Lobbyarbeit

Einsatz für Gläubigerinteressen - in Berlin und als Solidargemeinschaft

Der deutschen Wirtschaft und der gesamten Beraterbranche steht ohne Zweifel eine Zeitenwende bevor. Das "Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen", kurz ESUG genannt, ist ein längst überfälliger Schritt für den Wirtschaftsstandort Deutschland, mit der der Gesetzgeber zum ersten Mal in der Realität von Unternehmen in der Krise angekommen ist.

Die Insolvenzrechtsreformen der Vergangenheit griffen einfach zu kurz. Fundamental wurde an den wichtigsten Prob lemen nichts geändert.

Da ist zunächst das Stigma der Insolvenz in diesem Land und daher der Trend bei den Betroffenen, eine Insolvenzmeldung zu verschleppen, weil sie keine Chancen auf Fortführung ihrer Unternehmen sehen und sich vor dem vollständigen Kontrollverlust über ihre Betriebe fürchten. Dabei führt eine Verschleppung zumeist nur dazu, dass das Unternehmen dann wirklich nicht mehr zu retten ist.

Hinzu kommen das Fehlen von wirksamen Sanierungsinstrumenten und die Intransparenz der bisherigen Insolvenzverfahrenspraxis.

Und last but not least der im Vergleich zum westeuropäischen Ausland mangelnde Einfluss, den die Banken und alle anderen Gläubiger auf das Insolvenzverfahren hatten. Insgesamt fehlte es in der Praxis an einer vorrangigen Ausrichtung am Sanierungsgedanken. Kriselnden Firmen wurde zumeist keine zweite Chance gegeben, und die Gläubiger sahen weitgehend gelähmt zu, wie ihr Geld allenfalls noch dem Insolvenzverwalter nutzte.

Aufbau einer Organisation als Voraussetzung für Lobbyarbeit

Um den rechtspolitischen Einfluss der Gläubiger ganz grundsätzlich in Deutschland stärken zu können, wurde 2007 am Rhein-Ahr-Campus ein Forschungsprojekt "Gläubigerschutz in Deutschland" ins Leben gerufen. Die Ergebnisse führten zur Gründung des GSV e. V. im Januar 2009. Bundesweit operativ tätig wurden die Gläubigerschützer dann ab 2011. Diese Schritte ermöglichten es zum einen, einen qualitätsgeprüften Service für mittelständische Unternehmen, für Sozialversicherungen und weitere wichtige institutionelle Gläubigergruppen wie Banken und Versicherungen zur Verfügung zu stellen. Zum anderen war es nun möglich, für die Gruppe der Gläubiger aktiv und gebündelt in die Lobbyarbeit einzusteigen.

Dabei war es von zentraler Bedeutung, dass es im Jahre 2010 gelang, eine Vielzahl von Verbänden der Wirtschaft in einem gemeinsamen Diskussionsprozess zusammenzuführen, indem das Gemeinsame in den Vordergrund gestellt und das Trennende in den Hintergrund gedrängt wurde. Die einigende Gemeinsamkeit bestand in der Erkenntnis, dass die Sanierung eines Unternehmens für alle beteiligten und betroffenen Gläubiger immer die bestmögliche Lösung ist, denn mit dem Erhalt eines Unternehmens werden nicht nur volkswirtschaftliche Schäden minimiert, sondern zugleich auch Chancen für künftige Liefer- und Leistungsbeziehungen erhalten.

ESUG: zäher Kampf für die richtigen Weichenstellungen

Das ESUG wurde im Oktober letzten Jahres beschlossen und trat jetzt, am 1. April 2012, in Kraft. Zwei Neuerungen sind dabei von zentraler Bedeutung.

Zunächst werden die bereits bestehenden Möglichkeiten der Eigenverwaltung im Rahmen eines sogenannten "Schutzschirmverfahrens" gestärkt und ausgebaut. Damit braucht der Schuldner nicht mehr den totalen Kontrollverlust über seine Firma zu fürchten. Vielmehr erhält er die Option, sein Unternehmen, das er am genauesten kennt, selbst zu retten. Ihm wird mit dem "Sachwalter" ein Experte an die Seite gestellt, den er in der Regel auch selbst bestimmen kann, bei dessen Auswahl allerdings auch die Kreditgeber ein Wörtchen mitzureden haben. Innerhalb von drei Monaten müssen Schuldner und Sachwalter dann einen Rettungsplan schmieden.

Die zweite wichtige Weichenstellung des ESUG betrifft den bisher nahezu unbegrenzten Einfluss der Richter bei der Bestellung des Insolvenzverwalters. Zukünftig müssen sie ab einer bestimmten Unternehmensgröße, das heißt ab zwei Millionen Euro Jahresumsatz und zehn Beschäftigten, sofort nach Eingang des Insolvenzvertrags einen vorläufigen Gläubigerausschuss einrichten, in dem unter anderem die Geldgeber vertreten sind. Einigen sich die Ausschussmitglieder einstimmig auf einen Insolvenzverwalter, muss das Gericht dem Vorschlag folgen. Das eröffnet den Gläubigern die Möglichkeit, einen erfahrenen, erfolgreichen und wirtschaftskompetenten Verwalter zu bestellen, der das Vertrauen aller beteiligten Parteien besitzt. Daneben haben die Gläubiger aber auch bei kleineren Unternehmen die Möglichkeit zur Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses und damit Einflussnahme vom ersten Tag an.

GSV fest im Berliner Dialog verankert

Wie gut es dem GSV gelang, sich auf Anhieb in der "Szene" zu vernetzen - und das im Übrigen ohne ein Berliner Büro - zeigte der 3. Bundeskongress 2011. Mehr als 300 Teilnehmer hatten sich am 10. März unter dem Themendach "Ein Bündnis - Ein Ziel. Starke Gläubiger im Insolvenzverfahren" in der Bundeskunsthalle in Bonn versammelt. Unter den 16 renommierten Referenten war Dr. Birgit Grundmann, Staatssekretärin im Bundesministerium der Justiz.

In ihrem Eröffnungsvortrag begründete die Staatssekretärin, durch welche Neubestimmungen das ESUG ein "planbareres und effizienteres Verfahren als bisher" ermöglichen werde. Sie dankte der Gläubigerschutzvereinigung ausdrücklich für das Einbringen zahlreicher Regelungsvorschläge. Diese sowie weitere Anregungen qualifizierter Fachkreise seien im Bundesministerium der Justiz geprüft und - wann immer sinnvoll - in den Entwurf eingearbeitet worden. "Auf der Dauerbaustelle Insolvenzrecht haben wir nun einen praxistauglichen Entwurf", so die Überzeugung von Dr. Birgit Grundmann.

Der Kongress bildete einen Querschnitt aller relevanten politischen und gesellschaftlichen Gruppen ab und demonstrierte den starken Willen des GSV, eine führende Rolle im gemeinsamen Streben nach dem bestmöglichen Insolvenz- und Sanierungsrecht zu behalten.

Im entscheidenden Schlussspurt des Reformvorhabens gelang es der Gläubigerschutzvereinigung, noch einmal Vorschläge und Korrekturanmerkungen ins Berliner Gesetzgebungsverfahren einzubringen. In einer schriftlichen Stellungnahme und bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Bundestages unter Vorsitz von Siegfried Kauder (CDU/CSU, jüngerer Bruder von Volker Kauder) im Juni 2011 konnte sie ihre Kritik am bisherigen Insolvenzverfahrensrecht auf den Punkt bringen und auch die bis dahin avisierten Vorschläge des Gesetzentwurfs kommentieren.

Das ESUG ist ein Meilenstein für die Sanierungskultur in unserem Land. Gleichwohl gibt es weiteren Anlass zur Lobbyarbeit, denn einige Probleme bleiben, andere kommen neu hinzu. Die GSV-Sachverständigen bringen über den Fachdialog einige Bedenken auf den Tisch oder greifen die Bedenken anderer auf. Unter anderem kritisieren manche Experten, dass die Regelungen des ESUG zur Einberufung eines Gläubigerausschusses nicht prak tikabel seien und diese Ausschüsse nur für Großunternehmen und Konzerne einberufen werden sollten.

Weiterer Verbesserungsbedarf

Ich hätte mir beispielsweise gewünscht, dass die Kammern für Handelssachen an den Landgerichten stärker als bisher einbezogen werden. Dort sitzen Wirtschaftsexperten, die sofort erkennen, ob ein Unternehmen sanierungsfähig ist oder nicht. Das ESUG ändert aber leider nichts daran und belässt die Insolvenzverfahren bei viel zu vielen kleinen, überforderten Amtsgerichten statt sie an besser ausgestatteten Gerichten zu bündeln. Hier gibt es weiteren Verbesserungsbedarf.

Um den Missbrauch neuer Gestaltungsmöglichkeiten zu minimieren, hat der sich GSV gemeinsam mit anderen Wirtschaftsverbänden an der neuen Broschüre "Handlungsempfehlungen für die neue Insolvenzordnung" beteiligt. Die Publikation des Deutschen Instituts für angewandtes Insolvenzrecht (DIAI) will wichtige Handreichungen für das neue Verfahren geben und dabei auch den Experten in der Kreditwirtschaft einen Service für die neuen Herausforderungen des Insolvenzrechts bieten und zugleich deren Missbrauch verhindern. Die Schrift ist unter anderem auf der GSV-Webseite www.gsv.eu herunterzuladen.

Lobbyarbeit und Mitgliedervertretung mit identischem Ziel

Im alten Insolvenzrecht war das Vergütungsrecht mit seiner Orientierung an einer gesetzlichen Regelvergütung als Bruchteil der Verteilungsmasse in der Praxis weitgehend gescheitert und hat die Gläubigerorientierung der Insolvenzverwaltung ins Gegenteil verkehrt. Fast zwei Drittel aller Insolvenzverfahren endeten in den vergangenen Jahren mit einer Quote von Null, und exorbitant hohe Vergütungen der Insolvenzverwalter waren an der Tagesordnung. Wir sind stolz, der Politik einen besseren Weg aufgezeigt zu haben.

Aber der GSV bewegt sich bei der Verteidigung der Gläubigerinteressen beileibe nicht nur auf der politischen Bühne. Er hat ein Frühwarnsystem, bestehend aus den Komponenten Monitoring und Risk Management entwickelt, bei dem sich Gläubiger über die geschäftliche Lage ihrer Schuldner schnell ein Bild machen und mit dem sie auch im Ernstfall, der Insolvenz eines Schuldners nämlich, schneller und effizienter reagieren können.

Auch die Banken profitieren von einem umfassenden und bundesweit in dieser Form einmaligen Monitoring-System für Insolvenzmeldungen und-verfahren. Das GSV-System bietet dabei einige Vorteile gegenüber Insolvenzbekanntmachungen. de. Das Portal ist im Vergleich wesentlich weniger personalaufwendig und die Unternehmenssuche ist nicht wie dort zeitlich begrenzt.

Das Herzstück des Frühwarnsystems ist der Insolvenzmonitor im Mitgliederportal. Mitglieder können hier ihre Kunden individuell im Insolvenzmonitor vormerken. Der Vorteil: Von der Insolvenz würden sie automatisch und sofort ab der ersten Veröffentlichung des Amtsgerichts informiert. Damit können sie nicht nur ihre Bestandskunden im laufenden Verfahren fortlaufend beobachten, sondern auch umgehend Konsequenzen ziehen und Schlimmeres verhindern und gegensteuern.

Zu noch mehr Sicherheit trägt der gleichzeitige Echtzeit-Einblick ins Handelsregister und seit Ende 2011 eine Bonitätsabfrage bei der Schufa (vergünstigte Konditionen) bei. Zusätzlich prüft der GSV eine Auskunft über die Wirtschaftslage von natürlichen Personen. Die genaue und aktuelle Beobachtung der Situation der Schuldner ist die eine Sache. Eine andere Herausforderung der Banken aber ist, dass sie beim Risikomanagement während eines Insolvenzverfahrens schnell an Kapazitätsgrenzen stoßen. Auch hier bieten wir eine sehr gute Lösung.

Vertretung durch Kompetenz

Unliebsame und destruktive Engpässe entstehen in vielen Unternehmen zum Beispiel durch Personalnotstand aufgrund von Urlaub und Krankheit und natürlich auch wegen Stellenstreichungen. Die Folgen dieser Personalengpässe sind mangelndes Forderungsmanagement, fehlende Beobachtung von Krisenverläufen Qualitätseinbußen, demotivierte Beschäftigte und oft auch das Versäumnis, Forderungen überhaupt anzumelden. Mitglieder des GSV hingegen genießen die Vertretung in Verfahren durch einen Kompetenzführer, auch im Rahmen des Teiloutsourcings von Insolvenzverfahren.

Durch die Einschaltung des GSV sind in vielen Verfahren höhere Quoten, die Konfliktvermeidung mit Insolvenzverwaltern - der GSV tritt als neutrale Instanz auf - und die Entlastung der Bankangestellten garantiert. Gerade in dieser neutralen Funktion einer nicht Einzelinteressen verpflichteten Gläubigerschutzorganisation liegt die große Bedeutung für eine solche Selbsthilfeeinrichtung der Deutschen Wirtschaft.

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