Kooperationen

" Gemeinsam lässt sich die Schlagkraft vor Ort deutlich erhöhen" / Interview mit Manfred Geyer

In ländlichen Regionen gibt es ja schon eine ganze Reihe von innovativen Kooperationen - beispielsweise gemeinsame SB-Standorte von Volksbanken und Sparkasse als Alternative zum völligen Rückzug. Haben Sie mit so etwas bereits Erfahrung?

Ja. An einem Standort betreiben wir einen gemeinsamen Geldautomaten, weil es unwirtschaftlich wäre, wenn jedes Institut einen eigenen Automaten installieren würde. Solche Konzepte eignen sich natürlich nur dort, wo zum Beispiel Kleinstgeschäftsstellen gänzlich aufgegeben werden oder man einen neuen Standort, beispielsweise in Einkaufszentren schafft und sowohl den Volksbank- als auch den Sparkassenkunden die Möglichkeit geben möchte, sich beim Einkauf mit Bargeld zu versorgen. Wir betreiben beispielsweise in einem Einkaufsmarkt in Merkendorf gemeinsam mit der Sparkasse Gunzenhausen einen Geldautomaten.

Gab es bisher auch schon eine Zusammenarbeit mit den beiden Instituten, mit denen Sie jetzt in Treuchtlingen eine Gemeinschaftsfiliale gründen wollen?

Nein. Die Entfernungen sind einfach zu groß, als dass sich hier eine Kooperation beispielsweise bei den Wertdienstleistern angeboten hätte.

Welche Gründe haben zu der Entscheidung geführt, in Treuchtlingen die Filialen zusammenzulegen?

Treuchtlingen ist nach meinem Dafürhalten das eklatanteste Beispiel für die Mehrfachpräsenz von Genossenschaftsbanken. Denn in Treuchtlingen arbeiten vier Genossenschaftsbanken, wenn man die Filiale der Sparda-Bank München mit dazu rechnet - und das in einer Kleinstadt mit 7 500 Einwohnern. Das ist keine zukunftsweisende Konstellation.

Deshalb war gerade dieser Ort prädestiniert dafür, das Thema anzugehen und nach Lösungen zu suchen. Speziell in meiner Funktion als Bezirkspräsident der Volks- und Raiffeisenbanken in Mittelfranken war ich daran interessiert, solche historisch gewachsenen Konstellationen zukunftsfähig zu machen. Seit den Garmischer Beschlüssen gilt ja auf Bundesebene die Zielsetzung "ein Markt - eine Bank".

Ich gehe davon aus, dass das Projekt Modellcharakter haben könnte. Denn es kommt ja häufiger vor, dass es bedingt durch die geschichtliche Entwicklung in einzelnen Orten Doppelbesetzungen gibt. Sowohl der Genossenschaftsverband Bayern als auch der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken begrüßen diese Initiative deshalb ausdrücklich.

In vielen Fällen werden solche Gemengelagen ja durch Fusion gelöst ...

Das ist sicher der zunächst anzustrebende Weg. Und auf diesem Weg wurde auch schon viel erreicht, viele Doppelbesetzungen sind verschwunden. Die VR-Bank Bayern Mitte mit Sitz in Ingolstadt, die jetzt an unserem Projekt beteiligt ist, ist ein Beispiel dafür. Denn es gab früher sowohl in Eichstätt als auch in Ingolstadt eine Doppelbesetzung, die erst durch zwei Fusionen beseitigt werden konnte.

In unserem Fall hat sich aufgrund der geografischen Lage eine Fusion nicht angeboten: Das Geschäftsgebiet wäre einfach zu groß geworden. Eine solche Fusion hätte sich mit dem Charakter einer genossenschaftlichen Regionalbank nicht mehr vertragen. Denn auch die Raiffeisenbank Weißenburg-Gunzenhausen ist durch zahlreiche Fusionen entstanden und stellt heute eine Landkreis-Genossenschaft dar. Sie in eine Fusion mit Ansbach und Ingolstadt einzubringen, wäre nicht mehr machbar gewesen. Insofern hat eigentlich niemand an eine Fusion gedacht.

Das warf natürlich die Frage auf, was sich tun lässt, um die Zersplitterung in Treuchtlingen zu beseitigen. Kurzfristig haben wir auch daran gedacht, unter Beteiligung der drei Institute eine neue Genossenschaft zu gründen. Aber angesichts des damit verbundenen Aufwands - schon im Hinblick auf die Regulatorik - wurde diese Idee rasch wieder fallengelassen. Am ehesten konsensfähig war unter allen Beteiligten die jetzt praktizierte Lösung.

Eine neu zu gründende Volksbank Treuchtlingen wäre sicher zu klein gewesen ...

Das ist richtig. Eigentlich geht man ja heute davon aus, dass eine Betriebsgröße, wie sie dann entstanden wäre, auf die Dauer nicht mehr wirtschaftlich sein wird. Insofern wäre es unsinnig gewesen, so ein kleines Institut neu zu schaffen.

So kamen wir auf die Kooperation, in die die drei beteiligten Genossenschaftsbanken ihr Retailgeschäft einbringen. Unser Ziel ist es, hier ein Mehrgewinnermodell zu schaffen, von dessen Umsetzung alle profitieren. Die Kunden, die Mitarbeiter und nicht zuletzt die drei Banken.

Vorteil für die Kunden: Es entsteht eine schlagkräftigere Einheit, mit besseren räumlichen Verhältnisse für die Beratung und deutlich verbesserter technischer Ausstattung. Und natürlich werden Spezialisten vor Ort sein, die bisher keine der drei Banken dort einsetzen konnte.

Auch für die Mitarbeiter ist die gemeinsame Filiale eine große Verbesserung, was die Zukunftsfähigkeit angeht. Denn sie können in einer größeren Einheit vielfältiger eingesetzt werden und haben natürlich bessere Entwicklungsmöglichkeiten.

Die Bank selbst wird vor Ort als leistungsstarke Genossenschaftsbank wahrgenommen werden. Es war ja am Markt Treuchtlingen mit 7 500 Einwohnern im Kerngebiet und gut 12 500 einschließlich Umland auch schon eine gewisse Verwirrung entstanden. Wir haben dort mit Raiffeisen Volksbank eG Gewerbebank firmiert, die Kollegen aus Ingolstadt als Volksbank Raiffeisenbank Bayern Mitte eG, und das dritte Institut war die Raiffeisenbank Weißenburg-Gunzenhausen eG. Für jemanden, der neu in diesen Ort kam, war dadurch die Verwirrung relativ groß. Im Marktauftritt nach außen, auch in der Werbung, waren die Abgrenzungsmöglichkeiten sehr begrenzt. Denn aufgrund des gleichen Geschäftsmodells haben wir natürlich auch die gleichen Werbebotschaften, die überdies von den Verbänden relativ einheitlich gestaltet werden, um den Wiedererkennungswert der Gruppe zu stärken. Hier konnte sich keiner richtig differenzieren und profilieren.

Wie sieht das Konzept der Gemeinschaftsfiliale in Treuchtlingen im Einzelnen aus?

Jede Bank gibt ihr Geschäftslokal auf, statt dessen entsteht ein neues Bankgebäude direkt im Herzen dieser Kleinstadt mit modernen Beratungsräumen und erweitertem Serviceangebot.

Federführend für die neue Geschäftsstelle ist die Raiffeisenbank Weißenburg-Gunzenhausen. Der neue Standort läuft unter ihrer Lizenz. Die Retailkunden aller drei beteiligten Institute werden rechtlich auf die Raiffeisenbank Weißenburg-Gunzenhausen übertragen. Dazu haben wir uns entschieden, weil die Filiale im Marktgebiet dieser den Landkreis abdeckenden Genossenschaft liegt.

Das heißt, Sie geben die Kunden vor Ort komplett ab?

So ist es. Rechtlich ist es eine Übertragung eines bestimmten Kundenstamms. Wir und auch die Volksbank Bayern Mitte geben das Retailgeschäft ab. Jede übertragende Bank behält jedoch ihr Individualkundengeschäft, sowohl im Privatkunden- als auch im Firmenkundenbereich und betreut diese Klientel weiterhin von ihren Filialen aus (bei uns ist es Gunzenhausen, bei der Volksbank Raiffeisenbank Bayern Mitte ist es Weißenburg). Für die Serviceleistungen, die auch diese Kunden in Anspruch nehmen, steht die neue Filiale unter der rechtlichen Federführung der Raiffeisenbank Weißenburg-Gunzenhausen zur Verfügung.

Für eine solche Einzelübertragung braucht es vermutlich die Einwilligung der Kunden?

Ja. Anders als bei einer Fusion mit einer Gesamtrechtsnachfolge ist bei diesem Ansatz jede Kundenverbindung einzeln zu übertragen. Bereits im Vorfeld haben die beteiligten Banken deshalb ausführliche Gespräche mit den Vertretern in der Region geführt, um zu erfahren, ob auch die obersten Organe der Genossenschaften bereit sind, diesem Weg zuzustimmen. Dabei sind wir auf großes Verständnis gestoßen, weil für alle erkennbar war, dass es wirtschaftlich wenig sinnvoll ist, wenn alle drei ihren Weg alleine weitergehen, zumal jedes Haus vor der Notwendigkeit einer baulichen Investition gestanden hätte. Zudem lässt sich gemeinsam die Schlagkraft am Markt deutlich erhöhen, weil die personelle Ausstattung in der neuen Gemeinschaftsfiliale natürlich eine wesentlich größere und bessere ist als es vorher jeder einzeln darstellen konnte. Das gilt vor allem für die Spezialisten, die heute für eine optimale Marktbearbeitung und Kundenversorgung erforderlich sind.

Unmittelbar, nachdem die Organe ihre Zustimmung signalisiert hatten, haben wir sofort gemeinsame Kundenveranstaltungen durchgeführt und über diese Überlegungen informiert. Auch dort sind wir auf breite Zustimmung gestoßen.

Mit den Kunden wechseln auch die Berater zur Raiffeisenbank Weißenburg-Gunzenhausen?

Ja. Die Berater im Retailgeschäft wechseln alle zur Raiffeisenbank Weißenburg-Gunzenhausen, werden dort aber schwerpunktmäßig Ansprechpartner für die Kunden aus den ursprünglichen Häusern bleiben. Denn die Kunden sollen ihre persönlichen Beziehungen nicht verlieren, was im Hinblick auf die Vertrauensbasis wichtig ist. Jeder Kunde soll sein vertrautes Gesicht wiederfinden, allerdings in neuen gemeinsamen Räumen.

Mit der Zeit wird sich das allerdings vermengen, weil Mitarbeiter wechseln und neue Kunden hinzukommen. Mittelfristig wird das eine neue Einheit werden, und neue Kunden werden der Raiffeisenbank Weißenburg-Gunzenhausen zuwachsen.

Welches Geschäftsvolumen geben Sie mit dem Retailgeschäft ab?

In die Gemeinschaftsfiliale wird (Aktiv und Passiv zusammengerechnet) ein Geschäftsvolumen von rund 90 Millionen Euro eingebracht. Es verteilt sich fast jeweils zu einem Drittel auf die einzelnen Institute. Damit entsteht eine Filiale, die von der Größe her spürbar über dem Durchschnitt einer Genossenschaftsbank-Filiale in Bayern liegt. Das sind im Moment rund 77 bis 80 Millionen Euro.

Das Volumen, das bei den beiden übertragenden Banken verbleibt, sind jeweils 35 Millionen Euro, aus dem Firmenkundengeschäft beziehungsweise dem gehobenen Privatkundengeschäft.

Wie lohnt sich das Projekt für die beiden Häuser, die das Retailgeschäft mit einem Volumen von zusammen 50 Millionen Euro abgeben?

Wir haben wir vereinbart, dass der Erfolg der Gemeinschaftsfiliale anteilig aufgeteilt wird. Die das Retailgeschäft abgebenden Institute, nämlich Bayern Mitte und wir, bekommen den anteiligen Deckungsbeitrag vergütet. So wird sich wirtschaftlich für kein Institut eine nennenswerte Veränderung ergeben.

Zunächst einmal haben wir einen Zeitraum von 15 Jahren definiert, in dem der Erfolg aufgeteilt wird. Uns war von Anfang an bewusst, dass hier eine große Vertrauensbasis zwischen den Vorständen der einzelnen Banken notwendig ist. Bestandteil unserer Vereinbarung ist es, Korrekturen durchzuführen, wenn die Entwicklung für einen der Partner sich als nachteilig abzeichnet.

An eine spätere Fusion ist aber aus den genannten Gründen nicht gedacht?

Nein. Wenn man eine Fusion als Fernziel hätte, dann hätte man besser gleich fusionieren sollen.

Warum ist die Sparda-Bank nicht mit im Boot? Hätte das den Rahmen gesprengt, weil das Geschäftsmodell zu unterschiedlich ist?

Ja, das hätte nicht gepasst. Obwohl die Sparda-Bank ausschließlich Retailgeschäft betreibt, hat sie eine ganz andere Geschäftsphilosophie. Während die Volksund Raiffeisenbanken sich den Herausforderungen des Marktes als Qualitätsanbieter stellen, fährt die Sparda-Bank mit einer sehr standardisierten Angebotspalette im Wesentlichen eine Preisstrategie und versucht, mit den Direktbanken zu konkurrieren. Unsere Zielsetzung ist eine andere: Wir wollen durch eine persönliche Beratung, die es nicht zum Nulltarif geben kann, Nutzen stiften.

Zwei Logos aufzuhängen und links das Angebot der VR-Bank zu präsentieren, rechts das der Sparda-Bank wären somit drei Schritte auf einmal gewesen.

Wann soll die Gemeinschaftsfiliale starten?

Geplant ist ein Start Mitte 2014. Das hängt jedoch davon ab, ob der Bankneubau bis dahin bezugsfertig ist. Die beteiligten Banken werden dann ihre Mitarbeiter einbringen, sodass die Betreuungsverhältnisse dann nahtlos fortgeführt werden können. Auch bei der Raiffeisenbank Weißenburg-Gunzenhausen gibt es Umstrukturierungen, da Spezialisten, die bislang andernorts eingesetzt werden, dann in Treuchtlingen zum Einsatz kommen. Das Projekt steht unter dem Leitsatz von Friedrich Wilhelm Raiffeisen: "Was der Einzelne nicht zu leisten vermag, das schaffen viele."

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