Mittelstandsgeschäft

Eigenkapitalfinanzierung über die Börse: Chancen und Stolpersteine

Der deutsche Mittelstand verfügt im internationalen Vergleich über eine tiefe Eigenmittelquote. Gerade die Einführung der Basler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II) hat beim Mittelstand den Druck zur Stärkung des Eigenkapitals erhöht. Die stark wachsende Wirtschaft hat zudem den generellen Finanzierungsbedarf verstärkt, dabei ist eine ausgewogene Eigenkapitalausstattung im Auge zu behalten.

Finanzierung muss mit strategischen Zielen korrespondieren

In den letzten Jahren ist in Deutschland eine gut entwickelte Produktlandschaft im Bereich der Eigenkapital ersetzenden Finanzierung wie zum Beispiel Mezzanine-Kapital entstanden. Trotz allem nimmt die Möglichkeit der Finanzierung des Eigenkapitals über Privatinvestoren, als die klassische Form von Eigenkapitalfinanzierung im Mittelstand, die bedeutendste Rolle ein.

Bei größeren Finanzierungsvolumina wird diese Form der Finanzierung durch eine große Anzahl von auf den Mittelstand ausgerichteten Private-Equity-Fonds abgelöst. All diese Finanzierungsprodukte bewegen sich im privaten Kapitalmarkt, der Gang in den öffentlichen Kapitalmarkt ist auch für den Mittelstand eine klare Alternative, welche ein Unternehmen in die "Königsklasse" der Unternehmensfinanzierung führt.

Grundsätzlich muss der Gang in den öffentlichen Kapitalmarkt mit den strategischen Zielen des Unternehmens korrespondieren. Das Unternehmen und im Besonderen die Altgesellschafter müssen sich im Klaren sein, dass für Unternehmen im öffentlichen Kapitalmarkt andere Regeln gelten als für "private" Gesellschaften. Dies betrifft nicht nur die rechtlichen Rahmenbedingungen, sondern bestimmt auch das tägliche Leben und Handeln der Gesellschaft und deren Organe.

Ein Börsengang eröffnet Unternehmen aber auch Perspektiven, welche - neben den rein finanziellen Aspekten - das Wachstum eines mittelständischen Unternehmens positiv beeinflussen. So ist zum Beispiel festzustellen, dass börsennotierte Gesellschaften im Verkehr mit Kunden ein generell besseres Standing haben. Maßgeblich hierbei ist die erhöhte Transparenzerfordernis des öffentlichen Kapitalmarktes.

Die Zielsetzungen eines Börsengangs sind in der Regel zunächst immer die gleichen. Es geht darum, die Eigenkapitalkosten zu optimieren, ein gesundes Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital zu schaffen, das Wachstum nachhaltig zu finanzieren und die Abhängigkeit von einzelnen Finanzierungspartnern zu verringern. Daneben gibt es aber auch eine Vielfalt weiterer Ziele, die hinter einem Börsengang stehen können - wie beispielsweise die Sicherung von Innovation und Zeitvorsprung oder die Erschließung von neuen Absatzmärkten.

Entry-Standard eignet sich als Tor zum Kapitalmarkt

Gerade für die Finanzierung von Forschung und Entwicklung eignet sich ein Börsengang, der neue Aktionär kann dabei eine klare Vorstellung entwickeln, wofür seine Mittel vorgesehen sind. Eine untergeordnete Rolle spielen Themen wie: Erhöhung der Transparenz gegenüber Kunden und Lieferanten. Ein wichtige Rolle nimmt der Börsengang eines mittelständischen Unternehmens auch im Rahmen von Nachfolgeplanungen oder der Vermögensdiversifikation bei Altgesellschaftern ein, gerade wenn diese nicht mehr operativ im Unternehmen eingebunden sind. Die Festlegung dieser Ziele kann schon über die Art des Börsengangs entscheiden.

Grundsätzlich gibt es zwei Zugänge zum Kapitalmarkt: von der EU regulierte Märkte und Märkte, die von den Börsen selbst reguliert werden. Beim Amtlichen beziehungsweise Geregelten Markt handelt es sich um einen organisierten Markt mit den Segmenten General Standard und Prime Standard, die höchste europäische Transparenzanforderungen erfüllen. Der Freiverkehr zählt nicht zu den organisierten Märkten, und hat mit der Umbenennung in "Open Market" sowie der Schaffung des Segments "Entry Standard" an der Frankfurter Wertpapierbörse jedoch eine deutliche Aufwertung erhalten.

Insbesondere jungen, aber auch etablierten mittelständischen Unternehmen öffnet der Entry Standard einen einfachen, schnellen und kosteneffizienten Marktzugang. Der Entry Standard hat sich seit Ende 2005 einen festen Platz in der deutschen Börsenlandschaft erarbeitet und ist mit über 100 Börsengängen sehr erfolgreich. Gerade die Einbeziehung eines mittelständischen Unternehmens in den Entry Standard ist eine zielgerichtete Möglichkeit die Kapitalmarktziele umzusetzen. Der Entry Standard versteht sich aber klar als "Eingangshalle" in den Kapitalmarkt, das Unternehmen soll sich an die Erfordernisse des Kapitalmarkts gewöhnen und die allgemeinen Spielregeln kennenlernen. Ziel muss es jedoch sein, mittel- und langfristig den "Aufstieg" in einen regulierten Markt wie den General Standard oder den Prime Standard anzustreben.

Keine Anforderung an Alter oder Größe des Unternehmens im Entry Standard

Der General Standard ist das Segment mit den gesetzlichen Mindestanforderungen des Amtlichen oder Geregelten Marktes. Er eignet sich insbesondere für Unternehmen, die nationale Investoren ansprechen und sich für ein kostengüns tiges Listing entscheiden. Prime-Standard-Unternehmen müssen über die gesetzlichen Mindestanforderungen des Amtlichen oder Geregelten Marktes hinaus hohe internationale Transparenzanforderungen erfüllen.

Der Prime Standard richtet sich insofern an Unternehmen, die sich auch gegenüber internationalen Investoren positionieren wollen. Der Entry Standard ist für diejenigen Unternehmen attraktiv, die einen effizienten Handel ihrer Aktien bei geringen formalen Pflichten anstreben. Es gibt keinen Branchenfokus und keine Mindestanforderungen an Unternehmensalter oder -größe.

Börsengang ist immer Mittel zum Zweck

Das Unternehmen kann einerseits die Einbeziehung der Aktien in den Handel über einen Wertpapierprospekt erlangen und dies mit einem öffentlichen Angebot verbinden. Andererseits können Emittenten auch nur ein Exposé, das weit weniger Aufwand als ein kompletter Prospekt erfordert, eine Notierungsaufnahme (oder Listing) erreichen. Ein öffentliches Angebot ist dann jedoch nicht möglich, neue Aktien können lediglich im Rahmen einer Privatplatzierung bei institutionellen Investoren ausgegeben werden und die Möglichkeiten der Investor-Relations-Arbeit sind stark eingeschränkt.

Die Art des Börsengangs oder zum Beispiel die Einbeziehung von Aktien in ein Segment der Deutschen Börse ist die Antwort auf eine mittel- und langfristig orientierte Kapitalmarktstrategie des jeweiligen Unternehmens. Diese ist zugleich Teil der strategischen Ausrichtung des Gesamtunternehmens, da der Börsengang, obwohl ein bedeutender Einschnitt in das "Leben" eines Unternehmens, immer nur Mittel zum Zweck sein darf.

Für eine erfolgreiche Transaktion ist es von grundsätzlicher Bedeutung, ein schlüssiges und eingängiges Emissionskonzept zu präsentieren. Basis hierfür ist zunächst eine klare und verständliche Equity Story, die mit wenigen Worten die Geschäftstätigkeit und die strategischen Ziele des Unternehmens zusammenfasst. Die Größe der Emission sollte am tatsächlichen finanziellen Bedarf des Unternehmens ausgerichtet sein, Basis hierzu ist eine detaillierte Finanzplanung. Die einzuwerbenden Mittel sollten darüber hinaus ausschließlich zur Finanzierung des Unternehmenswachstums und nicht für die Tilgung von Altlasten benötigt werden.

Eine Umplatzierung von Anteilen von Altgesellschaftern im Rahmen eines Börsengangs ist möglich, ja zum Teil auch erwünscht. Mit einer Umplatzierung kann der "Free Float" über die durch eine Kapitalerhöhung geschaffenen Aktien hinaus, erhöht werden. Investoren sehen die Umplatzierung von Aktien aus dem Kreis des operativen Managements jedoch durchaus kritisch. Der Verkauf von Anteilen aus den Händen des Managements sollte schwergewichtig nach einem Börsengang erfolgen. Wenn das Management die gesetzten Ziele erreicht hat und die Erwartungen der Investoren erfüllt sind, sind auch größere Umplatzierungen möglich, eine Vermögensdiversifikation liegt in diesem Falle auch im Interesse der Publikumsaktionäre.

Generalunternehmer: Investmentbanken für den Mittelstand

Zentral für den Erfolg einer Neuemission ist schließlich der faire und angemessene Emissionspreis. Hierfür ist es notwendig, Akzeptanz und Preissensitivität der Investoren in einem intensiven Pre-Marketing zu ermitteln und durch einen angemessenen Abschlag auf den fairen Unternehmenswert Zeichnungsanreize zu bieten. Somit ist gewährleistet, dass der zukünftige Investor eine angemessene Rendite auf das Investment erzielen kann.

Für den Börsengang auf dem Prospektweg ist ein effizientes Projektmanagement beim Emittenten notwendig. Gerade bei kleineren Unternehmen ist diese straffe Organisation ein wesentlicher Schlüssel für den Erfolg eines Börsengangs. Zentral ist dabei die Koordination der verschiedenen Funktionen wie Erstellung der testierten Ab schlüsse, Beauftragung und Überwachung der rechtlichen, steuerlichen und wirtschaftlichen Due Diligence, Festlegung des Emissionskonzeptes, Erarbeitung der Equity Story und der Unternehmenspräsentation.

Gerade bei mittelständischen Börsenkandidaten ist die Mandatierung einer mittelständisch orientierten Investmentbank zu empfehlen. Dabei geht es im Besonderen um eine Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe. Mittelständisch geprägte Investmentbanken verstehen sich oft als "Generalunternehmer", das heißt die Projektkoordination und -verantwortung wird durch die Bank übernommen.

Bei Small Caps alle Kommunikationskanäle nutzen

Auch die eigentliche Erstellung des Prospektes beansprucht nicht zu unterschätzende Ressourcen innerhalb des Unternehmens. Durch das öffentliche Angebot sind der Vermarktung keine Grenzen gesetzt, die Umsetzung von Friends & Family-Programmen, Mitarbeiterbeteiligungsprogramme oder auch konkrete Werbemaßnahmen für den Börsengang und Kapitalerhöhung sind ohne weitere Einschränkungen nach der Billigung des Prospektes möglich.

Kleinere Emissionen finden in der Regel weniger öffentliche Aufmerksamkeit als große. Dies liegt unter anderem daran, dass institutionelle Investoren teilweise an größenabhängige Anlagekriterien gebunden sind, welche die Zeichnung von derartigen "kleineren" Emissionen erschweren. Wegen der eingeschränkten Platzierungsmöglichkeiten ist bei der Vorbereitung eines Small-Cap-IPOs eine offene Kommunikation von höchster Bedeutung für den Erfolg des Börsenganges. Alle verfügbaren Kommunikationskanäle sollten im Rahmen des Börsengangs genutzt werden, das betrifft insbesondere die Darstellung in den Medien und gegenüber zukünftigen Investoren.

Durch die Veröffentlichung und Verbreitung von Research-Studien über das Unternehmen wird die zur Investitionsentscheidung notwendige Transparenz hergestellt. Da die Studien nicht nur ausgewählten Investoren und der Presse, sondern auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können, kann sich eine breite Diskussion über die Emission entfalten.

Ergänzend können neben den direkten Präsentationen und Gesprächen (sogenannte One-on-Ones) mit institutionellen Investoren Telefonkonferenzen mit Privatanlegern durchgeführt werden. Diese erhalten so die Möglichkeit, direkt mit dem Vorstand und anderen Organen zu kommunizieren. Dies erleichtert das Verstehen der Equity Story und soll dem Investor ein Gefühl für die Werthaltigkeit des Unternehmens vermitteln.

Being Public kostet 100 000 Euro pro Jahr

Insbesondere aufgrund der geringeren Emissionsvolumina bei Small-Cap-IPOs ist ein Börsengang für Unternehmen nur dann interessant, wenn der Kostenaufwand überschaubar bleibt, dies mit dem klaren Ziel, die Kapitalkosten zu optimieren. Große Budgets für umfangreiche Marketingmaßnahmen stehen in der Regel nicht zur Verfügung und sind auch nicht nötig. Dennoch ist es unabdingbar, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, um die Platzierung zu ermöglichen und eine auch langfristig angemessene Handelbarkeit der Aktie zu gewährleisten.

Als Faustregel sind bei Small-Cap-IPOs etwa sieben bis neun Prozent des Emissionsvolumens als Kosten für das Going Public einzuplanen. Zu diesen Kosten zählen neben den Bankenprovisionen, Marketingkosten und Börsenzulassungsgebühren auch Zahlungen für externe Berater wie zum Beispiel Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer.

Neben diesen direkten Kosten ist der Ressourcenbedarf im Unternehmen zu berücksichtigen. Die Kosten des "Being Public" belaufen sich auf rund 100 000 Euro pro Jahr. Diesen Kosten stehen allerdings auch klare Vorteile gegenüber. So sorgt die Publizität für weiteres Geschäftspotenzial, weitere Kapitalmaßnahmen sind kurzfristig umsetzbar und darüber hinaus hat das Unternehmen nach der Börsenzulassung und dem ersten Handelstag die Möglichkeit, sämtliche Elemente der Investor Re-lations-Arbeit umzusetzen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X