Blickpunkte

Direktbanken Ben Tellings schlägt zurück

Im offiziellen Statement auf Pressekonferenzen ist es an sich üblich, sich mit Kommentaren über einzelne Wettbewerber zurückzuhalten. Eine Ausnahme hat sich seit langem eingebürgert: Von den Filialbanken unisono als eine der stärksten Bedrohungen ihres Geschäftsmodells ausgemacht, wird die ING-Diba seit Jahren namentlich genannt.

Wenn man denn schon von beträchtlichen Tagesgeld-Abflüssen zu berichten hatte, wurde nur zu gerne die Gelegenheit genutzt, dies als vorübergehendes Phänomen darzustellen und auf Schwächen im Geschäftsmodell des nur allzu erfolgreichen Wettbewerbers hinzuweisen. Seit viele Platzbanken - nun schon zum zweiten Mal in Folge - wieder nennenswerte Rückflüsse von "Extra-Konten" bei der ING-Diba verzeichnen, die bei ihnen in Festgeldern angelegt werden, mischt sich denn auch immer häufiger eine gewisse Häme in derartige Kommentare.

Tatsächlich scheint das "Extra-Konto", bisher das Hauptzugpferd der ING-Diba, ein wenig an Zugkraft verloren zu haben (wie der "Parkplatz" Tagesgeld überhaupt), weil die Wettbewerber bei den Zinsen aufholten. 2006 hat die Bank deshalb der Nachfrage Rechnung getragen und ein Festgeldkonto eingeführt. Insgesamt konnte die Zahl der Anlagekonten damit um 19 Prozent auf 5,4 Millionen gesteigert werden, das Einlagevolumen erhöhte sich um immer noch beachtliche acht Prozent auf 61,1 Milliarden Euro.

Daneben hat die Bank längst die Baufinanzierung als zweites Standbein aufgebaut. Hier konnte das Neugeschäft 2006 um sieben Prozent auf 11,0 Milliarden Euro gesteigert werden, wobei das Volumen zu 80 Prozent vom Partnervertrieb vermittelt wurde. Das Bestandsvolumen erhöhte sich um 59 Prozent auf 25 Milliarden Euro. Zumindest in den ersten neun Monaten 2006 habe man damit die Spitzenposition vor der gebündelten Vertriebskraft von Postbank und BHW behaupten können.

Auch im Wertpapiergeschäft hat die ING-Diba nun die Marktführerschaft im Visier.

Beim Fondsvolumen wurde 2006 die Comdirect überholt, auch bei den Depotzahlen (2006 waren es 579 000 gegenüber 606 000 bei der Comdirect) und Depotvolumen (11,0 Milliarden Euro gegenüber 11,8 bei der Comdirect) hat man aufgeschlossen. Und für 2007 hat die ING-Diba die Aufholjagd bei den Orderzahlen angekündigt.

Und im Wettbewerb um das Girokonto als Dreh- und Angelpunkt der Kundenbeziehung wird zum 1. April das gebührenfreie Girokonto eingeführt - das freilich, um wirklich wettbewerbsfähig zu sein, noch eine Lösung für die gebührenfreie Bargeldversorgung braucht. Die rund 1000 Geldautomaten, meist an Aral-Tankstellen, die noch von der Bank Girotel stammen, sind hierfür sicher nicht genug.

In dem Maße, wie es - schon aufgrund der schieren Größe - schwieriger wird, beim Einlagengeschäft die bisherigen Wachstumserfolge unverändert fortzuschreiben, stellt sich die Bank also breiter auf. Als "Schönwetterbank", deren Geschäftsmodell nur bei niedrigen Zinsen aufgeht, will Ben Tellings sein Haus deshalb keinesfalls verstanden sehen. Wenn schon, dann bitte "Allwetterbank".

Ein Zeichen dafür, dass im Wettbewerb mit immer härteren Bandagen gekämpft wird, lässt sich in Tellings Reaktion auf die ständigen Anwürfe aus den Filialbanken sehen. Wurden sie bisher mehr oder weniger mit vornehmer Zurückhaltung geschluckt, schlägt er in diesem Jahr mit deutlichen Worten zurück. Beispielhaft zitiert er zwei (namentlich genannte) Kritiker aus der Sparkassen- und der Genossenschaftsorganisation und zieht daraus den Schluss, "dass speziell die Kollegen aus den Verbünden von einer regelrechten Panikstimmung erfasst" seien.

Und dann holt er aus zum großen Schlag: "Mir tun, ehrlich gesagt, allerdings die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in diesen Häusern leid, die tagaus, tagein einen soliden Job machen und dafür ein qualifizierteres Führungspersonal - auch auf Verbandsebene - verdient hätten." Das sitzt. Doch zugleich lässt sich ein schöneres Lob für Service und Beratung vor Ort kaum denken. sb

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