Im Gespräch

"Brokerage ist und bleibt der Kern unseres Geschäfts"

Herr Carls, Ihr Haus hat erfolgreich den Wandel vom Broker zur breit aufgestellten Direktbank absolviert. Wie beschreiben Sie die heutige Comdirect Bank?

Die Comdirect ist heute eine moderne Direktbank mit besonderer Prägung: eine Direktbank mit persönlicher Beratung vor Ort. Unser Bankformat ist entscheidend davon bestimmt, dass Online-Brokerage und Onlinebanking im Zentrum der Geschäftstätigkeit stehen. Bei komplexeren Fragestellungen - beispielsweise zum Vermögensaufbau oder der Vorsorge - wünschen unsere Kunden auch schon einmal eine Beratung unter vier Augen. Diese Beratung bieten wir über unsere Tochter Comdirect Private Finance mit bundesweit rund 200 Beratern in 26 Geschäftsstellen vor Ort. In Kombination mit unserem Online-Kern ist dies unserer Ansicht nach das Bankmodell der Zukunft.

Mit welchen Wettbewerbern vergleichen Sie sich?

Im engeren Sinne sind das Direktbanken oder Broker. Da sprechen wir im Brokerage beispielsweise über Cortal Consors oder eine DAB Bank. Im Directbanking und bei Tagesgeldkonten vergleichen wir uns mit einer ING-Diba, der Postbank oder auch der Citibank.

Wie vertragen sich Beratung und Geschäftsstellen mit dem Direktbank-Prinzip?

Sie sind eine sehr sinnvolle Ergänzung und aus meiner Sicht der nächste logische Entwicklungsschritt. Das Online-Brokerage war in den neunziger Jahren eine erfolgreiche Neuerung im Bankgeschäft. Nun entspricht die Ausweitung dieses Modells auf Brokerage, Banking und Beratung der nächsten Fortschrittswelle.

Ihre Direktbank bietet Beratung an, die Filialbanken haben den Preiswettbewerb aufgenommen. Kann man sagen, dass sich die Konzepte immer ähnlicher werden? Wie erleben Sie diesen Wettbewerb?

Es herrscht tatsächlich ein intensiver Wettbewerb, denn viele Banken haben das attraktive Segment Retailbanking wieder entdeckt. Wir haben uns seit jeher auf den Retailkunden konzentriert. Unser Geschäftsmodell ist aber nicht darauf angelegt, an jeder Stelle und zu jeder Zeit der günstigste Anbieter zu sein. Günstig ist ja auch nicht immer gut - das gilt auch im Direktbanking. Wir möchten über die gesamte Stärke unseres Leistungsangebotes unbestritten der attraktivste Anbieter sein.

Nimmt der Kunde tatsächlich die Breite des Angebotes wahr? Oder begegnen Sie immer häufiger den Schnäppchenjägern?

Das ist ein häufig genutztes Argument der Wettbewerber gegen Direktbanken insgesamt und insbesondere auch die Comdirect. Dem entgegen steht die erfreuliche Entwicklung unseres Cross-Selling: Im Jahr 2004 haben rund 27 Prozent der Kunden mehr als ein Produkt aus unserem Haus in Anspruch genommen. Heute sind es bereits 41 Prozent. Fast 20 Prozent nutzen sogar inzwischen mehr als drei Produkte bei der Comdirect.

Das liegt an der steigenden Akzeptanz von Direktbanken, aber auch an der steigenden Zahl an attraktiven Produkten in unserem Angebot. Rund zwei Drittel unserer Giro-konto-Kunden betrachten uns als ihre Hausbank und nutzen beispielsweise das Girokonto für Gehaltseingänge oder für Überweisungen und Daueraufträge. Unser Service über die telefonische Kundenbetreuung und die Geschäftsstellen sind weitere gute Gründe für die steigende Akzeptanz unter unseren Kunden - unser Service ist mindestens so gut wie der vieler klassischer Banken, oft sogar besser.

Nicht jede Direktbank war mit dem Konzept ihrer Geschäftsstellen bisher erfolgreich. Was machen Sie besser als die anderen?

Zunächst war eine Kundenbefragung für uns die Basis, das Modell einzuführen. Heraus kam, dass gut die Hälfte unserer Kunden eine persönliche Beratung wünscht.

Darüber hinaus fahren wir kein aggressives Wachstum, sondern expandieren moderat. Ein schnelles Hochfahren des Geschäftes in der Hinsicht, dass wir in zwölf oder 18 Monaten 2 000 oder 3 000 Berater bräuchten, ist uns fremd. Da stellen wir Qualität vor quantitative Expansion. Das Geschäft wird genau in dem Maße ausgebaut, wie die Kunden es nutzen. Und in Verbindung mit gezielten Investitionen in eine einheitliche Unternehmenskultur und einer erstklassigen Ausbildung der Mitarbeiter ist das der richtige Weg.

Wie viele Geschäftsstellen brauchen Sie?

Auf Sicht werden es bundesweit zwischen 30 und 40 Geschäftsstellen sein. Ihre Kunden kommen hauptsächlich aus den deutschen

Ballungszentren. Warum eigentlich? Man könnte doch meinen, dass im ländlichen Raum, wo die Auswahl an Banken vor Ort nicht so groß ist, Ihr Angebot noch stärker wahrgenommen wird.

Das hat etwas mit der Entwicklung der Internetpenetration und -nutzung zu tun. Diese war in den Anfangsjahren eben in den Ballungszentren ganz besonders stark. Die Verteilung in der Fläche nimmt aber zu. Das Internet ist ja auch ein Medium, mit dem Strecken überwunden werden.

Ist ihr Erfolg im ländlichen Raum - zumindest beim Girokonto - nicht auch eine Frage der Bargeldversorgung? Dort ist die Dichte der Cash-Group-Automaten doch eher gering.

Die Bargeldversorgung ist nicht die Hauptursache für unseren Erfolg, sondern vielmehr die Möglichkeit Transaktionen komfortabel und kostenlos von zu Hause aus vornehmen zu können - und das an sieben Tagen rund um die Uhr. Darüber hinaus sehen wir einen weiteren Vorteil darin, dass wir unseren Kunden die Automaten der Cash Group anbieten können und stellen fest, dass die Flächenabdeckung mit den rund 7 000 Automaten zur kostenlosen Bargeldverfügung sehr gut ist.

Ihre Wettbewerber setzen in der Bargeldversorgung zunehmend auf Kreditkarten und bieten das kostenlose Abheben von Bargeld an allen Automaten weltweit an. Denken Sie darüber auch nach?

Seit November bieten wir unseren Kunden eine kostenlose Bargeldverfügung mit der Visa-Karte im Ausland an über 900 000 Geldautomaten weltweit. Welchen Stellenwert hat die Comdirect Private Finance innerhalb des Hauses?

Wir haben drei Kompetenzfelder. Die Beratung ist eines davon. Die Beratung ist unser Schaufenster in den Regionen und erhöht die Visibilität der Marke Comdirect.

Welchen Anteil hat sie an den Erträgen?

Unsere Beratungstochter ist vor rund vier Jahren gegründet worden und sollte nach drei Jahren profitabel sein. Dieses Ziel haben wir wie geplant 2006 erreicht. In den nächsten Jahren wird das Beratungsgeschäft sukzessive mehr zum Ergebnis beitragen. Bis 2009 sollen rund 50 Prozent unserer Erträge tradeunabhängig sein. Dieser Ertragsanteil aus dem Banking und der Beratung liegt derzeit bei gut 30 Prozent, vor zwei Jahren waren es noch rund zehn Prozent.

Über welche Produkte gewinnen Sie vor allem Neukunden?

In diesem Jahr werden wir fast 200 000 Neukunden hinzugewinnen, ausgehend von einer Basis von rund 800 000 Kunden zu Jahresbeginn. Sehr stark geschieht das über das Tagesgeld Plus und das Girokonto. Alleine beim Tagesgeld Plus haben wir innerhalb der zwölf Monate, in denen wir das Produkt jetzt anbieten, gut 350 000 Konten mit einem Kundenvermögen von rund drei Milliarden Euro gewonnen.

Wir führen mittlerweile mehr als 300 000 Girokonten und nehmen damit eine führende Position unter den Direktbanken ein. Bei rund 80 Millionen Girokonten in Deutschland und einem weitergehenden Trend zum Directbanking ist hier noch sehr viel Potenzial vorhanden. Darüber hinaus ist auch bei den Depots ein Wachstum zu verzeichnen. Wir haben das Ziel, bis zum Jahr 2009 rund 650 000 Depots zu führen und befinden uns hier auf einem guten Weg. Natürlich gewinnen wir auch Kunden über die Beratung.

Sind Produkte wie das Tagesgeld Plus oder das Girokonto in Ihrem Haus für sich genommen rentabel? Bei uns ist jedes Produkt für sich profitabel

- auch das Girokonto und das Tagesgeld Plus. Welchen Stellenwert hat das Brokerage noch in Ihrem

Haus?

Brokerage ist und bleibt der Kern unseres Geschäftes. Gemessen an den Retail- Transaktionen sind wir der führende On-line-Broker in Deutschland. Seit September letzten Jahres haben wir zwei innovative neue Ordertypen eingeführt, mit denen aktiv tradende Kunden schneller auf Marktveränderungen reagieren können. Wir werden weiterhin in das Brokerage investieren, es soll auch zukünftig etwa 50 Prozent unserer Ertragsbasis darstellen.

Welcher Anteil Ihrer Kunden führt auch ein Depot?

Derzeit betreut die Comdirect Bank gut 950 000 Kunden, von denen rund 630 000 Kunden ein Depot führen, also gut zwei Drittel. In dem Maße wie Sie Neukunden über das Tagesgeld Plus und das Girokonto gewinnen - so könnte man vermuten - nimmt der Anteil derjenigen Kunden, die auch ein Depot führen, doch tendenziell eher ab?

Sicherlich werden wir im Banking beim Neukundenwachstum überproportional zulegen. Und genau das wirkt sich in Summe dann auch positiv auf die Entwicklung bei den Depots aus.

Bei Ihrer aktuellen Festgeld-Aktion zur Neukunden-Gewinnung erhalten Anleger zusätzlich zum Festgeldkonto ein Depot mit Fondsanteilen im Wert von 50 Euro. Nehmen nicht viele Kunden diese Zugabe mit, belassen das Depot aber passiv?

Selbstverständlich wird ein Teil der Depots zeitweise nicht bewegt, viele dieser Depots werden jedoch relativ schnell aktiviert. Vergleichbare Aktionen haben gezeigt, dass nach einem Jahr gut die Hälfte der Neukunden ihr Depot aktiv für das Trading nutzt. Insgesamt wandelt sich das Anlegerverhalten im Laufe der Zeit. Eine ganze Reihe von Depots sind beispielsweise bis zum Jahr 2000/2001 recht aktiv genutzt worden, danach blieben sie zeitweise ungenutzt, aber mit der positiven Entwicklung an der Börse in den vergangenen Jahren wurden diese wieder aktiviert.

Wie schätzen Sie die Bedeutung der Beratung im Wertpapiergeschäft ein? Für eine Bank und insbesondere eine Direktbank ist es wichtig, die Beratung genau in dem Maße anzubieten, wie der Kunde

es erwartet. Denn damit kann er sich in seinem Institut wirklich heimisch fühlen. Beratung ist als Service ein wichtiger Bestandteil einer Bankbeziehung.

Muss man Beratung nicht irgendwann doch bepreisen? Wir stellen fest, dass unser Geschäftsmodell - Online-Brokerage und -banking mit entsprechend attraktiven Konditionen und auf Wunsch eine Beratung zu komplexeren Finanzthemen über die Geschäftsstellen der Comdirect Private Finance - sich gut etabliert. Wir planen derzeit nicht, eine Beratung gegen Gebühr anzubieten.

Doch Beratung ist kostenintensiv. Wie entwickelt sich Ihre Cost Income Ratio im Jahr 2007?

Nach neun Monaten haben wir eine Cost Income Ratio von 65 Prozent - und das ist ein schönes Ergebnis. Vor allen Dingen dann, wenn man berücksichtigt, dass wir im laufenden Jahr rund 50 Millionen Euro zusätzlich in Wachstum investieren. Rechnet man diesen Betrag heraus, so kommen wir auf einen Wert von etwa 50 Prozent.

Ist MiFId mit den neuen Offenlegungspflichten ein Wettbewerbsvorteil für die Direktbanken?

In puncto Informationspflichten sind viele Teile der MiFID seit langem bekanntes Terrain für uns, denn wir haben schon vorher unsere Kunden im Rahmen von Fernabsatzinformationen ausführlich informiert. Insbesondere die Nutzung elektronischer Postboxen zur Information der Kunden erweist sich an dieser Stelle für uns als echter Kostenvorteil gegenüber vielen klassischen Instituten.

Bei den Verbünden ist die Diskussion um das Thema eigener Direktbanken noch nicht abgeschlossen. Der DSGV will prüfen lassen, ob die von der Landesbank Berlin übernommene Netbank zu einer Zweitmarke der Sparkassenorganisation ausgebaut werden soll. Würden Sie eine solche Entwicklung gelassen sehen?

Der Markt ist sehr groß und es gibt einen starken Trend Richtung Directbanking. Mit jedem weiteren Wettbewerber steigt naturgemäß die Intensität des

Wettbewerbs. Wir sehen das positiv, weil es die eigene Wachsamkeit erhöht und uns zu Höchstleistungen animiert. Schön ist auch, dass der Kunde von noch besseren Produkten und Leistungen profitiert.

Die EU-Kommission bemüht sich um mehr grenzüberschreitenden Wettbewerb im Bankgeschäft. Am leichtesten wird das vermutlich im internetbasierten Geschäft gelingen. Welchen neuen Wettbewerbsdruck erwarten Sie davon?

Mit der Sepa ist schon der erste Schritt in die richtige Richtung geplant, doch wir stehen hier erst am Anfang. Wir müssen als Europäer weiter in einen Finanz-Binnenmarkt investieren. Das wäre auch für die Comdirect Bank förderlich. Perspektivisch bieten sich hier große Chancen für den Ausbau unseres Geschäftsmodells.

Soll die Comdirect Bank ein europaweit tätiger Anbieter werden?

Bei den zweistelligen Wachstumsraten, die wir derzeit im Inland für Direktbanken verzeichnen, ist es richtig, sich hierauf zu konzentrieren. Dennoch schließe ich Auslandsaktivitäten grundsätzlich nicht aus.

Welcher Anteil Ihrer Kunden kommt von der Commerzbank zur Comdirect? Und wie viele verlieren Sie an die Mutter?

Die Überschneidungen mit unserer Konzernmutter liegen deutlich unter zehn Prozent. Die Commerzbank-Gruppe fährt eine Zwei-Markenstrategie: die Commerzbank für das Filialgeschäft und die Comdirect für das Direktbank-Geschäft.

Und was ist mit Ihren Filialen und der Beratung?

Unsere Kunden sind im Kern selbstbestimmte moderne Anleger, die bei komplexen Finanzthemen wie beispielsweise einer Depotoptimierung oder dem Kauf eines geschlossenen Fonds eine ganzheitliche Beratung in einer unserer 26 Geschäftstellen suchen. Standardtransaktionen wie eine Überweisung oder der Abschluss eines Wertpapiersparplans die oft auch heute noch bei klassischen Instituten in der Filiale erfolgen erledigen unsere Kunden schon längst online.

Das Motiv für unsere Kunden ist nicht direkt vergleichbar mit dem Motiv eines Filialbesuches. Und genau an dieser Stelle setzen wir mit der Beratung über die Comdirect Private Finance an. Mit einer Filiale ist das nicht zu vergleichen.

Was versprechen Sie sich von der Kooperation mit Tchibo? Wie funktionieren hier Cross-Selling und Kundenbindung?

In der übergreifenden Nutzung von Vertriebskanälen verschiedener Branchen - in diesem Fall Finanzdienstleistung und Einzelhandel - liegt eine große Zukunft.

Mit dem Start unserer Kooperation mit Tchibo sind wir sehr zufrieden und können uns durchaus vorstellen, diese auf Sicht weiter zu intensivieren.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X