Konsumentenkredit

Verbraucherkreditrichtlinie: faktisches Aus für Fernsehwerbung

Nachdem die EU sechs lange Jahre über eine neue Verbraucherkreditrichtlinie beraten hat, hat sich Deutschland auf die Fahnen geschrieben, die Richtlinie früher umzusetzen, als es die EU verlangt. Bis 31. Oktober 2009 will der deutsche Gesetzgeber die Neuregelungen eingeführt haben. Das sind sechs Monate früher als es die Richtlinie vorsieht. Der Umsetzungsaufwand in den Banken ist indes immens.

Bis zu acht Seiten mehr Papier sollen Verbraucher künftig lesen, wenn sie einen Kreditvertrag unterzeichnen. Dies gilt auch dann, wenn sie "nur" einen Flachbildfernseher im Einzelhandel finanzieren wollen. In der vorvertraglichen Phase vor der Abgabe der bindenden Vertragserklärung durch den Verbraucher muss jede Bank in Zukunft zwei grundlegende Informationspflichten erfüllen.

Verbraucher trifft eigenverantwortliche Entscheidung

Zum einen muss sie dem Darlehensnehmer ein zirka vierseitiges, europaweit einheitliches Standardinformationsformular aushändigen, in welchem rund 30 vertragsrelevante Einzelinformationen zusammengefasst sind. Dazu gehören die vollständigen Kontaktdaten des Kreditgebers und gegebenenfalls des Kreditvermittlers wie einem Einzelhändler sowie der Kreditbetrag, der effektive Jahreszins und weitere Angaben.

Zum anderen muss der Darlehensgeber den Vertrag gegenüber dem Verbraucher erläutern. Der Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums vom Juni 2008 hatte noch vorgesehen, dass im Ergebnis der Kreditgeber für die vermeintlich richtige Produkt- beziehungsweise Produktvariantenwahl des Verbrauchers haftet. Im vorliegenden Regierungsentwurf ist im Sinne der europäischen Richtlinie klargestellt, dass der Verbraucher eine eigenständige und selbstverantwortliche Entscheidung trifft. Die Erläuterungen sollen ihn lediglich in die Lage versetzen, seine Entscheidung ausreichend informiert treffen zu können.

Die Einführung des vorvertraglichen Standardinformationsformulars (das sogenannte "SECCI" als Abkürzung für "Standard European Consumer Credit Information") ist eine der zentralen Herausforderungen bei der Umsetzung in die Geschäftspraxis. Ein entsprechender Verfahrensschritt ist in den heutigen Geschäftsabläufen nicht vorgesehen und muss neu konzipiert und integriert werden.

Formular beruht auf vertragsspezifischen Informationen

Erschwerend kommt hinzu, dass das SECCI auf vertrags- und verbraucherspezifischen Einzelinformationen aufbaut, sodass für jeden einzelnen Darlehensnehmer ein jeweils individueller Ausdruck erfolgen muss. Es fragt sich, ob mehr Informationen automatisch zu besser informierten Verbrauchern führen. Sie werden künftig mit einer Vielzahl und Vielfalt an Informationen überschüttet werden. In der Praxis wird dies mehr Verwirrung als Aufklärung mit sich bringen.

Das im deutschen Recht bereits verankerte vierzehntägige Widerrufsrecht wird europa weit eingeführt. Während alle anderen EU-Staaten also die hohen deutschen Verbraucherschutzstandards erhalten, muss Deutschland zurückstecken. Bislang gibt es hierzulande Muster für die Widerrufsbelehrung, die Banken verwenden können, um gesetzeskonform zu handeln.

Muster zur Widerrufsbelehrung nicht mehr vorgesehen

Im deutschen Regierungsentwurf sind allerdings keine gesetzlichen Muster zur Widerrufsbelehrung bei Verbraucherdarlehen mehr vorgesehen. Dabei bleibt die gesetzliche Pflicht bestehen, den Verbraucher über das Widerrufsrecht, die Modalitäten der Ausübung des Rechts und die mit Widerruf eintretenden Rechtsfolgen zu informieren.

Außerdem behält der deutsche Gesetzgeber über die Richtlinienvorgaben hinaus die strenge Rechtsfolge der dauerhaften schwebenden Unwirksamkeit von Darlehensverträgen bei, falls eine Bank nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht informiert. Die Abschaffung des gesetzlichen Musters führt so zu einer enormen Rechtsunsicherheit für Darlehensgeber, gepaart mit einem erheblichen rechtlichen Risiko für die abgeschlossenen Darlehensverträge, die bei nicht ordnungsgemäßer Information unbefristet widerrufen werden können. Der Bankenfachverband setzt sich im Gesetzgebungsverfahren massiv für die Beibehaltung gesetzlich verbindlicher Muster ein.

Preiswerbung im Radio oder TV mit einem Berechnungsbeispiel versehen

Die Werbung für Verbraucherdarlehen wird künftig deutlich strenger und detaillierter als im bisherigen Recht reguliert. Jeder preislichen Bewerbung eines Verbraucherdarlehens soll ein auffallendes repräsentatives Berechnungsbeispiel beigefügt werden. Preisliche Bewerbung bedeutet eine Werbemaßnahme, die preisbezogene Zahlen wie einen Zinssatz oder eine Monatsrate enthält. Das repräsentative Berechnungsbeispiel ist nicht nur bei Werbung in Printmedien, sondern auch bei Fernseh-, Radio- oder Internetwerbung beizufügen.

Der deutsche Gesetzgeber hat den Begriff "repräsentativ" in Paragraf 6a Abs. 3 der Preisangabenverordnung präziser definiert. So muss das Berechnungsbeispiel auf einem effektiven Jahreszins basieren, von dem der Darlehensgeber erwarten kann, dass mindestens zwei Drittel der Verbraucher diesen oder einen niedrigeren Zinssatz erhalten. Diese Regelung lässt aber völlig offen, auf welcher Grundlage der Zwei-Drittel-Anteil errechnet werden soll, da ja zum Zeitpunkt der Werbung noch nicht feststeht, welche Kunden den Kredit beantragen.

Weniger Wettbewerb und Preistransparenz

Faktisch führen diese Auflagen zu einem Werbeverbot für Kredite im Fernsehen und Radio, da sie entweder gar nicht oder nicht mehr mit einem vernünftigen Kostenaufwand zu erfüllen sind. Denn ein "repräsentatives" Berechnungsbeispiel lässt sich in einem Fernseh- oder Rundfunkspot nicht realisieren. Ein Beispiel wäre zu umfangreich, um von einem Sprecher gelesen werden zu können. Auch eine optische Einblendung im Fernsehen scheidet aus.

Somit würde Werbung mit günstigen Finanzierungsangeboten beispielsweise für Autokredite oder Möbelfinanzierungen künftig der Vergangenheit angehören. Infolge der Neuregelungen werden die Banken Kredite entweder weniger oder gar nicht mehr unter Angabe von Preisen bewerben. Beides führt zu weniger Wettbewerb und weniger Preistransparenz.

Neu im deutschen Verbraucherdarlehensrecht ist das Recht des Verbrauchers, ein Darlehen jederzeit ganz oder teilweise zurückzuzahlen. Bislang kann ein Darlehen nur vollständig und frühestens sechs Monate nach Auszahlung des Darlehens sowie mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Der Darlehensgeber kann im Gegenzug eine Vorfälligkeitsentschädigung geltend machen.

Kreditwirtschaft unter Zeitdruck

Künftig steht diese allerdings unter mehreren einschränkenden Bedingungen. So darf die Entschädigung unter anderem ein Prozent beziehungsweise im letzten Jahr der Vertragslaufzeit 0,5 Prozent des zurückgezahlten Betrages nicht übersteigen. In der Praxis müssen die entsprechenden Geschäftsabläufe geschaffen werden.

Der Gesetzentwurf sieht ein Inkrafttreten der Neuregelungen zum 31. Oktober 2009 vor, obwohl die Vorgaben der Verbraucherkreditrichtlinie dem deutschen Gesetzgeber eine spätere Umsetzung bis zum 12. Mai 2010 erlauben. Das frühe Inkrafttreten setzt die Kreditwirtschaft unter enormen Zeitdruck, da nur wenige Monate verbleiben, um sämtliche erforderlichen Änderungen umzusetzen.

Anpassung der IT-Systeme ist besonders arbeitsintensiv

Geändert werden müssen unter anderem die IT-Systeme, Vertragsformulare und Geschäftsabläufe, was langwierige und umfangreiche Vorbereitungs- und Umstellungsprozesse auslöst. Jedes einzelne gegenüber Verbrauchern verwendete Vertragsdokument muss überarbeitet und angepasst werden. Das Standardformular zur vorvertraglichen Information muss komplett neu konzipiert und die entsprechenden Geschäftsabläufe geschaffen werden.

Enorm arbeits- und zeitintensiv sind hier bei insbesondere die Anpassungen der IT-Systeme, die allein mehrere Monate benötigen. Anschließend müssen Banken ihre Mitarbeiter und gegebenenfalls Vertriebspartner wie Kfz-Händler über die Änderungen informieren und entsprechend schulen, um eine korrekte Anwendung der neuen Vorgaben zu gewähr leisten. Der Bankenfachverband setzt sich im laufenden Gesetzgebungsverfahren daher für ein Inkrafttreten zum 12. Mai 2010 ein.

Zukünftig Online-Kreditverträge möglich

Grundsätzlich dürfen Verträge in Deutschland auch über das Internet geschlossen werden. Für Verbraucherdarlehensverträge gilt bislang allerdings noch die strenge Schriftform, das heißt der Verbraucher muss den Vertrag eigenhändig unterschreiben. Diese strenge Vorgabe wird abgeschafft, sodass Kredite künftig nicht nur online beantragt, sondern auch abgeschlossen werden können.

Berücksichtigt man, dass Konsumgüter zunehmend im Internet gekauft werden, ließe sich damit auch die zugehörige Absatzfinanzierung im Internet als Point-of-Sale abbilden. Allerdings beharrt der deutsche Gesetzgeber auf der Einhaltung der elektronischen Form, die eine qualifizierte elektronische Signatur erfordert. Da die technischen Voraussetzungen für diese elektronischen Signaturen - sprich entsprechende Lesegeräte am PC - derzeit kaum verbreitet sind, dürfte sich die Praxisrelevanz der Formerleichterung kurzfristig in Grenzen halten.

Sobald allerdings auf den neuen Personalausweisen ein Chip mit elektronischer Signatur enthalten ist und sich der Einsatz eines Chiplesegerätes für den Verbraucher auch in anderen Kontexten lohnt, ist davon auszugehen, dass Finanzierungen auch verstärkt im Internet geschlossen werden. In dieser Hinsicht wäre der Gesetzgeber dann tatsächlich den Kundenbedürfnissen gefolgt.

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