Investor Relations

Erfolg von Finanzkommunikation ist messbar

Michael Power nennt das 21. Jahrhundert das Jahrhundert der Audit Society, einer Gesellschaft, in der die traditionell eher nicht gemessenen, sondern subjektiv empfundenen Qualitäten menschlicher Arbeit, zum Beispiel der Kunden-Lieferanten Beziehung, einer Prüfung unterzogen werden, damit wesentliche Qualitätsverbesserungen umgesetzt werden können.

Dazu ist es notwendig, die Erwartungen des Abnehmers ausreichend detailliert zu kennen. Investment Professionals, also Finanzanalysten und Fondsmanager, sind Abnehmer der Finanzkommunikation von Finanzvorständen und Investor Relations Managern. Jede Bemühung, IR-Arbeit zu verbessern, muss zwangsläufig bei den wesentlichen Zielgruppen von IR beginnen.

Wenn IR-Arbeit von Unternehmen zielgruppengerechter und effektiver wird, verbessert sich die Informationslage von professionellen Anlegern. Die DVFA - Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management hat im Jahr 2005 Experten aus den Bereichen Fondsmanagement und Finanzanalyse, aber auch IR-Manager und Akademiker zusammengerufen, um zu definieren, worin sich gute Finanzkommunikation manifestiert und wie Unternehmen ihre IR-Aktivitäten gestalten sollten, um den Informationsbedürfnissen ihrer Abnehmer gerecht zu werden.

100-prozentig logisch handelnde Anleger gibt es nicht

Die Forschung im Bereich der Behavioral Finance hat in den vergangenen Jahren gezeigt, dass es den 100-prozentig logisch vorgehenden Anleger nicht gibt. Neben Phänomenen wie der Entscheidung unter Zeitnotständen oder Überoptimismus fungieren bei Investoren und Finanzanalysten Heuristiken, die nicht immer logischen Gesetzen Genüge leisten. Es geht eher um subjektiv empfundene, aber durchaus valide Erkenntnisse, wie Investment Professionals unternehmerische Aktivitäten und kommunikative Situationen deuten und werten.

Eine Fondsmanagerin, die immer wieder erleben muss, dass ihre legitimen Forderungen an ein Unternehmen vordergründig akzeptiert, aber oberflächlich und verschleppend beantwortet werden, handelt rational, wenn sie in dieser Situation Mittel abzieht, wenngleich eine logische Analyse der Fundamentaldaten des Unternehmens eher ein Übergewichten nahe legen würde.

Fondsmanager, die bei unsicherer Faktenlage und drohendem Risiko aus einem Investment aussteigen, handeln rational, gerade weil sie sich nicht auf logisches Verhalten verlassen. In diesem Sinne leisten die DVFA-Grundsätze für effektive Finanzkommunikation einen Beitrag zur Behavioral Finance.

Erfüllung der Grundsätze ist messbar

Dynamik, das heißt die Entwicklung einer Anlage über Perioden und Benchmarks, also der Vergleich eines Investments mit zur Verfügung stehenden Alternativen, sind wesentliche Gesichtspunkte guten Investment Managements. So lag es nahe, nicht nur Grundsätze für gute Finanzkommunikation zu definieren, sondern die Erfüllung dieser Grundsätze auch zu messen.

Mit den DVFA-Perception-Profiles, einer Untersuchung der Wahrnehmung von Unternehmen aus der Perspektive von professionellen Anlegern, liegt nun ein Instrument vor, mit dem Unternehmen ihre IR-Performance messen können, und das anhand von Kriterien, die für ihre Zielgruppen relevant sind.

Goldene Regeln der Kommunikation

Ein interdisziplinär besetztes Gremium der DVFA hat es sich im Jahr 2005 zur Aufgabe gemacht, Grundsätze für effektive Finanzkommunikation zu definieren. Hintergrund war weniger eine selbstlose Hilfe für IR-Manager, als vielmehr der ausdrückliche Wunsch von Investment Professionals, die eigene Arbeit besser gestalten zu können und Unternehmen einen Katalog von "Goldenen Regeln" an die Hand zu geben.

Hierzu sammelten und verdichteten die Experten im DVFA-Committee "Effektive Finanzkommunikation" kritische Erfahrungen zu Leitsätzen. Dafür wurden Beispiele guter und schlechter Investor Relations durch Expertenbefragungen in den Häusern der Mitglieder des DVFA-Committees abstrahiert. Insgesamt wurden über 100 solcher Beispiele gewonnen, die in einem mehrstufigen Prozess mit einem erweiterten Kreis von Investment Professionals systematisiert und zu Empfehlungen verdichtet wurden. Diese Empfehlungen bilden auch die Kriterien für eine Erfolgsmessung.

In Form von 30 Leitsätzen, Erklärungen und praktischen Beispielen enthalten die Grundsätze Handlungsempfehlungen, wie kommunikativ potenziell missverständliches Verhalten, das sich zum Nachteil des Emittenten auswirken könnte, durch sachkundige und an den Erwartungen der Zielgruppe orientierte Investor Relations vermieden werden kann. Die Grundsätze verstehen sich bewusst nicht als Vorschriften, sondern als Empfehlungen an Vorstände und IR-Manager.

Glaubwürdigkeit als übergeordnetes Ziel

Die Grundsätze sind wie folgt strukturiert:

Drei Dimensionen, in denen effektive Finanzkommunikation wirksam ist.

Sechs Verhaltensmaxime, von denen je zwei jeder Dimension zugeordnet wurden.

30 Leitsätze inklusive Erläuterungen, Begriffsdefinitionen sowie Beispielen.

Das übergeordnete Ziel der Grundsätze effektiver Finanzkommunikation ist Glaubwürdigkeit (siehe Abbildung 1): Glaubwürdigkeit des Managements von Unternehmen und glaubwürdig vorgetragene Kommunikation. Glaubwürdigkeit entsteht aus den Erfahrungen der Kapitalmarktteilnehmer, insbesondere der der professionellen Anleger. Hat ein Unternehmen früher getroffene Aussagen und Prognosen eingehalten beziehungsweise mögliche Abweichungen frühzeitig bekannt gegeben, vertrauen Investment Professionals darauf, dass dies auch in Zukunft so gehandhabt werden wird.

Sechs Verhaltensmaximen

Glaubwürdigkeit ist wie ein Vorschuss auf zukünftig zu erbringende Leistungen in Form von Vertrauen. Wenn der Wille eines Unternehmens erkennbar ist, sich auf die Interessen der Kapitalmarktteilnehmer einzulassen und in offener und fairer Weise über Ziele, Strategien und Geschäftsverlauf zu informieren, gilt es als vertrauenswürdig. Offen und glaubwürdig erscheint ein Unternehmen dann, wenn es für sein Geschäftsmodell Szenarien entwickelt, die zugrunde liegenden Annahmen offen legt und Änderungen der Parameter frühzeitig in den Markt kommuniziert.

Die sechs Verhaltensmaxime sind wie folgt definiert:

Kapitalmarktorientierung: Bedürfnisse der Zielgruppen werden vom Top-Management adäquat beantwortet. Das Unternehmen sucht aktiv das Gespräch mit Investoren und Analysten.

Gleichbehandlung: Kapitalmarktteilnehmer werden in puncto Informationen gleich behandelt. Positive oder negative Kommentierungen werden nicht mit einer selektiven Versorgung "belohnt" oder "bestraft".

Wesentlichkeit: Die berichteten Informationen orientieren sich an der Relevanz für die Adressaten und entsprechen in puncto Umfang, Tiefe, Frequenz und Vollständigkeit den Erwartungen von Investoren und Finanzanalysten.

Nachvollziehbarkeit: Unternehmensberichte sollten konsistent und nachvollziehbar sein. Finanzielle Informationen sollten quantifiziert sein und ausreichend begründet werden.

Kontinuität und Aktualität: Zur Verfügung gestellte Informationen sind stets aktuell; kommunizierte Bestandteile und Inhalte werden der Entwicklung fortlaufend angepasst. Unternehmensberichte weisen einen lückenlosen Zusammenhang auf. Abrupte Veränderungen werden vermieden.

Erwartungsmanagement: Ein intelligentes Erwartungsmanagement zielt darauf ab, den Investment Professionals so viel Orientierung wie rechtlich möglich zu ermöglichen. Dadurch ergibt sich eine erhöhte Vorhersagbarkeit und damit Sicherheit gegenüber dem Investment.

Diese Kriterien werden für die DVFA-Per-ception-Profiles genutzt. Auf Basis der Grundsätze wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem Unternehmen messen können, in welchen Bereichen sich ihre IR-Arbeit weiter verbessern lässt. Dafür hat die DVFA die 30 Leitsätze operationalisiert und in ein online-basiertes Erhebungsverfahren überführt. Das Ergebnis der Messung der

IR-Arbeit durch diese Online-Erhebung unter Investment Professionals ist ein Wahrnehmungsprofil: eine Zusammenfassung der wahrgenommenen Performance in absoluten und relativen Zahlen, unterlegt von qualitativen Einzelstatements.

Weiterentwicklung von Wahrnehmungs-Studien

Sogenannte Perception-Studies, also Umfragen, die messen, wie Investment Professionals die Kommunikation von Unternehmen wahrnehmen, gelten seit geraumer Zeit als wichtige IR-Management-Instrumente. Die DVFA hat diese Studien zu Profilen weiterentwickelt. Die Perception Profiles haben gegenüber Perception-Studies drei wesentliche Vorteile:

Die 30 Leitsätze besitzen hohe Kapitalmarktrelevanz und große inhaltliche Tiefe, um aussagekräftige Stärken/Schwä-chen-Profile zu erstellen, aus denen konkrete Handlungsempfehlungen für die Unternehmen abgeleitet werden können.

Die notwendigen Informationen können in einem angemessenen Zeitaufwand erfasst werden und fördern so die Akzeptanz.

Die IR-Arbeit eines Unternehmens kann im Zeitablauf und im Vergleich mit Wettbewerbern kontinuierlich verfolgt werden, da die Erhebung durch ihre Standardisierung den Aufbau von Datenbeständen und die Festlegung einer Benchmark ermöglicht.

Die quantifizierbaren Ergebnisse der Per-ception-Profiles ermöglichen einen exakten inhaltlichen Vergleich mit den Wettbewerbern. Ebenso kann der Erfolg von gezielten Maßnahmen zur Verbesserung der IR-Arbeit überprüft werden, weil der Vergleich von Entwicklungen im Zeitablauf möglich ist. Investment Professionals können differenzierende qualitative Statements abgeben und damit die Daten stützen.

Erhebungen über ihre persönliche Einschätzung von Unternehmen werden von Investment Professionals begrüßt, da sie auf diese Weise sensible Kritikpunkte diskret und anonym äußern können. Akzeptiert wird eine solche Erhebung im Regelfall, wenn der Zeitaufwand dem professionellen Anleger angemessen erscheint; zusammen mit der Kapitalmarktrelevanz entscheiden diese beiden Faktoren über die Rücklaufquote. Herkömmliche Perception-Studies bestehen im Regelfall aus einer Ansammlung von Aussagen der Investment Professionals zu vorgegebenen Fragen, die durch - nicht sonderlich beliebte - telefonische Interviews gewonnen werden. Hierbei ist die Vergleichbarkeit mit den Unternehmen der Peergroup nicht gegeben; ebenso wenig lassen sich die Erfolgsgrößen bemessen.

Multiple-Choice-Verfahren erhöht die Vergleichbarkeit

Die DVFA-Profile basieren hingegen auf einer akzeptierten Methodik: Das Multiple Choice-Erhebungsverfahren liefert vergleichbare und quantifizierte Ergebnisse. Der nutzerfreundliche Online-Fragebogen sichert die Akzeptanz bei den professionellen Anlegern.

Seit Juni 2006 werden die Profile vermarktet. In der Zwischenzeit wurden über 250 Stimmen von Investment Professionals

gesammelt und zu Aussagen zu einzelnen Unternehmen verdichtet. Mit dieser Methodik wird bewusst der Mittelweg zwischen Einzelaussagen zu einem Unternehmen und empirischen Untersuchungen gewählt. Dieser Weg bietet den Vorteil, dass detaillierte Einzelaussagen von Investment Professionals zum betreffenden Unternehmen erfasst und durch die Zugrundelegung der Grundsätze effektiver Finanzkommunikation auch objektiviert werden können.

Die Befragung wird als Online-Umfrage angeboten, durch die sich der professionelle Anleger per Mausklick zügig durcharbeiten kann; dennoch besteht ausreichend Raum für qualitative Statements und Kommentare.

Kommentare runden das Bild ab

Für jeden einzelnen Grundsatz und jede Ebene wird ein prozentualer Grad der Erfüllung ermittelt und einzeln sowie als Gesamtscore dargestellt. Die Kommentare und Wahrnehmungen der Investment Professionals runden das Bild der IR-Arbeit des Unternehmens ab.

Die Ergebnisse werden als Diagrammspinne dargestellt (siehe Abbildung 2). In dieser Grafik wird das Unternehmen im Vergleich zum Dax und zum besten Unternehmen des Index ("Best in Class") dargestellt.

In Abbildung 3 wird die prozentuale Erfüllung aller 30 Grundsätze des Unternehmens, des Dax 30 sowie des "Best-in-Class-Unternehmens" graphisch dargestellt. Damit wird eine differenzierte Analyse der IR-Arbeit des Beispielunternehmens möglich.

Die Grafik lässt erkennen, dass das Beispielunternehmen beim Grundsatz "Informationsweitergabe nicht über selektive Kanäle", also dem Gleichbehandlungsgrundsatz, sehr schlecht abschneidet. Diese Tatsache trifft in der Wahrnehmung der Investment Professionals für den Dax 30 generell zu.

Da das Unternehmen in diesem Punkt schlecht abschneidet, ist es in einem nächsten Schritt erforderlich herauszufinden, welche Defizite zu dieser Bewertung führen. Dafür können einzelne Punkte in ihre Bestandteile aufgegliedert werden.

Die im Wettbewerbs- und Zeitvergleich aussagekräftigen Ergebnisse der Percep-tion-Profiles ermöglichen sehr detaillierte Handlungsempfehlungen, um die Kommunikation zwischen Unternehmen und ihrer Hauptzielgruppe, den Finanzanalysten und Investoren, weiter zu verbessern.

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