Anlageberatung

"Wie sind die ersten Erfahrungen mit dem Beraterregister?" / Frage an Karl-Burkhard Caspari

"Wer es kann, handelt an der Börse, wer es nicht kann, berät andere." Diese Bemerkung, die Börsenlegende André Kostolany geäußert haben soll, mag despektierlich klingen. Sie fasst jedoch in prägnanter Weise zusammen, mit welchen Herausforderungen der Berufsstand der Anlageberater noch immer kon frontiert ist. Während der Finanzkrise verging kaum ein Tag, an welchem nicht tatsächliches oder vermeintliches Fehlverhalten von Bankmitarbeitern dem breiten Diskurs in Berichterstattung und Öffentlichkeit ausgesetzt war. Medienwirksam verstanden es die unterschiedlichsten Interessenvertreter - darunter zu Recht enttäuschte Anleger - ihr Urteil zur Anlageberatung kundzutun.

Ursachen für Falschberatung liegen nicht nur an der Person des Beraters

Es konnte daher nur eine Frage der Zeit sein, bis der Gesetzgeber darauf reagieren und den Schutz der Anleger vor Falschberatung weiter verbessern würde. Auf der Suche nach den wesentlichen Ursachen für Fehlentwicklungen ließen sich Defizite in der Qualifikation der Mitarbeiter und der nachteilige Einfluss von Vertriebsinteressen identifizieren.

Dort setzte der Gesetzgeber an. Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind seit dem 1. November 2012 nach § 34 d Wertpapierhandelsge setz (WpHG) verpflichtet, bei bestimmten Personengruppen nur noch Mitarbeiter mit einer Mindestqualifikation einzusetzen. Diese Mitarbeiter müssen der BaFin angezeigt werden und werden im Mitarbeiter- und Beschwerderegister erfasst. Bei Anlageberatern müssen zudem auch Beschwerden von Privatkunden gemeldet werden. Die Details der Mindestqualifikation sowie des Anzeigeverfahrens regelt die WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung.

Auch betriebliche Schwächen

Von dem neuen Aufsichtsregime über die Anlageberatung sind neben Anlageberatern auch Vertriebsbeauftragte und Compliance-Beauftragte betroffen. Hintergrund dafür ist, dass ihre Tätigkeit die Qualität der Anlageberatung maßgeblich beeinflusst. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber sehr wohl erkannt hat, dass mögliche Ursachen für eine Falschberatung nicht nur in der Person des Anlageberaters gesucht (und auch gefunden) werden können.

Der Anwendungsbereich der neuen Vorschrift bringt vielmehr zum Ausdruck, dass einer fehlerhaften Anlageberatung in der Person des Anlageberaters selbst liegende Umstände, aber auch betriebliche Schwächen einer Vertriebsorganisation zugrunde liegen können. Insbesondere die Einbeziehung der Person des Vertriebsbeauftragten, die dem Gesetz bislang nicht bekannt war, verdeutlicht diesen Ansatz.

Finanzindustrie und Aufsicht haben sich intensiv auf die Neuregelung vorbereitet. Viele Institute nutzten die Vorbereitungsperiode dazu, die Qualifikation der betroffenen Mitarbeiter zu prüfen und sie gegebenenfalls nachzuschulen. Diese Entwicklung ist zu begrüßen und entspricht der Intention des Gesetzgebers.

Auch die BaFin bereitete sich gewissenhaft auf die neue Aufgabe vor.

Der Schwerpunkt war dabei die Errichtung der technischen Infrastruktur. Die BaFin entwickelte eine Datenbank, die eine große Menge sensibler Informationen nicht nur zuverlässig, sondern vor allem auch sicher verarbeitet.

Daneben stand bei der Aufsicht insbesondere die Weiterentwicklung der Fachexpertise im Mittelpunkt. Denn Institute und Anlageberater sollen bei der Aufsicht auf Gesprächspartner treffen, die mit der Praxis und den Gepflogenheiten des Beratungsgeschäfts gut vertraut sind.

Der eingeschlagene Weg wird weiterverfolgt

Das Mitarbeiter- und Beschwerderegis ter hat den Praxistest der ersten Monate gut gemeistert. Nach gut fünf Monaten sind mittlerweile rund 176 000 Anlageberater, 27 500 Vertriebsbeauftragte und 2 500 Compliance-Beauftragte registriert. Daneben wurden zirka 5 000 Kundenbeschwerden angezeigt. Die BaFin hat damit begonnen, die Kundenbeschwerden auf Auffälligkeiten zu untersuchen und konnte dabei erste Häufungen von Beschwerdeanzeigen feststellen. Soweit sich Anhaltspunkte dafür ergaben, Institute könnten gegen gesetzliche Regelungen verstoßen haben, besuchten BaFin-Aufseher die betroffenen Filialen und führten Vor-Ort-Interviews mit dem Vertriebspersonal. Dabei stellten sie fest, dass sich Anlageempfehlungen in Einzelfällen noch immer stark an Vertriebsvorgaben der Institute orientieren. Der Kundennutzen solcher Empfehlungen erscheint daher bisweilen fragwürdig. Die BaFin wird den eingeschlagenen Weg kontinuierlich weiter verfolgen.

Anlageberater und Vertriebsbeauftragte müssen auch künftig damit rechnen, dass die BaFin ihre Empfehlungen beziehungsweise Entscheidungen in der Vertriebssteuerung hinterfragt. Bislang hatte die Aufsicht keinen Anlass, von den neuen Ermächtigungen, Verwarnungen auszusprechen oder den Einsatz von Mitarbeitern zu untersagen, Gebrauch zu machen.

Auch der Kunde ist gefordert

Das Geschäft mit der Anlageberatung ist unstreitig aufwendiger geworden. Letztlich sollte bei der Diskussion um einen verbesserten Anlegerschutz nicht in Vergessenheit geraten, dass nicht nur an Anlageberater höhere Anforderungen gestellt werden - auch der Kunde ist gefordert. Dokumente wie das Beratungsprotokoll können ihre schützende Wirkung nur dann entfalten, wenn der Kunde die Dokumentation aufmerksam überprüft.

Auch die formalen Anforderungen an die Mitarbeiterqualifikation bleiben ohne Wirkung, wenn der informierte Kunde die Expertise seines Anlageberaters nicht herausfordert. Nur dann kann der Kunde eine fundierte Anlageentscheidung treffen - ungeachtet aller gesetzlichen Regelungen.

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