist dargestellt, um welchen Prozentsatz die übrigen vier Auskunfteien den Abdeckungsgrad jeweils erhöhen. Es besteht ein Optimierungspotenzial von bis zu rund 30 Prozent!

Die den Analysen zugrunde liegende Master-Skala für Auskunftei-Informationen ermöglicht weiterführende spezifische

Auswertungen, zum Beispiel Überschneidungsanalysen für bestimmte Kategorien der Master-Skala zwischen jeweils zwei Auskunfteien. Dadurch lassen sich beispielsweise solche Vorgänge identifizieren, bei denen eine Auskunftei keine Negativmerkmale beauskunftet hat, während eine andere zum Beispiel Einträge aus Schuldnerverzeichnissen ausweist. Aus Platzgründen werden derartige Detailbetrachtungen an dieser Stelle nicht aufgeführt. Wir weisen jedoch darauf hin, dass signifikante Unterschiede bei den Auskünften der betrachteten Marktteilnehmer zu beobachten sind.

Nach unseren Erfahrungen sind Unterschiede in der Auskunfts-Erteilung insbesondere auf die folgenden Sachverhalte zurückzuführen:

1. Unterschiede in der Abdeckung von Datenquellen: Auskunfteien erfassen Informationen zum (nicht-vertragskonformen) Zahlungsverhalten von Konsumenten insbesondere aus den folgenden Datenquellen:

Amtsgerichte und Insolvenzgerichte (zirka 660 in Deutschland),

Inkassounternehmen (zirka 750 in Deutschland),

Auskunftei-Kunden, das heißt Unternehmen der kreditgebenden Wirtschaft.

Der Abdeckungsgrad dieser Datenquellen variiert zwischen den verschiedenen Auskunfteien aufgrund unterschiedlicher Kundenbeziehungen und strategischer Partnerschaften der Marktteilnehmer. Manche Auskunfteien beziehen Zahlungserfahrungen auch direkt von ihren Kunden, also von Unternehmen im Handel, der Telekommunikations- oder Bankenbranche sowie von konzern- internen Inkassogesellschaften ("exklusive" Zahlungserfahrungen Konzernzugehörigkeit der Marktteilnehmer).

2. Unterschiedliche Adressverkettungen: Etwa acht Millionen Menschen ziehen in Deutschland jedes Jahr um - Negativmerkmale ziehen allerdings nicht automatisch mit den Betroffenen in den jeweiligen Auskunftei-Datenbanken mit. So erhalten Auskunfteien die neue Anschrift von "Schlechtzahlern" häufig erst dann, wenn Adressermittlungen zum Beispiel im Rahmen von Mahnprozessen durchgeführt werden. Dabei ist zu beachten, dass Mahnvorgänge wiederum nur bei bestimmten Inkassounternehmen oder Auskunftei-Kunden stattfinden. Aufgrund der Unterschiede in der Abdeckung von Datenquellen ergeben sich unterschiedliche Informationsständein Bezug auf Umzugsadressen von Schuldnern.

3. Unterschiedliche Latenzzeiten bei der Datenverarbeitung: Zwischen dem Zeitpunkt der Entstehung eines Merkmals zum (nicht-vertragskonformen) Zahlungsverhalten und dem Zeitpunkt der Speicherung beziehungsweise Beauskunftung eines solchen, benötigen die Anbieter unterschiedliche Zeitspannen zur Datenverarbeitung. Dadurch resultieren Unterschiede in den Datenbeständen von Auskunfteien zum Zeitpunkt einer Auskunftei-Anfrage.

4. Unterschiedliche Search- & Match-Verfahren: Die folgenden Beispiele verdeutlichen die Herausforderung von Auskunfteien, angefragte Datensätze mit gespeicherten abzugleichen und zu entscheiden, ob eine Auskunftserteilung (zum Beispiel von Negativmerkmalen) trotz Abweichungen zwischen den Datensätzen vorgenommen werden kann. Dabei ist zu beachten, dass eine Abweichung zwischen einem angefragten Datensatz und dem zugehörigen, syntaktisch kor rekten Datensatz entweder unabsichtlich oder mutwillig zustandegekommen sein kann (zum Beispiel Tippfehler durch Endkunde bei der Dateneingabe via Internet-Formular versus Betrugsversuch, um Negativmerkmale bei Auskunfteien zu verschleiern). Unterschiede in den Auskünften sind somit auch auf den Grad der Fehlertoleranz bei den Auskunftei-individuellen Search- & Match-Verfahren zurückzuführen.

Gerade diese Unterschiede haben einen gewichtigen Einfluss auf die Qualität von Bonitätsauskünften. Denn Kunden, die falsch klassifiziert werden, verursachen aus Unternehmenssicht Kosten durch Forderungsausfälle oder Opportunitätskosten (Ablehnung guter Kunden). Zudem ist Folgendes zu beachten: Je höher die Fehlertoleranz der Verfahren desto größer ist das Risiko einer Personenverwechslung und damit einer negativen Außendarstellung des Unternehmens, welches seine Risikoentscheidungen auf fehlerhaften Auskunftei-Informationen basiert.

Güte von Auskunftei-Informationen verändert sich fortlaufend

Aus Unternehmenssicht gilt folgender Grundsatz: Je höher das Obligo gegenüber Endkunden, desto sinnvoller ist die Berücksichtigung mehrerer Auskunfteien bei der Bewertung des Zahlungsausfallrisikos (Multiauskunftei-Ansatz). Die Analysen zeigen, dass eine geeignet gewählte zweite Auskunftei die Abdeckung von Negativmerkmalen deutlich verbessern und somit einen Beitrag zur Reduzierung des Zahlungsausfallrisikos leisten kann. Unternehmen ist deshalb eine regelmäßige Durchführung von Auskunftei-Tests zu empfehlen. Denn die im Bundesdatenschutzgesetz vorgesehenen Löschfristen für Negativmerkmale sowie das Bestreben von Auskunfteien, ihre Datenquellen laufend zu erweitern und Scoring-Verfahren zu verbessern, führen zu einer kontinuierlichen Veränderung der Güte von Auskunftei-Informationen. Damit verändert sich das Kosten-/ Nutzenverhältnis der eingesetzten Auskunftei(en) fortlaufend. Mittelfristig sollten Unternehmen deshalb die Eignung der sich dynamisch ändernden externen Datenbestände durch kontinuierliches Monitoring prüfen und bei Veränderungen die Nutzung flexibel anpassen können.

Die Herausforderung bei der Durchführung von Auskunftei-Tests besteht in dem Vergleich einer Vielzahl von Auskunftei-individuellen Codierungen von Auskünften. Hierzu ist Expertenwissen erforderlich, denn die in der Praxis genutzten Aggregationsstufen für Negativmerkmale, zum Beispiel "hart/mittel/weich" weisen bei genauer Betrachtung unterschiedliche Merkmalszuordnungen seitens der Auskunfteien auf. Zudem sollte die Auskunftseinholung in Echtzeit durchgeführt werden (nicht im Batch-Verfahren), um ein reales Anfrage-Antwort-Verhalten zwischen Unternehmen und Auskunfteien abzubilden und so eine Übertragung der Testergebnisse auf den Regelbetrieb zu ermöglichen. Abbildung 5 gibt einen beispielhaften Überblick über die strukturierte Vorgehensweise bei der Optimierung der Nutzung von Auskunftei-Informationen im Kreditrisikomanagement. Ausgehend von einer umfassenden Analyse der Ausgangssituation und unter Berücksichtigung der relevanten Prozesse, KPIs und Zielsetzungen wird ein Auskunfte-Testszenario in einen kontinuierlichen Kontroll- und Steuerungszyklus integriert.

Anmerkungen

*) Bei der Analyse wurden folgende Top-5-Auskunfteien für B-to-C-Auskünfte in Deutschland berücksichtigt (in alphabetischer Reihenfolge): accumio finance services GmbH (SAF-Gruppe/Deutsche Telekom AG); Bürgel Wirtschaftsinformationen GmbH & Co. KG (Allianz Group und Otto Group); Creditreform Boniversum GmbH (ehemals: CEG Creditreform Consumer GmbH / Verband der Vereine Creditreform e.V .); infoscore Consumer Data GmbH (arvato infoscore GmbH/ Bertelsmann AG; Schufa Holding AG (Aktionäre sind unter anderem Banken und Handelsunternehmen.

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