bank und markt Analyse: Droht eine Kreditverknappung?

Die Finanzierungssituation für Unternehmen könnte sich weiter verschlechtern

Seit Beginn der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich die Finanzierungssituation der deutschen Unternehmen massiv verschlechtert. Das Wort von der drohenden Kreditklemme macht die Runde. Die aktuelle Lage ist durch folgende Entwicklungen gekennzeichnet:

Die deutschen Unternehmen sind aufgrund ihrer starken Exportorientierung in besonderem Maße vom beispiellosen Einbruch der Weltwirtschaft im Zuge der Krise getroffen. Die Umsätze sind rapide eingebrochen und damit auch der Bedarf an längerfristiger Investitionsfinanzierung. Jedoch sehen sich zahlreiche Unternehmen nun kurzfristig mit einem hohen und akuten Liquiditätsbedarf zur Finanzierung des laufenden Betriebs konfrontiert.

Die zu erwartenden Kreditausfälle nehmen im Zuge der Krise zu. Dies führt seitens der Banken zu steigenden Risikoprämien und anziehenden Standards in der Kreditvergabe und zum Bestreben, risikogewichtete Aktiva abzubauen. Zudem schmilzt mit dem Andauern der Krise das Eigenkapital der Unternehmen ab, was ihren Kreditzugang zusätzlich erschwert und die Konditionen verschlechtern dürfte.

Gleichzeitig sind die Banken durch die Finanzkrise stark geschwächt: Ihr Eigenkapital ist knapp und die Refinanzierung am Kapitalmarkt hat sich zwar entspannt, ist aber weiterhin teuer. Weitere Rating-Herabstufungen und Abschreibungen sowohl bei toxischen Wertpapieren als auch zunehmend bei klassischen Unternehmenskrediten werden erwartet und führen zu einer steigenden Risikoaversion der Banken.

Diese Gemengelage hat zu erheblichen Finanzierungsproblemen der Unternehmen geführt, die seit Krisenbeginn bis heute stark zugenommen haben. Dies zeigt sich beispielsweise in den Ergebnissen des Bank Lending Survey von EZB und Deutscher Bundesbank, der seit Mitte 2007 von anziehenden Kreditstandards und Risikomargen für alle Größenklassen berichtet. Im gleichen Zeitraum ist auch die Ifo-Kredithürde - die den Anteil der Firmen angibt, die Restriktionen beim Kreditzugang verspüren - markant angestiegen.

Auch die KfW-Unternehmensbefragung 2009 zeigt, dass mit gut 35 Prozent deutlich mehr Unternehmen als im Vorjahr (29 Prozent) eine Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen gemeldet haben. Die Hauptgründe, die die betroffenen Unternehmen für Erschwernisse beim Kreditzugang anführen, sind höhere Anforderungen an die Dokumentation von Vorhaben, die Offenlegung von Informationen sowie steigende Forderungen nach Sicherheiten. Aber auch höhere Zinsen und grundsätzliche Probleme überhaupt einen Kredit zu erhalten, werden häufig genannt.

Einzelne Segmente des Kreditmarktes sind besonders betroffen: Insbesondere große Unternehmen (mit einem Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Euro) und sehr kleine Unternehmen (bis eine Million Euro Jahresumsatz) berichten laut KfW-Unternehmensbefragung signifikant häufiger von Verschlechterungen beim Kreditzugang. Während die Klagen der großen Unternehmen sich eher auf die Finanzierungsbedingungen (Klimaverschlechterung, lange Bearbeitungsdauer schlechtere Konditionen) beziehen, stehen die kleinen Unternehmen deutlich häufiger vor dem Problem, überhaupt einen Kredit zu erhalten.

Einzelne Branchen, insbesondere die stark exportorientierten Branchen des Verarbeitenden Gewerbes - Maschinen- und Fahrzeugbau, Metall- und Elektroindustrie, Schiffbau - und der Großhandel verzeichnen deutliche Restriktionen beim Kreditzugang. Aber auch für Einzelhandel und Dienstleistungsgewerbe wird die Situation schlechter. Ebenso stehen die Unternehmen vor allem bei langfristigen großvolumigen Finanzierungen, bei Konsortialfinanzierungen, aber auch bei der Finanzierung innovativer Vorhaben vor besonderen Restriktionen seitens der Banken.

Derzeit noch keine allgemeine und flächendeckende Kreditklemme

Trotz der deutlichen Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen und der besonderen Probleme in Teilsegmenten des Kreditmarktes kann jedoch bislang nicht von einer Kreditklemme im Sinne einer flächendeckenden Kreditverweigerung für Unternehmen durchschnittlicher Bonität gesprochen werden. So ergab eine KfW-Blitzbefragung von Finanzierungsexperten der Wirtschaftsverbände im April 2009: 88 Prozent von ihnen sind der Meinung, dass ein typisches Mitgliedsunternehmen ihres Verbandes derzeit nicht das Problem hat, überhaupt keinen Kredit zu bekommen.

Die Ifo-Kredithürde ist im Juli auf 45,1 Prozent gestiegen, erreicht damit allerdings bei Weitem noch nicht die Werte von über 60 Prozent, die sie in der zweiten Jahreshälfte 2003 aufwies. Ebenso zeigen die Statistiken der Bundesbank zum Volumen der ausstehenden Unternehmenskredite zwar rückläufige Zuwachsraten. Diese haben jedoch noch längst nicht die Schrumpfungsniveaus aus den Jahren 2003/2004 erreicht, als die Kreditklemmen-Diskussion schon einmal virulent war. Gleiches gilt für die von der KfW berechneten Kreditneuzusagen der deutschen Banken an Unternehmen und Selbständige: Wesentlicher Treiber des Rückgangs des Kreditneugeschäfts ist der massive Einbruch der Investitionstätigkeit - derzeit erwarten wir für 2009 ein Schrumpfen der Unternehmensinvestitionen von annähernd 20 Prozent.

Obwohl die Datenlage derzeit nicht auf eine allgemeine flächendeckende Kreditklemme deutet, ist zu befürchten, dass sich die Finanzierungssituation für die Unternehmen in den nächsten Monaten noch weiter anspannen wird. Aufgrund der aktuellen Finanz- und Konjunkturkrise droht die Gefahr einer Abwärtsspirale aus schlechter Geschäftslage, mangelnder Finanzierung und unterlassenen Investitionen. Kurzfristig ist der Zugang der Unternehmen zu Liquidität vor allem für Betriebsmittelfinanzierungen entscheidend für das Überleben vieler Unternehmen. Mittelfristig droht zudem ein aufkeimender Aufschwung aufgrund zu knapper Bereitstellung mittel- bis langfristiger Investitionsfinanzierungen gebremst oder gar verhindert zu werden.

Wenn die Unternehmen wegen der derzeitigen konjunkturellen Schwächephase die Investitionsanstrengungen der vergangenen Jahre nicht aufrechterhalten können, bleiben wichtige Impulse für eine nachhaltige wirtschaftliche, ökologische und gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands aus. Vor dem Hintergrund des ungebremst voranschreitenden Klimawandels, der weiteren Verknappung und Verteuerung von Ressourcen sowie der Herausforderungen und Belastungen durch die demografische Entwicklung sind massive Inves titionen von Wirtschaft und Staat jedoch dringend erforderlich.

Konjunkturpakete der Bundesregierung

Um diese Gefahr zu bannen, hat die Bundesregierung auf die Finanz- und Konjunkturkrise reagiert und im Herbst 2008 ein erstes Konjunkturpaket in die Wege geleitet. Anfang Januar 2009 folgte ein zweites. Der Maßnahmenkatalog beider Konjunkturpakete ist sehr umfassend und erstreckt sich von die Binnennachfrage stabilisierenden Maßnahmen über energetische Gebäudesanierung, Infrastrukturförderung bis hin zu direkten Maßnahmen zur Sicherung der Finanzierungssituation von Unternehmen. In den Jahren 2009 (zweite Jahreshälfte) und 2010 werden die Maßnahmen ihre Wirkungen entfalten.

Direkte Unterstützungsmaßnahmen für deutsche Unternehmen hat die Bundesregierung unter dem Finanzierungsschirm des aufgelegten "Wirtschaftsfonds Deutschland" mit einem Gesamtvolumen von 115 Milliarden Euro gebündelt. Der "Wirtschaftsfonds Deutschland" - ein Kredit- und Bürgschaftsprogramm - umfasst zum einen das KfW-Sonderprogramm mit einem Volumen von 40 Milliarden Euro für Investitions- und Betriebsmittelkredite, die 2009 und 2010 für kleine, mittlere und große Unternehmen bereitstehen. Mit weiteren 75 Milliarden Euro wird das inländische Bürgschaftsinstrumentarium für Unternehmen verstärkt.

Sanierung der Bankbilanzen vordringlich

Notwendige Bedingung einer durchgreifenden konjunkturellen Erholung - und der erfolgreichen Umsetzung der Hilfspakete - ist jedoch ein funktionierender Bankensektor, insbesondere eine wieder reibungslosere Kreditvergabe. Daher ist eine zügige Bereinigung der Bankbilanzen eine vordringliche Aufgabe. Durch die staatliche Stützung einzelner Institute und insbesondere durch das nun verabschiedete Bad-Bank-Gesetz sind wichtige Schritte in die richtige Richtung eingeleitet. Besonders bedeutsam für die langfristige Stabilität und nachhaltige Funktionstüchtigkeit des Bankensektors ist jedoch auch ein neuer nationaler und internationaler Regulierungsrahmen. Die Vertrauenskrise im Finanzsystem muss möglichst rasch und vollständig überwunden werden.

Trotz des Ausmaßes der Krise haben die Unternehmen Gestaltungsspielräume, die sie aktiv nutzen sollten: So sind die Möglichkeiten staatlicher Unterstützungsangebote im Rahmen der beiden Konjunkturpakete der Bundesregierung bei Weitem nicht ausgeschöpft. Der Zugang zu Bankkrediten kann zudem auch durch Unternehmen selbst verbessert werden. Eine Option ist beispielsweise, Finanzierungsvolumina zu reduzieren, was durch eine Verkürzung der Unternehmensbilanzen erreicht werden kann. Dazu gehören Maßnahmen wie Reduzierung offener Forderungen, Kostensenkung, Auflösung von Rückstellungen oder Minimierung des Warenlagers. Auch Leasing und Factoring schonen die Liquidität des Unternehmens und verkürzen damit die Bilanzen. Die abschmelzende Eigenkapitalausstattung kann durch Ausweitung der Gesellschafterbasis oder Aufnahme von externem Beteiligungskapital gemildert werden. Dadurch wird eine Verbesserung der Eigenkapitalquote erreicht, die wiederum die Aufnahme von Kreditmitteln erleichtert. Auch Mezzanine-Kapital kann zu einer interessanten Finanzierungsalternative werden. Insbesondere individuelle Lösungen, die sich durch flexible Laufzeiten sowie Auszahlungs- und Rückzahlungsmodalitäten auszeichnen, sind vorteilhaft.

Neben den rein betriebswirtschaftlichen Maßnahmen gewinnt das Thema "Kommunikation" in Zeiten der Krise an Bedeutung. Denn besonders in der Krise ist es schädlich, wenn die interne und externe Unternehmenskommunikation - gegenüber den Gläubigern, Kunden, Banken und Partnern - falsch oder gar nicht läuft.

Die jüngsten Meldungen des Statistischen Bundesamtes zum leicht positiven BIP-Wachstum im zweiten Quartal 2009 und auch andere Indikatoren wie die Exportentwicklung oder die Auftragseingänge machen am aktuellen Rand Hoffnung, dass der Tiefpunkt der Wirtschaftskrise zumindest soweit es das BIP-Niveau und seine Veränderungsraten betrifft - möglicherweise hinter uns liegt. Um die Folgen des drastischen Einbruchs insbesondere auf die Unternehmen und deren Beschäftigte im Nachgang der Krise so gering wie möglich zu halten, müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Die richtigen Weichen sind gestellt und die KfW leistet hierbei einen markanten Beitrag.

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