Finanzbildung

Ohne Finanzbildung fehlt es an Nachwuchskräften

Im vergangenen Sommer betitelte das Handelsblatt einen Beitrag über die Finanzbildung der Europäer mit der Schlagzeile: "Deutsche sind größte Finanzanalphabeten Europas". Belegt wurde dieses Urteil mit den Ergebnissen einer Umfrage, nach der mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Befragten in Deutschland angab, zeit ihres Lebens keine Finanzbildung erhalten zu haben. Nur ein knappes Fünftel (18 Prozent) meinte, dass sie in der Schule etwas über die Finanzwelt gelernt hätten.

Damit bildet Deutschland - zumindest in dieser Umfrage - das Schlusslicht in der europäischen Finanzbildung. Für den Wirtschaftsprimus Europas ein niederschmetterndes Zeugnis - und ein blauer Brief für alle, die für das Fach Wirtschaft an deutschen Schulen zuständig sind.

Fehlende Finanzbildung verstärkt das Demografieproblem

Insbesondere für Banken und Finanzdienstleister kann die fehlende Finanzkompetenz von Schülern gravierende Folgen haben. Denn im Zuge des demografischen Wandels, der zukünftig immer weniger Schulabgänger ins Berufsleben entlässt, wird der Wettbewerb um die Talentiertesten von ihnen deutlich zunehmen. Wir sind in Zukunft mehr denn je darauf angewiesen, dass junge Menschen uns Banken als interessante Arbeitgeber wahrnehmen, damit wir international wettbewerbsfähig bleiben.

Wer aber in der Schule schon wenig über ein Wissensgebiet erfahren hat, entwickelt häufig auch später kein besonderes Interesse mehr daran. Wenn dann noch eine Imagekrise hinzu kommt, wie sie das Berufsbild des Bankers infolge der Finanzkrise zweifellos erlitten hat, dann stehen die Chancen im Wettbewerb um Top-Auszubildende schlecht.

In der Schule für Finanzthemen begeistern

Es gilt also, junge Menschen möglichst noch in der Schulzeit für Finanzthemen zu begeistern. Die Anstöße von außen sind zahlreich: Banken und Verbände bemühen sich, eigene Unterrichtsmaterialien zu erstellen, die objektives Fachwissen vermitteln und nicht als Einflussnahme missdeutet werden. Verschiedene Börsenspiele - virtuell oder real - versuchen, einen Einblick in die Mechanik der Geld- und Kapitalmärkte zu vermitteln.

Auch der BVR hat, obschon zurzeit noch nicht von Bewerbermangel betroffen, ein umfangreiches Schulportal aufgebaut, das detailliertes und ansprechendes Info-Material zur Verfügung stellt (siehe Beitrag Uwe Fröhlich auf Seite 22). Einzelne Partnerinstitute in der Genossenschaftlichen Finanzgruppe engagieren sich, dieses Angebot durch konkrete Maßnahmen zu ergänzen.

So auch die WL Bank. Unserer Erfahrung nach gewinnt man Schüler am besten im persönlichen Kontakt und durch Anschaulichkeit. Dann wird selbst eine Pfandbriefbank plötzlich spannend und attraktiv. Aus diesem Grund hat die WL Bank mit Hauptsitz in Münster (Westfalen) eine Kooperationsvereinbarung mit zwei weiterführenden Schulen in der Stadt getroffen. Darin werden unterschiedliche Maßnahmen zur Zusammenarbeit bei der schulischen Finanzbildung verbindlich festgelegt. Erweiterungen sind geplant und für die Zukunft angelegt.

Direkter Zugang zur Bank

Anders als bei Unterrichtsmaterialien oder Schülerportalen geht es in diesem Modell um den direkten Zugang zur Bank. Der Einblick in die Praxis ist das A und O. Ganz wörtlich gilt das, wenn Schulklassen oder Kurse in die Bank kommen und die Vorstandsetage, Kreditreferate, den Handelsraum oder auch das Betriebsrestaurant besichtigen. Wenn sich die Schüler mit den Kollegen unterhalten, bekommen abstrakte Begriffe wie Baufinanzierung, Kommunalkredit oder auch Pfandbrief-Emission eine reale Bedeutung für sie. Und durch die persönliche Ansprache haben sie einen Anfasser, der ihnen den tieferen Einstieg in das Thema ermöglicht.

Eingebunden in das Projekt "Partnerschaft Schule-Betrieb" der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen, soll die Kooperation dazu beitragen, Schülern die Arbeitswelt in der Finanzbranche so zu zeigen, wie sie wirklich ist - mit ihren Möglichkeiten und mit ihren Anforderungen.

- Mitarbeiter der WL Bank werden in die Schulen kommen und dort über die verschiedenen Ausbildungswege in der Bank berichten. Denn außer der "klassischen" Ausbildung Bankkaufmann/-frau bietet die bundesweit tätige Pfandbriefbank auch die Möglichkeit des Dualen Studiums. Dabei werden Ausbildung und Universitätsabschluss miteinander verbunden. Die WL Bank ist eine von nur zwei Banken in NRW, die im Rahmen des Dualen Studiums auch den Master-Abschluss (Banking and Finance) anbietet.

- Neben den Ausbildungsangeboten geht es bei der Kooperation vor allem um konkrete Inhalte aus der Finanzwelt, die den Schülern vermittelt werden. So hat ein Wirtschaftskurs des Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasiums in der Bank aktuelle Informationen über die Aufgabe und Funktion der Europäischen Zentralbank eingeholt und dabei auch erfahren, welche Auswirkungen Beschlüsse im fernen Brüssel auf die Banken vor Ort haben können. Im Juni werden Schüler des Ludwig-Erhard-Berufskollegs dann tiefer in das Thema Betriebsorganisation und Projektmanagement einsteigen.

Darüber hinaus sind längerfristige Formen der Zusammenarbeit zwischen Schülern und Bank geplant. So können Themen für Facharbeiten, wie sie in Nordrhein-Westfalen in der 11. Klasse erstellt werden müssen, aus der Bank kommen und fachlich begleitet werden. Mit der Fachschaft Sozialwissenschaften des Gymnasiums ist außerdem ein freiwilliger Projektkurs angedacht. Darin soll über zwei Schulhalbjahre lang ein Wirtschaftsprojekt konzipiert und realisiert werden - auch hier natürlich mit Unterstützung durch die Bank beziehungsweise ihre fachlich zuständigen Mitarbeiter.

Bezug zur persönlichen Erfahrungswelt

Grundsätzlich sind im Rahmen der Kooperation weitere Aktivitäten denkbar. Lehrer-Fortbildungen zu finanzwirtschaftlichen Themen durch die WL Bank können ebenso dazu gehören wie Gastbeiträge in der Schulzeitung, wenn sie von der Redaktion gewünscht werden.

Wichtig ist bei allem der lebensnahe Einblick in die Praxis und der Bezug zur persönlichen Erfahrungswelt der Jugendlichen. Darin liegt das gemeinsame Anliegen von Branchenunternehmen und Bildungseinrichtungen: Unsere Aufgabe ist es, den jungen Menschen zu zeigen, dass Finanzbildung ihnen eine bessere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht und kein exotischer Wissensballast ist. Nur dann kann Finanzbildung an Schulen erfolgreich sein.

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