Leitartikel

Kein Klotz am Bein

sb - Unbestritten: Wir leben in einer schnelllebigen Zeit, die Technik und mit ihr das Verbraucherverhalten wandeln sich immer schneller. Mit diesem Entwicklungstempo müssen auch Banken und Sparkassen mithalten. Und dennoch ändert sich am Grundsätzlichen gar nicht so viel. "Der Kunde will nicht zu viel Technik" konstatierte Hans J. Lange, damals Bereichsvorstand Privat- und Geschäftskunden der Deutschen Bank, in der Februar-Ausgabe von bank und markt im Jahr 1999. "Wir wollen keine technischen Gimmicks" stellt HVB-Privatkundenvorstand Peter Buschbeck heute, 15 Jahre später fest (siehe Interview auf Seite 15). Und die These von Friedrich-Michael Keine, Vorstand der Volksbank Paderborn, der in der genannten Ausgabe von 1999 die Zweigstelle nicht als Mühlstein um den Hals des deutschen Bankgewerbes verstanden wissen wollte, wird auch heute noch von den Filialbanken geteilt.

Das heißt nicht, dass alles beim Alten bleiben kann. Denn natürlich summiert sich ein Netz von 38 225 Bankstellen in Deutschland mit Mieten, Personal-, Technik- und Infrastrukturkosten zu einem beträchtlichen Kostenblock. Dieser lohnt sich im digitalen Zeitalter immer weniger, weil die Servicefunktion der Geschäftsstelle immer weniger in Anspruch genommen wird, ohne dass die Nachfrage nach Beratung im gleichen Maße steigt. Dass in Deutschland seit 1997 insgesamt 28 539 Standorte aufgegeben wurden, was einem Rückgang um 42,7 Prozent entspricht, ist insofern folgerichtig. Auf den verbleibenden Filialen ruht das Augenmerk daher umso stärker. Mit ihnen ist es wie mit den Fachgeschäften des Einzelhandels: Wo sie bestehen, hält sich der Zuspruch in Grenzen, werden sie geschlossen, ist der Aufschrei groß. Wo in der Fläche ein Rückzug geboten scheint, ist es somit wichtig, für die bestehenden Servicefunktionen im Bereich des Zahlungsverkehrs Alternativen auch für Nicht-Onliner zu schaffen. Das können gemeinsame SB-Stützpunkte von VR-Bank und Sparkasse sein, die sich jedoch offenbar nicht bewährt haben. Das können fahrbare Geschäftsstellen sein, die im Sparkassenbereich eine kleine Renaissance erleben. Oder es können auch Kooperationen mit dem Einzelhandel, ein Bargeldlieferservice und ein gutes Telefonbanking (persönlich, nicht per Sprachcomputer) sein, wie es die Westerwald Bank praktiziert (siehe Seite 25). Für die Beratung, das hat die Praxis gezeigt, nehmen die Kunden auch längere Wege in Kauf.

Kernfunktion der Filiale wird mehr denn je die Beratung. Denn in der digitalen Welt steht zwar eine Unmenge an Informationen online zur Verfügung. Und ein Großteil der Kunden nutzt dieses Angebot, ehe er zum Gespräch kommt. Aber gerade die Vielfalt des Informationsangebots macht es oftmals auch schwierig, das Wesentliche oder Richtige herauszufiltern. Der Beratungsbedarf an sich hat also nicht nachgelassen. Und die Rahmenbedingungen von Niedrigzinsumfeld bis zur Demografiefalle geben Anlässe genug, Unterstützung zu suchen. Dass auch die Direktbanken immer stärker daran arbeiten, mit stets noch ausgefeilteren Online-Tools Hilfestellung zu leisten oder Beratung per Telefon, Live-Chat oder Video anzubieten, ist das deutlichste Signal dafür. Es zeigt aber auch: Nicht immer kommt der Kunde zur Beratung in die Filiale. Die Videoberatung, noch vor ein, zwei Jahren vielfach skeptisch beäugt, hält rasenden Einzug in der Branche. Zuletzt hat die BW-Bank ihre Einführung bekannt gegeben.

Wird die Technik den "echten" menschlichen Kontakt also über kurz oder lang ersetzen? Es sieht nicht danach aus. Studien zeigen, dass auch die "Digital Natives" gerne die Chance wahrnehmen, ihrem Berater nicht nur virtuell, sondern ganz real zu begegnen. Erfolgreich ist die Videoberatung vor allem als Ergänzung zum Beratungsgespräch vor Ort. Wenn dort bei Bedarf ein Experte per Video zugeschaltet werden kann, anstatt einen neuen Termin mit ihm zu vereinbaren, lässt das das Vertrauen und die Kundenzufriedenheit steigen. Auch das ist eine neue Form von Service.

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