Trends im Kreditgeschäft

Wohnimmobilien kredite: Anpassungsbedarf nach der EU-Richtlinie

Nach mehr als zehn Jahren haben sich die EU-Organe im Sommer grundsätzlich geeinigt. In der Lesung am 10. September 2013 wurden die Änderungsvorschläge zur "Richtlinie für Wohnimmobilienkredite" (nachfolgend auch kurz "Hypothekarkreditrichtlinie") vom EU-Parlament verabschiedet. Diese Richtlinie wird künftig auf die Vergabe von Wohnimmobilienkrediten an Verbraucher maßgeblichen Einfluss haben. Nach Artikel 294 AEUV muss im Anschluss an die Verabschiedung durch das Parlament der EU-Rat den sogenannten "Gemeinsamen Standpunkt" verfassen. Damit wird letztendlich den Änderungsvorschlägen des Europäischen Parlaments zugestimmt, sodass dann die erste Lesung abgeschlossen werden kann. Im Anschluss wird die Richtlinie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und von den Nationalstaaten in ihr jeweiliges nationales Recht umgesetzt. Dabei ist offen, in welchem Umfang der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben aus Brüssel aufnehmen wird. Die Richtlinie geht von einer Vollharmonisierung in zahlreichen Punkten aus. Dieses Konzept lag auch schon der Verbraucherkreditrichtlinie (Richtlinie 2008/48/EU) zugrunde, deren Grundstrukturen die "Richtlinie für Wohnimmobilienkredite" folgt. Außerhalb der vollharmonisierten Bereiche bleibt es den Nationalstaaten überlassen, die Vorgaben auch in verschärfter Form auszulegen. Eine Nicht-Umsetzung ist jedoch ausgeschlossen. Die EU-Länder haben nach Verabschiedung der Richtlinie noch maximal zwei Jahre Zeit für deren Umsetzung.

Vorbild Verbraucherkreditrichtlinie

Eine erste Analyse der Richtlinie zeigt, welche Anforderungen Kreditinstitute jetzt angehen sollten. Denn die Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie vor etwa drei Jahren hat gezeigt, dass Banken, die rechtzeitig das Thema aufgegriffen haben, Vorteile generieren. Für die Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie mussten in einem Zeitraum von nicht einmal einem Jahr viele Regelungen interpretiert und umgesetzt werden. Massenweise Formulare mussten gesichtet und angepasst werden; der Kreditprozess musste neu gestaltet werden. Die Dokumentation der Kundenberatung und die Kundeninformation stellen bis heute hohe Anforderungen an den Vertrieb. Einige Kunden reagierten mit Unverständnis auf die Papier- und Informationsflut. Und so mancher Berater erstickte förmlich in Compliance-Vorgaben. Eine genaue Dokumentation ist auch daher wichtig, weil die Aufsichtsbehörde verstärkt die interne Umsetzung und Einhaltung der Richtlinie überprüft.

Diese Erfahrung wird den Geldhäusern helfen, wenn es darum geht, eine solide Zeitplanung für die anstehenden Aufgaben zu erstellen. Schließlich sollte der Zeitbedarf nicht unterschätzt werden, der allein für die Identifikation und Anpassung der betroffenen Formulare benötigt wird.

Wie wirkt sich also die kommende Richtlinie auf die Vergabe von Wohnimmobilienkrediten aus? Bei der Beurteilung helfen die Erfahrungen mit der Verbraucherkreditrichtlinie. Einige Teile davon sind grundsätzlich auch für die aktuelle Richtlinie adaptierbar, andere Themengebiete kommen neu hinzu (siehe Abbildung 1). Dabei sind die grün unterlegten Felder inhaltlich neu und die grün umrandeten Felder bedürften einer grundlegenden Revision in Hinblick auf die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie.

Im Kern folgt die Hypothekarkreditrichtlinie dem Aufbau der Verbraucherkreditrichtlinie. Sie ist jedoch in weit stärkerem Maße als diese von den Erfahrungen der Finanzmarktkrise geprägt. Schließlich gelten die unter Mitwirkung von Vermittlern leichtfertig vergebenen Immobilienkredite insbesondere in den USA, aber auch in einigen europäischen Staaten mit als Auslöser für diese Krise.

Vorvertragliche Informationen

In der Angebotsphase sind die bereits aus der Verbraucherkreditrichtlinie bekannten vorvertraglichen Informationen verpflichtend. Sie müssen nur mit dem neuen Gesetz abgeglichen und entsprechend ausgestaltet werden. Das ESIS-Formular (European Standard Information Sheet), in das die personalisierten vorvertraglichen Informationen einzutragen sind, wurde bisher schon weithin von der deutschen Kreditwirtschaft bei Verbraucherkrediten verwendet. Künftig ist es jedoch zwingend und wurde überarbeitet.

Dem Vermittler wird zwar weiter zugestanden, Paketangebote zu unterbreiten, zum Beispiel einen Sparplan mit Kreditvergabe. Diese Angebote unterliegen dann jedoch auch der entsprechenden Dokumentationsverpflichtung.

Auf Wettbewerbsangebote hinweisen?

Eine zwingende Beratungsverpflichtung ist zwar in der Hypothekarkreditrichtlinie nicht vorgesehen. Allerdings ist der Verbraucher rechtzeitig vor Vertragsschluss darüber zu informieren, ob eine Beratung angeboten wird. Wenn dies der Fall ist, sieht die Richtlinie zahlreiche weitere Informationspflichten vor und macht auch Vorgaben für Beratungsumfang und -inhalt.

Explizit hebt die neue Richtlinie beispielsweise darauf ab, dass im Sinne der Risikominimierung im "besten Interesse" des Kunden zu verfahren ist. Allein der Begriff "bestes Interesse" eröffnet Fragen, die der deutsche Gesetzgeber noch beantworten muss. Hat zum Beispiel ein Berater von einem Wettbewerbsprodukt Kenntnis, welches für den Kunden besser geeignet scheint als das Angebot des eigenen Hauses, muss er dann dem Kunden "im besten Interesse" anraten, zu dem Mitbewerber zu gehen - und damit auf das eigene Geschäft verzichten? Welche Regelung wird der nationale Gesetzgeber hier treffen? Die EU-Vorgabe kann ja sogar verschärft werden. Demzufolge wird also auch die bisherige Beratungspraxis bei Verbraucherimmobiliendarlehen auf den Prüfstand gestellt werden.

Vorschriften für die Vermittler

Am 13. Juni 2013 hat bereits die European Banking Authority (EBA) im Vorgriff auf die zu erwartende Hypothekarkreditrichtlinie Hinweise zur verantwortungsvollen Hypothekarkreditvergabe und zur Behandlung von Hypothekarschuldnern mit Zahlungsschwierigkeiten veröffentlicht. Zwar sind diese Hinweise unmittelbar lediglich an die jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörden gerichtet. Sie haben dadurch aber selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Kreditinstitute und deren Kreditpraxis, die zu analysieren sind. Die EBA wird voraussichtlich nach der endgültigen Verabschiedung der Hypothekarkreditrichtlinie ihre Hinweise in Leitlinien überführen.

Die Vorgaben an Angebot und Marketing dürften weitgehend denen entsprechen, die auch durch die Verbraucherkreditrichtlinie erhoben werden: Klarheit, Verständlichkeit und Eindeutigkeit. Berater und Vermittler müssen künftig spezielle Qualifikationen erfüllen. Eine entsprechende Zertifizierung und Registrierung durch eine Behörde oder ähnliche Einrichtung wird verpflichtend.

Überhaupt enthält die Richtlinie zahlreiche Vorschriften für Kreditvermittler und deren Vertreter. Dabei werden auch die Kreditinstitute in die Pflicht genommen. So wird erwartetet, dass der Kreditgeber die Rechtskonformität dieser Personen gewährleistet und über eine entsprechende Dokumentation belegt. Für Kreditinstitute kann es nur angeraten sein, ihr Vermittlergeschäft frühzeitig auf die Änderungen auszurichten.

Den Kunden qualifizieren

Laut Richtlinie muss auch der Kunde durch Beratungs- und Schulungsmaßnahmen qualifiziert und zu einem bewusst handelnden Kreditnehmer "erzogen" werden, wie es die Richtlinie formuliert. Jedoch fehlt bislang eine Konkretisierung, in welchem Umfang diese Qualifikation erfolgen soll. Auch hier ist der Gedanke einer Dokumentation solcher Maßnahmen nicht von der Hand zu weisen. Zusammenzufassend bleibt, dass in der Angebots- und Beratungsphase alles zu unternehmen ist, um eine Risikominimierung für beide Seiten zu gewährleisten.

Unter Umständen müssen Kreditinstitute eine grenzüberschreitende Know-how-Basis schaffen, wie Kunden zu solchen Geschäften beraten werden. Eine Überwachung durch die nationalen Aufsichtsbehörden wird gefordert. Die Kontrollgremien werden auch zu einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit verpflichtet. Letztlich hat der Berater seine Qualifikation nachzuweisen, und es besteht die Verpflichtung der Registrierung in einer zentralen Datei. Zu den zwingenden Vorgaben zählen die Versicherungsverpflichtung der Vermittler.

Treten bei der Beurteilung eines Vorgangs zwischen den nationalen Gremien unterschiedliche Ansichten zu Tage, muss die EBA einbezogen werden. Daraus ist zu lesen, dass künftig die Anforderungen an den Prozess der Kreditvergabe weiter verschärft und kontrolliert werden. Auch hier ereilt die Institute dann wieder die Frage nach Dokumentation, Definition und Einhaltung entsprechender Compliance-Richtlinien.

Wie schon in der Verbraucherkreditrichtlinie werden explizite Vorgaben sowie eine genaue Berechnungsformel für die Kalkulation des effektiven Jahreszinses gemacht. Bei einer ordnungsgemäß erfolgten Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie sollte der Anpassungsbedarf an dieser Stelle überschaubar bleiben.

Neuer Prüfprozess der Kreditfähigkeit

Absolut neu jedoch kommt mit der Richtlinie die Anforderung, einen Prüfprozess zu etablieren, der die Kreditfähigkeit des Kreditnehmers prüft. Dafür ist ein allgemein gültiger Standard zu definieren und zu etablieren. Im Rahmen des Standards wird auch die notwendige Dokumentationsverpflichtung hervorgehoben.

Als Ergebnis ist die Frage zu beantworten, ob der Kreditnehmer seine vertraglichen Pflichten erfüllen kann. Damit ist die Entscheidung für die Kreditvergabe oder -ablehnung zu unterlegen. Es bleibt spannend, wie die EU-Vorgaben für diese Prüfung durch den nationalen Gesetzgeber umgesetzt werden.

Der schon von der Verbraucherkreditrichtlinie gesetzte Schwerpunkt in der Beratung wird weiter ausgebaut. Die Informationsanforderungen werden höchstwahrscheinlich weiter detailliert. Ergänzt wurden die Anforderungen an die Nutzung von Fremdwährungskrediten.

Zum Beispiel kann dem Kreditnehmer angeboten werden, in alternative Währungen zu wechseln oder seinen Kredit in alternative Währungen zu konvertieren. Selbstverständlich sind dann aber im Sinne des "besten Interesse des Kunden" Maßnahmen zur Begrenzung von Währungsrisiken zu berücksichtigen. Alle Maßnahmen sind mit den Anforderungen an die "vorvertraglichen Informationen" abzugleichen. Besonders heftig wurde bis zuletzt um die Möglichkeit der vorzeitigen Rückzahlung gestritten. Die deutsche Kreditwirtschaft fürchtete um ihre Festzinspraxis und das deutsche Pfandbriefrecht, mit der dadurch bedingten Vorfälligkeitsentschädigung, die es so im übrigen Europa nicht gibt. Herausgekommen ist nun eine Lösung, die es dem nationalen Gesetzgeber ermöglicht, eine Regelung zu finden, die die bisherigen nationalen Geschäftsgepflogenheiten erhält.

Für deutsche Kreditinstitute wird sich die Rückzahlungspraxis deshalb vermutlich kaum ändern. Sicher kann sich die Kreditwirtschaft jedoch nie sein, wie die Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie gezeigt hat. Entscheidend dafür könnte die Zusammensetzung der neuen Bundesregierung sein. Wird aber eine Deckelung der Rückzahlungsvergütung umgesetzt, dürfte das zu einer preislichen Neukalkulation im Markt führen. Neben den derzeit stattfindenden Erhöhungen der Grunderwerbsteuer und der Notargebühren droht ein weiterer Griff in die Tasche des Verbrauchers. Weiterhin sind für den Fall des Zahlungsrückstandes Maßnahmen zu definieren, die eine Zwangsvollstreckung möglichst vermeiden. Ist diese nicht vermeidbar, müssen seitens des Gesetzgebers Aussagen zum Vorgehen und zu anfallenden Gebühren erarbeitet werden.

Die Gesetzesvorlage geht von einer Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zu einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden aus. Im Einzelfall ist bei unterschiedlicher Auslegung die EBA mit einzubeziehen. Sanktionen bei einem Verstoß gegen die Richtlinie werden autark durch die einzelnen Mitgliedsstaaten festgelegt.

Nationale Ausgestaltung zeitnah abschließen

Eine Veröffentlichung der Richtlinie im Amtsblatt der Europäischen Union ist anstehend. Weiterhin ist wahrscheinlich, dass seitens des nationalen deutschen Gesetzgebers schon vorbereitete Entwürfe für die nationale Ausgestaltung existieren. Somit wird erwartet, dass der zur Verfügung stehende Zwei-Jahres-Zeitraum für die Umsetzung schon bald beginnen wird. Kreditinstitute sollten erkennen - gerade auch mit der Erfahrung aus der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie -, dass dieser Zeitraum von zwei Jahren sehr wohl benötigt wird, um eine sachgerechte und fundierte Umsetzung zu gewährleisten. Bleibt nur zu hoffen, dass die nationale Ausgestaltung der Richtlinie im Sinne der Institute zeitnah abgeschlossen wird. Eine zügige Interpretation der gesetzlichen Normen und die Hilfestellung zur Umsetzung durch die zuständigen Verbände ist auch bei der neuen EU-Richtlinie absolut wünschenswert.

Umsetzung in nationales Recht nicht abwarten

Schon heute kann damit begonnen werden, anhand der vorliegenden Informationen den Kreditvergabeprozess zu hinterfragen und die notwendigen Angriffsstellen zu bestimmen. Schon heute können die Geldhäuser damit beginnen, beispielsweise die von ihnen verwendeten Formulare und Dokumente zu selektieren. Schon heute können sie vorausblickend ihre Werbeplanung prüfen und anpassen und ebenfalls jetzt können sie die Vorvertragliche Information ausgestalten. Dieses sind nur Beispiele. Abgeleitet aus einer GAP-Analyse sind entlang der Prozesskette für jeden betroffenen Bereich die erforderlichen Maßnahmen zu definieren.

Neben prozessualen und organisatorischen Auswirkungen sind in der IT zahlreiche Anforderungen zu berücksichtigen. Bei der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie vor etwa drei Jahren entstand bereits eine Vorstellung davon, was passiert, wenn mit der Umsetzung zu spät angefangen wurde, die Beteiligten nicht umfassend informiert sind oder das Thema anfangs als unwichtig erachtet wurde. Ein ausreichendes Budget ist jedoch ebenfalls Bestandteil eines gut geplanten Projektes. Darüber hinaus gibt es einige Erfahrungen, die Kreditinstitute bei der Umsatzplanung berücksichtigen sollten:

Einfach aussehende Gesetzesvorlagen intensiv hinterfragen.

Aufgabe der Anpassung frühzeitig angehen.

Schon frühzeitig Gesetzesvorlagen beachten.

Nicht auf Verabschiedung des Gesetzes warten.

Frühzeitige Einphasung in gegebenenfalls laufende Parallelprojekte vorsehen.

Frühzeitige Einbindung von Experten zu Recht, IT und Fachbereichen.

Sicherstellung der notwendigen und fachlich qualifizierten Projektmitarbeiter.

Nicht "mal nebenbei" anfangen, sondern saubere Projektplanung mit qualifizierter Ist-Analyse.

Die Umsetzung der Richtlinie in die aktuelle Budgetplanung einbeziehen

Wer diese aus Erfahrungen mit der Verbraucherkreditrichtlinie entstandenen Ratschläge befolgt, befindet sich auf einem guten Weg, die Wohnimmobilienkreditrichtlinie rechtzeitig umzusetzen und sich dadurch einen Wettbewerbs- und Kostenvorteil zu verschaffen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X