Leitartikel

Zwischen Marketing und Rendite

bs - Das neue Investmentgesetz macht es möglich: Seit dem 28. Dezember 2007 können in Deutschland Publikumsfonds aufgelegt werden, die Mittel an Mikrofinanzinstitute (MFI) vergeben, welche wiederum direkt vor Ort Kleinstkredite an die arme Bevölkerung ausreichen. Bisher durften lediglich im Ausland aufgelegte Fonds solcher Art hierzulande verkauft werden, allerdings ohne aktiven Vertrieb und Werbemaßnahmen. Die Chancen für neue Produkte schätzt das Forschungsteam der Deutschen Bank in einer aktuellen Studie durchweg positiv ein. Im Mikrofinanzsektor existiere eine Finanzierungslücke von etwa 250 Milliarden Euro. Im Jahr 2006 hätten private und institutionelle Anleger etwa zwei Milliarden US-Dollar in Mikrofinanz-Vehikel investiert, bis 2015 werde sich dieses Volumen noch verzehnfachen. Investments in Mikrofinanz könnten vom stark wachsenden Markt der sozial orientierten Anlagen profitieren.

Sicherlich lassen solche Prognosen die Herzen der Produktgestalter heftig höher schlagen. Wo sonst kann man den Willen zu helfen derart elegant mit einer finanziellen Rendite für Anleger und Fondsgesellschaft verbinden? Zumal die Idee der Mikrofinanz nicht nur bewundernswert, sondern durchaus auch populär ist. Spätestens seit Muhammad Yunus und sein Mikrofinanzinstitut, die Grameen Bank, 2006 den Friedensnobelpreis erhielten, dürfte der Großteil der deutschen Bevölkerung mit der Methodik annähernd vertraut sein oder zumindest schon einmal davon gehört haben. Und neben der Popularität des charismatischen Bankgründers aus Bangladesh eröffnen die Erfahrungen mit dem Prinzip der Kleinstkredite dem Vertrieb der Fondsprodukte diverse Argumente: Beim Endkreditnehmer variieren laut DB Research die Rückzahlungsraten zwischen 97 und 99 Prozent, eine regionale Streuung sowie Diversifikation über verschiedenste Branchen sei gegeben. Die weitgehende Unabhängigkeit von weltwirtschaftlichen Zins- und Konjunkturtrends gibt es nebenbei dazu.

Doch für das Produkt und seine Öffentlichkeitswirkung deuten sich auch Fallstricke an. Immenser Imageschaden droht Fonds und Investmentgesellschaft beispielsweise, wenn sich unter ihren Partner-MFIs ein Betrüger befände, der Gelder veruntreut. Zwar investieren die Vehikel - dank strenger Regulierung - lediglich in beaufsichtigte Mikrofinanzinstitute, die über eine Banklizenz verfügen. Doch sowohl Rechtslage als auch Aufsichtspraxis in den Heimatländern der Institutionen dürften den deutschen Standards kaum entsprechen.

Und nicht nur fürs Marketing, sondern ganz grundsätzlich gilt: Kombiniert man Finanzmarktgeschäfte und Entwicklungshilfe, so treffen Welten aufeinander und zwar nicht nur im geografischen Sinne, sondern vor allem kulturell und organisatorisch. Bei der Verteilung von Mitteln aus einem Mikrofinanz-Fonds ist der Initiator auf den standardisier ten Vergleich und die Kontrolle von Partnern angewiesen. Gerade die vielen kleineren Organisationen in der Entwicklungshilfe zeichnen sich jedoch oft durch einen hohen Grad an Individualität aus. Das bedeutet für den Fonds eine gewaltige Erhöhung des Verwaltungsaufwandes und damit eine Schmälerung der Rendite.

Und die Fondsgesellschaften, zumindest in ihrer breiten Masse, scheinen für das Projekt derzeit noch nicht bereit zu sein. Die DWS prüft verschiedene Konzepte, ebenso wie die Kirchenbanken. Konkrete Produkte sind aber nicht in Planung. Und auch bei den Verbünden ist neben einer prinzipiellen Begeisterung für die Prinzipien der Mikrofinanz nichts Konkreteres zu erfahren. Die Marktteilnehmer schrecken bisher vor geringer Liquidität im Marktbereich zurück und verweisen auf fehlende Erfahrung. Doch die Optionen zur Produktgestaltung sind nun gegeben. Und sie könnten beiden Seiten nutzen: den Fondsgesellschaften eröffnen sie Vertriebsmöglichkeiten und den Entwicklungshilfeunternehmen einen Zugang zum Kapitalmarkt.

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