Zahlungsvekehr

Zahlungsverkehr: Konflikte, neue Spieler und die Konsequenzen

Parallel zur Finanzmarktkrise vollzieht sich für die Kreditwirtschaft ein Wandel, der lange kaum wahrgenommen wurde und dessen Auswirkungen für das Privatkundengeschäft bislang kaum eingeschätzt worden ist. Die Banken selbst scheinen erst in jüngster Zeit allmählich zu erfassen, was sich auf dem Feld des Zahlungsverkehrs an Veränderungen anbahnt und welche Konsequenzen dies unter Umständen nach sich ziehen wird. Speziell der Kartenzahlungsverkehr ist bislang immer uneingeschränkt eine Domäne der Kreditwirtschaft gewesen und bildet einen zentralen Bestandteil ihres Geschäftes mit den privaten Kunden.

Der Wandel vollzieht sich an mehreren Stellen und unter Beteiligung verschiedener Parteien. Es handelt sich nicht um eine konfliktfreie und sich in bekannten Strukturen vollziehende Entwicklung, sondern um eine interessengetriebene Auseinandersetzung, an deren Ende es Verlierer und Gewinner geben wird. Es soll hier nicht versucht werden, diesen Wandel vollständig zu erfassen und systematisch aufzuarbeiten - dies wäre in diesem Rahmen gar nicht möglich. Vielmehr sollen einige Beobachtungen wiedergegeben werden, aus der die Charakteristik und die Protagonisten dieser Auseinandersetzung ein wenig sichtbarer werden.

Diese findet gegenwärtig auf verschiedenen Schauplätzen statt. In ihr werden die Banken insbesondere in ihrer Eigenschaft als Emittenten von Zahlungsverkehrsprodukten für die privaten Kunden getroffen, in einem Wort, als Kartenemittenten.

Für die Banken - und nicht zu vergessen auch für ihre Kunden - war das Kartengeschäft in den letzten 30 Jahren ohne Zweifel eine Erfolgsgeschichte. Das Kartengeschäft hat in dieser Zeit das Privatkundengeschäft geprägt: Der Slogan "Karte - Konto - Kunde" (Wolfgang Starke, geschäftsführender Vorstand des DSGV in den achtziger Jahren) brachte das auf den Punkt.

Die bisherigen Charakteristika des Zahlungsverkehrs

Die heutige Zahlungsverkehrslandschaft ist in weiten Teilen immer noch bestimmt durch die Entwicklungsmerkmale in der "Frühzeit" des Kartenzahlungsverkehrs. Es lohnt daher, sich ins Bewusstsein zu rufen, worin die Charakteristika dieser Phase bestehen:

- Das Kartengeschäft war überwiegend ein nationales Geschäft. Auch heute macht der nationale Anteil des Kartenzahlungsverkehrs über 90 Prozent aller Vorgänge aus.

- Die Bedeutung der internationalen Zahlungssysteme (Mastercard, Visa) konzentrierte sich zum einen auf die Funktion des Lizenzgebers für die Ausgabe und Akzeptanz von (Kredit-)Karten. Zum anderen schufen sie die Voraussetzungen zum internationalen und grenzüberschreitenden Einsatz von Karten.

- Der Kartenzahlungsverkehr wurde als eigenständiges Geschäft verstanden.

- Die Kreditwirtschaft war weitestgehend autonom, wenn es um das Design und die Entwicklung von Zahlungssystemen, speziell Kartenzahlungsverfahren, ging.

- Der Handel war an der Entwicklung von Zahlungsverfahren nicht maßgeblich beteiligt. Initiativen des Handels, soweit sie überhaupt in Angriff genommen wurden, hatten keinen nachhaltigen Erfolg, es sei denn, sie wurden durch einen Partner aus dem Kreditgewerbe gestützt.

- Das Kartengeschäft wurde maßgeblich, insbesondere in den Eurocheque-Ländern, aus der Perspektive der Kartenemittenten, der Issuer, heraus entwickelt. Es war in erster Linie ein Angebot für den privaten Kunden.

- In der Mehrzahl der europäischen Märk te war die Entwicklung und der Betrieb des Kartengeschäftes Gegenstand von Joint Ventures und Gemeinschaftsunternehmen der nationalen Bankenorganisationen. Diese wurden gesteuert von Gremien der Bankenorganisationen und waren als Cost -Center ausgerichtet.

- Eine Besonderheit des Kartengeschäftes besteht unverändert darin, dass es das einzige Geschäftsfeld des Retail Bankings ist, welches Privatkunden und Geschäftskunden simultan abdecken muss: Es gibt kein Issuing-Geschäft ohne Acquiring und umgekehrt kein Acquiring-Geschäft ohne Issuing. Dieses gilt unverändert.

- Schließlich: Der Zahlungsverkehr, namentlich das Kartengeschäft, war ein weitgehend unreguliertes Geschäft und unterlag nur internen kreditwirtschaftlichen Vorgaben.

Noch knapper gefasst, sind dies die Schlüsselbegriffe in dieser Phase: nationale Sichtweise, Bankenautonomie, keine Partizipation des Handels, Issuer-Perspektive, keine Regulierung, Gemeinschaftslösung statt unternehmerischer Antritt. Diese Merkmale haben den Rahmen bestimmt, in dem sich der Kartenzahlungsverkehr erfolgreich und dynamisch entwickelt hat und der bis heute vielfach Strukturen und wirtschaftliche Grundlagen prägt.

Kooperatives Geschäftsmodell

Diese Entwicklung war nicht zufällig. Man darf nicht übersehen, dass in den achtziger Jahren dem Grunde nach ein neues Geschäftsfeld entwickelt wurde - mit allen Unwägbarkeiten und Schwierigkeiten, die so etwas mit sich bringt. In diesem solchen Umfeld spielte der technische Hintergrund eine maßgebliche Rolle. Eine markt- und anwendungsreife Internet-Technologie existierte noch nicht, wohl aber eine technische Infrastruktur, die durch die kreditwirtschaftlichen IT-Dienstleister entwickelt worden war und eine Realtime-Transaktionsverarbeitung und damit die Grundlage für eine kontonahe Autorisierung und so eine hinreichende Beherrschung von Risiken ermöglichte. Dies war eine entscheidende Voraussetzung für die Realisierung.

Daneben hatte sich ein Verständnis für ein Geschäftsmodell herausgebildet, das auf der Unverzichtbarkeit eines kooperativen Aufbaus eines neuen Zahlungsverkehrssystems basierte. Eckard van Hooven (damals Vorstand der Deutschen Bank) als einer der Initiatoren des Eurocheque-Systems brachte das unternehmerische Verständnis des Kreditgewerbes zum Kartengeschäft mit seinem Satz "Kartengeschäft und Zahlungsverkehr ... als Wettbewerbsinstrument einsetzen zu wollen, halte ich ... für falsch." auf den Punkt. Damit war auch dem Grunde nach geklärt, nach welchen Prinzipien die Bereitstellung eines Kartensystems strukturiert sein sollten, nämlich als gemeinsame Leistung der Kreditwirtschaft unter der Leitung der Spitzenverbände.

Einflusssphären und Machtverhältnisse verschieben sich

Auch wenn die Eckpunkte der Zahlungsverkehrswelt heute noch in wichtigen Belangen durch die Merkmale der Frühphase bestimmt sind, bei genauerem Hinsehen zeichnen sich die Strukturen der neuen Welt deutlich ab. Natürlich sind viele Details noch unklar und ein abschließendes Bild kann noch nicht gezeichnet werden. Aber die Einflusssphären und Machtverhältnisse werden sich voraussichtlich nachhaltig verschieben. Was sind die hierfür entscheidenden Auslöser?

Zum einen ist es die Entstehung eines grenzüberschreitenden virtuellen Marktplatzes als Folge der universellen Präsenz und Zugänglichkeit des Internets. Die technische Entwicklung hat das Entstehen neuer Marktplätze und eine virtuelle Omnipräsenz von Unternehmen und ihren Produkten nach sich gezogen. Dieses Phänomen ist unabhängig von der Kreditwirtschaft und ohne Zweifel eine ausschlaggebende Voraussetzung.

Zum zweiten ist es der schiere Erfolg und der heute erreichte Umfang des Kartenzahlungsverkehrs. Die neuen technischen Möglichkeiten des Internets treffen damit auf einen reifen Markt, der als wirtschaftlicher Faktor akzeptiert ist und eine Fülle von Optionen zu eröffnen verspricht. Auch wenn Bargeld noch immer präsent ist und sein Bedeutungsrückgang nur schrittweise zu erfolgen scheint, seine einzig wirklich wichtige Domäne ist inzwischen der Sektor der Kleinbetragszahlungen. Gefördert wurde die sukzessive Ablösung des Bargelds in den letzten Jahren natürlich auch durch die wachsende Durchlässigkeit nationaler Grenzen, zumal in Europa (Sepa), für die Gestaltung der geschäftlichen wie der privaten Lebensbereiche.

Die aus diesen Faktoren resultierenden Merkmale einer neuen Zahlungsverkehrswelt lassen sich so charakterisieren:

- Die Entwicklung und das Design von Zahlungsverkehrslösungen werden durch eine internationale und nicht mehr nationale Perspektive bestimmt.

- Zahlungsverkehrsvorgänge werden zunehmend als Teil von integrierten Wertschöpfungsketten verstanden und weniger als autonome Dienstleistungen.

- In dieser Hinsicht versteht der Handel, speziell im E-/M-Commerce, Bezahlverfahren inzwischen als Teil seiner Wertschöpfungskette. Zahlungslösungen werden daher wachsend aus der Perspektive des Handels und seines Bedarfs heraus gestaltet.

- Die Banken, speziell die Issuer, bestimmen nicht mehr, und schon gar nicht mehr exklusiv, den Innovationsprozess im Zahlungsverkehr. Sie stehen im Wettbewerb bei der Entwicklung und dem Design von Zahlungsverkehrslösungen.

- Das Angebot an innovativen, aber auch etablierten Zahlungsverkehrslösungen wird durch unternehmerische und geschäftliche Aspekte bestimmt und nicht mehr durch die Bereitstellung gemeinschaftlich entwickelter Lösungen der Kreditwirtschaft.

- Die internationalen Zahlungssysteme (Mastercard, Visa) haben über ihre lizenzrechtlichen und markenbezogenen Aufgaben hinaus vermehrt Anteile an der Gestaltung der Zahlungsverkehrsprozesse gewonnen und sich zu Produktanbietern umfassender Zahlungsverkehrslösungen entwickelt.

- Der Zahlungsverkehr wird insbesondere dort, wo es den in Verantwortung der Banken liegenden Anteil betrifft, zu einem zunehmend durch Bankenaufsicht und Wettbewerbsbehörden regulierten Geschäftsprozess.

- Der (Karten-)Zahlungsverkehr ist für das Retailgeschäft generell unverzichtbar geworden. Eine Teilnahme am Alltagsleben setzt für den privaten Kunden voraus, über Instrumente des Zahlungsverkehrs verfügen zu können. Der (Karten-) Zahlungsverkehr wird infolge einer gewandelten politischen Wahrnehmung und aufsichtsrechtlicher Interventionen speziell dort, wo es den privaten Kunden betrifft, zukünftig mehr und mehr Merkmale eines öffentlichen Gutes erhalten und Bestandteil der gesellschaftlichen Infrastruktur und Versorgung werden.

Auch hier lassen sich die Schlüsselphänomene zusammenfassen: Internationalisierung, Autonomieverlust des Kreditgewerbes, Integration des Zahlungsverkehrs in die realwirtschaftlichen Geschäftsprozesse, speziell des Handels, Acquirer-Perspektive, Regulierung, Infrastrukturcharakter, öffentliches Gut, unternehmerischer Antritt.

Vermutlich hätte kein einzelner Faktor zu diesen Konsequenzen geführt. Aber das Zusammentreffen von wirtschaftlicher Bedeutung des nichtbaren Zahlungsverkehrs, dem Potenzial, welches in der Anwendungsreife der Web-Technologie steckt, und der wachsenden Internationalität haben das traditionelle Verständnis des Zahlungsverkehrs abgelöst und einen Paradigmenwechsel herbeigeführt. Dieser zeigt sich besonders in seinen Folgen für die traditionellen Kartenemittenten.

Der Zahlvorgang verliert seine eigenständige Funktion

Es wäre überraschend, dass die neuen Marktstrukturmerkmale mit der Beibehaltung etablierter Strukturen und Einflusssphären verträglich wären. Dies kann man mit großer Sicherheit ausschließen. Der vielleicht schlagendste Beleg dafür ist die Tatsache, dass ein System wie Paypal völlig unabhängig vom Kreditgewerbe entwickelt und erfolgreich werden konnte. Die Kombination aus E-/M-Commerce, der Nutzung der Leistungsexplosion von Kundenhardware (Smartphone!) und die intelligente Integration existierender Kartenzahlverfahren in komplexe Dienstleistungsprozesse, die neben dem Bezahlen auch erweiterte Anwendungen verschiedenster Branchen abdecken, beginnt das ursprüngliche Verständnis einer primär auf Effizienz ausgerichteten reinen Transaktionsabwicklung eines Bezahlvorgangs abzulösen.

Die Web-Technologie hat die Grundlage für alternative Gestaltungen des Zahlvorgangs mit Mehrwert für Handel und Endkunden gelegt. Der eigentliche Zahlvorgang verliert in diesem Szenario seine eigenständige Funktion. Die Fülle an Varianten zeigt, dass eine Initialzündung stattgefunden hat, in deren Folge eine Vielzahl von mehr oder weniger tragfähigen innovativen Konzepten mit Angeboten über den Zahlungsverkehr hinaus auf den Markt kam. Nur: Die wenigsten hiervon hatten ihren Ursprung im Kreditgewerbe.

Es ist nicht überraschend, wenn nun hinterfragt wurde, ob die bisherigen auch institutionell abgebildeten Einflusssphären und geschäftlichen Modelle unverändert beibehalten werden können. Diese Frage stellt sich speziell dann, wenn die aktuelle Entwicklung im Rahmen eines konsequent wettbewerblich aufgestellten Europäischen Marktes (Sepa) stattfinden soll. Eine Überprüfung erschien erforderlich. Zumindest war das die Überzeugung des Handels und der mit der Wettbewerbsaufsicht befassten nationalen und europäischen Behörden.

Eine solche Überprüfung kann dann natürlich auch wirtschaftliche Folgen für die beteiligten Parteien, also Issuer, Acquirer, Handel und Kunden nach sich ziehen. Das prominenteste Stichwort ist aktuell die "Multilateral Interchange Fee" - kurz MIF. Unter anderem hiermit haben sich politische Instanzen und in ihrem Zuge die Wettbewerbsaufsicht befasst. So sehr man eine solche Überprüfung dem Grunde nach nachvollziehen kann, so sehr ergeben sich angesichts des Ergebnisses des Regulierungsprozesses Fragen, inwieweit das Ergebnis dem eigentlichen Anspruch tatsächlich genügt.

Durch die Regulierung wird Issuing und Acquiring wirtschaftlich entkoppelt

Die Auswirkung der Regulierung besteht im Kern unter anderem darin, dass das Issuing und das Acquiring wirtschaftlich faktisch entkoppelt werden. Immerhin ist die mit der Autorisierung einer Zahlungstransaktion verbundene Feststellung der Zahlungsfähigkeit des Kunden die maßgebliche Voraussetzung für den Abschluss eines Kaufvorgangs. Hierfür ist die Interchange das dem Issuer, das heißt dem Garantiegeber, zustehende Entgelt.

Schließlich ist die Vorgabe konkreter Werte für eine akzeptable Interchange ein fast planwirtschaftlich anmutender Eingriff. Weiterhin ist offen, ob sich die Vorstellung von den zu erwartenden Anreizwirkungen in der Praxis bestätigt und die Begünstigten der Regulierung, die man bei der Konzeption im Auge hatte, nämlich die privaten Kunden, auch diejenigen sind, die tatsächlich hiervon profitieren werden. Vorliegende Erfahrungen aus verschiedenen Märkten (so zum Beispiel Spanien oder Polen) zeigen, dass dies nicht selbstverständlich ist.

Unabhängig von den Ergebnissen dieser und weiterer Regulierungsmaßnahmen zeichnet sich ein Trend von Schwerpunktverlagerungen im Zahlungsverkehr inklusive resultierender Interessenkonstellationen ab:

- der Wechsel der Perspektive: weg vom Issuing hin zum Acquiring und der Akzeptanz der Zahlungsinstrumente,

- die Verschiebung der Einflusssphären: weg von den Banken hin zum Handel,

- die Tendenz der Kundenwahrnehmung: weg vom eigenständigen Bankprodukt hin zum Bestandteil eines ganzheitlichen Services,

- der Wechsel in der politischen Positionierung: weg von einem Bankprodukt mit zentraler Stellung im Retail Banking hin zur Interpretation des Zahlungsverkehrs als wichtigem Bestandteil einer volkswirtschaftlichen Infrastruktur,

- die Neubewertung des relevanten Marktes: Welches sind die eigentlich im Wettbewerb stehenden Produkte und wer sind die Wettbewerber?

Neue Spieler-Konstellationen

Auch wenn die konkreten Auswirkungen des bislang stattgefundenen Wandels gering erscheinen mögen, kaum jemand wird ernsthaft die Trends in Frage stellen wollen. Damit wird es wichtig, wer sich denn tatsächlich gegenübersteht und was für sie auf dem Spiel steht. Eine der entscheidenden Fragen ist daher: Wie sind also konkret die Protagonisten in diesem "Spiel" positioniert? Einige beispielhafte Konstellationen wären folgende:

- Issuer versus Acquirer,

- Issuer versus Händler

- Banken/Issuer versus Wettbewerbsbehörden/Regulatoren

- Verbraucherschützer versus Banken,

- neue Anbieter/Dienstleister versus etablierte Banken

Es ist schwierig, die denkbaren Interessenkonstellationen zuverlässig zu prognostizieren. Möglicherweise ergeben sich unter sich wandelnden Rahmenbedingungen unerwartete oder auch opportunistisch/taktische Allianzen: Issuer und ?, Händler und ?, Acquirer und ?, Dienstleister/Neue Anbieter und ?, Regulatoren/Aufsicht und ?, Verbraucherschützer und ?, Weitere?

Neue Komplexität

Dabei werden die Interessenlagen eine wichtige Rolle spielen. Wenn es also Allianzen geben sollte: Was steht für wen auf dem Spiel, worum geht es?

Da geht es zum Beispiel um strategische Marktdominanz, Verteidigung des Geschäftsmodells, Profitabilität, Kundenkontrolle/-transparenz, Rechte an Kundendaten, Bestimmung der Innovationsrichtung, politische Kontrolle oder etwas anderes wie zum Beispiel Gestaltung neuer Märkte?

Diese nur grobe und nicht vollständige Zusammenstellung von Protagonisten, Interessenlagen und Konstellationen vermittelt einen ersten Eindruck von der Komplexität, die sich in der ursprünglich zwar fachlich speziellen, aber prinzipiell transparenten Zahlungsverkehrslandschaft abzeichnet. Flexibilität und Fähigkeit zum raschen Handeln werden auf jeden Fall zu den Erfolgsfaktoren in diesem modifizierten Markt gehören. Der Grad an Stabilität, wie er in der Vergangenheit geherrscht und sich in der Arbeit der "Deutsche Kreditwirtschaft", früher ZKA, gezeigt hat, wird nicht mehr zurückkehren. Das wird eine der Herausforderungen sein, der sich die etablierten Kreditinstitute in jedem Fall stellen werden - strategisch wie kommerziell.

Handel als Gewinner

Wenn man aus diesen Facetten ein Bild zusammensetzen und die neuen Konturen der Zahlungsverkehrslandschaft zeichnen möchte, liegen einige erste Schlussfolgerungen nahe:

Zu den Gewinnern wird vermutlich der Handel gehören. Er konnte seine Interessen im Zahlungsverkehr deutlich wirkungsvoller vertreten. In den Ergebnissen des bisherigen regulatorischen Prozesses ist das Resultat seiner Argumentation abzulesen. Es ist nicht klar, ob die Acquirer, wie oft als Konsequenz der Interchange-Regulierung dargestellt, generell als Gewinner hervorgehen werden. Ihre Rolle ist zum einen stark von ihrer Funktion im traditionellen (letztlich lastschriftgestützten) Kartengeschäft bestimmt. Mit Blick auf innovative Zahlverfahren, die nicht lastschriftbasiert sind, ist eine Neuausrichtung angezeigt. Zum anderen wird sich die Interchange-Regulierung im nationalen gegenüber dem grenzüberschreitenden Acquiring zumindest kurzfristig bemerkbar machen. Zu den Profiteuren werden jedenfalls die neuen Anbieter aus der webbasierten Welt gehören. Unbelastet durch bisherige Strukturen, können sie sowohl technische Optionen im Rahmen ihrer Geschäftsmodelle nutzen als sich auch auf Partnerschaften mit etablierten Playern stützen und Gebrauch von bewährten Zahlungsverfahren machen.

Ob es am Ende die Namen wie Paypal, Skrill, Google oder die Telekommunikationsunternehmen sind oder ob sich heute noch unbekannte Unternehmen durchsetzen werden, ist angesichts der Schnelllebigkeit der Geschäftsmodelle ungewiss. Aber die generelle Attraktivität webgestützter Leistungen für die Kunden ist die Gewähr für den wahrscheinlichen Erfolg dieser Branche.

Erlösströme verändern sich

Damit werden sich voraussichtlich auch Erlösströme verändern. Nicht nur durch regulatorische Eingriffe bedingt, werden die Erlöse für die traditionellen kreditwirtschaftlichen Funktionen im Zahlungsverkehr unter Druck geraten. In dem Maße, in dem Zahlungsverkehrsleistungen Teil einer integrierten Dienstleistung werden, werden sich betriebswirtschaftliche Modelle verändern. Die Erlöse aus Mehrwertfunktionen werden an Gewicht gewinnen und maßgeblich die Profitabilität bestimmen.

Das etablierte und bislang erfolgreiche Geschäftsmodell der Kreditwirtschaft im Zahlungsverkehr kann daher nicht einfach fortgeschrieben werden. Es ist nicht nur die anstehende Neuregelung zur Interchange, die die Kartenemittenten und insgesamt das Retailgeschäft mit den Privatkunden zu einer Überprüfung ihres geschäftlichen Ansatzes veranlassen sollte. Ein Kompensationsansatz mit preispolitischen oder kostensenkenden Maßnahmen wird nicht ausreichen.

Zu einem zukünftig wirtschaftlich tragfähigen Engagement der Kreditwirtschaft wird wahrscheinlich die Öffnung für langfristig angelegte Partnerschaftsmodelle mit den neuen Anbietern gehören. Dies erfordert ein gewandeltes Rollenverständnis. Es kann sich nicht mehr auf die frühere exklusive Position im (Karten-) Zahlungsverkehr stützen, sondern muss seine originären Stärken - Sicherheit, Zuverlässigkeit, Vertrauensbasis beim Kunden - in den Vordergrund stellen.

Also nur Risiken? Sicher nicht. Ohne Zweifel gibt es auch Chancen. Die Gewinner in der Kreditwirtschaft werden sich dadurch auszeichnen, dass sie zum einen in kurzer Frist "ihre Hausaufgaben" machen, das heißt im traditionellen Kartenzahlungsverkehr wirtschaftliche Effizienz und Qualität auch weiterhin sicherstellen. Zum anderen werden die Gewinner die geänderten Rahmenbedingungen zur Grundlage eines weiterentwickelten Geschäftsmodelles machen, mit anderen Worten einen konsequent unternehmerischen Antritt verfolgen, sich hierbei auf ihre originären Stärken konzentrieren und dies in arbeitsteiligen Kooperationen realisieren. Damit wird auch eine neue und intensivere Form des innerkreditwirtschaftlichen Wettbewerbs verbunden sein.

Ist nun der Begriff "Konflikte", wie in der Überschrift verwandt, gerechtfertigt? Er wäre es nur dann, falls die Entwicklungen in diesem Geschäft als Auseinandersetzungen auf institutioneller Ebene verstanden würden, in denen formale Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten zur Durchsetzung geschäftlicher Interessen zum Tragen kommen. Dies kann nicht an erster Stelle stehen und trifft nicht den Kern der Thematik.

Der Begriff "Konflikt" ist aber nicht gerechtfertigt und er gibt den Charakter der Veränderung auch nicht zutreffend wider, wenn sich Märkte in wesentlichen Merkmalen verändern und sich hierdurch neue Handlungsmöglichkeiten für die Marktteilnehmer ergeben. Dieser Effekt ist dominant und gehört zum Wettbewerb. Er wird daher den Ausgang in diesem "Spiel" bestimmen.

Laurenz Kohlleppel , Mitglied des Aufsichtsrates, GBS Software AG, Karlsruhe / Frankfurt am Main
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