Die Zukunft der Filiale

Vertriebspolitik Neue Multikanalkonzepte gefragt

Studien sehen die Beratungsqualität von Finanzdienstleistern immer noch kritisch. Sie beklagen: mangelnde persönliche Beratung und schlechten Service, ernüchternde Beratungsqualität, individuelle Kundenbedürfnisse stehen zu wenig im Gesprächsmittelpunkt sowie Mängel in Dokumentation und Beratung. Dies ist sicher mit ein Grund dafür, dass Banken und Sparkassen bei Analysen zur Kundenzufriedenheit im Branchenvergleich niedrige Werte aufweisen, wie beispielsweise die Net Promoter Score Benchmark-Studie zeigt.

Direktkanäle: eher fürs Standard-Geschäft

Guter Service, faire Angebote und ein nachhaltiges Geschäftsmodell sind die Voraussetzungen, um Kundenvertrauen zurückzugewinnen. Und der Aufwand lohnt sich: So kaufen laut Bain & Company zufriedene Kunden 30 Prozent mehr Produkte, bleiben ihrer Bank ein bis zwei Jahre länger treu und empfehlen das Institut dreimal häufiger. Gemäß unserer Studie "Wege zum Kunden 2015" kommunizieren Institute mit zufriedenen Kunden über unterschiedliche Kanäle.

Die persönliche Ansprache ist besonders bei Krediten weiterhin ein wichtiger Erfolgsfaktor. Daher möchten Kunden auf den persönlichen Kontakt zu ihrer Bank auch in Zukunft nicht verzichten.

Dies ist insbesondere für Direktbanken eine wichtige Botschaft, deren Geschäftsmodell auf einem Self-Service-orientierten Multikanalmanagement basiert. Hier dienen die Online-Kanäle zum Direktvertrieb von Produkten und Services gegenüber den Kunden. Die Abschluss- und Serviceleistungen werden standardisiert und automatisiert erbracht.

Für beratungsintensive Leistungen wie Kredite, Immobilien, Aktien oder Vorsorge scheint der digitale Vertrieb per Internet schlechter geeignet, da sich hier jeweils mehr als drei Viertel der Kunden eine persönliche Beratung wünschen. Dafür glänzt dieser Ansatz durch schnelle, praktische Online-Services wie Überweisungen, Daueraufträge, Versicherungsvergleiche oder den Abruf aktueller Börsenkurse. Schließlich sind 95 Prozent der Kunden mit dem Service über das Internet generell zufrieden.

Riskante Filialschließungen

Auch der klassische Ansatz, das filialzentrierte Multikanalmanagement kann die Kunden nicht völlig zufriedenstellen. Hier dienen die Vertriebskanäle in erster Linie zur Zuführung der Kunden in die Filiale, die der primäre Ort für Beratung, Betreuung und Abschluss ist. Service Center, Internet, Mobile Apps und SB-Terminals sollen die Mitarbeiter in den Filialen von Routinearbeiten entlasten. Für diesen Ansatz spricht die persönliche Beratung bei komplexen Produkten, falls diese kundenorientiert und kompetent durchgeführt wird.

Viele Kunden haben mittlerweile verstanden, dass Routinetransaktionen bequem und schnell per Internet abgewickelt werden können. Sie besuchen ihre Filiale daher immer seltener. Sinkende Kontaktraten in den Filialen führen dazu, dass der hohe finanzielle Aufwand für die Aufrechterhaltung des Filialnetzes zunehmend infrage gestellt wird. Filialschließungen sind oft die Folge. Ist aber eine Bank nicht mehr in der Fläche vertreten, kann sie die Erwartung vieler Kunden an persönlichen Vor-Ort-Service oft nicht mehr erfüllen.

Das Beste aus verschiedenen Welten

In der Praxis werden sich Mischformen und individuelle Lösungen herauskristallisieren. Banken und Sparkassen müssen gezielt entscheiden, welche Angebote in welchen Kanälen verfügbar sein sollen.

- Zum Beispiel wird niemand allein per Smartphone ein neues Eigenheim samt Finanzierungskredit kaufen. Solche beratungsintensiven Angebote können im Internet kurz angerissen werden und auf ein Servicecenter, die Filiale oder den Außendienst verweisen.

- Umgekehrt lassen sich Überweisungen vollständig auf Online-Angebote und SB-Terminals auslagern. Dann können auch kleinere Filialen geschlossen und große "Flagship Filialen" in zentralen Lagen mit guter Verkehrsanbindung aufgebaut werden.

Dabei müssen Kunden die Leistungen über mehrere Kanäle hinweg nutzen können, ohne dass der Kundenkontext beim Kanalübergang verloren geht. Die Systeme der Banken sind noch häufig in sogenannten Kanalsilos als eigenständige Anwendungsbereiche organisiert und können daher die Kundenerwartungen noch nicht erfüllen. Daher ist in jedem Fall die Einführung eines effektiven Multikanalmanagements nötig, um die Marktposition auf Basis der strategischen Vorgaben nachhaltig zu stärken. Klaus Schilling, Senior Manager, Steria Mummert Consulting AG, Hamburg.

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