Mittelstandsgeschäft

Das Firmenkundenschnellrating schließt die Lücke

Die Warnsignale für eine Kreditklemme mehren sich, die Lage ist angespannt. Die Summe der Bankdarlehen an Firmen und Privathaushalte schrumpfte im Januar 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 0,6 Prozent, wie die Europäische Zentralbank berichtet. Besonders stark betroffen sind dabei Unternehmenskredite. Vor allem der Mittelstand bekommt die Zurückhaltung der Banken zu spüren. So beklagten 26 Prozent der 25 000 Mitglieder der Deutschen Industrie- und Handelskammer bereits Ende 2009 schlechtere Kreditkonditionen wie etwa höhere Risikoprämien oder schlechtere Laufzeiten. Auch große Industrieunternehmen oder Baufirmen beschweren sich über zu hohe Kredithürden, wie eine aktuelle Ifo-Umfrage belegt. Grundsätzlich stellt eine zurückhaltende Kreditvergabepraxis in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten eine erhebliche Gefahr für die Konjunktur dar. Gerade die exportabhängige Industrie, die in der weltweiten Finanzkrise die heftigsten Einbrüche erlitten hatte, ist auf fremdes Geld angewiesen, um die Flaute zu überstehen.

Ein wichtiger Grund für die Zurückhaltung der Banken liegt in dem internationalen Bankenabkommen Basel II begründet: Kreditinstitute werden dabei verpflichtet, mehr Eigenkapital pro vergebenem Kredit vorzuhalten. Da die Kreditwürdigkeit tausender Unternehmen in der Rezession durch Gewinneinbrüche oder Umsatzverluste stark gelitten hat, müssen neue Kredite von den Banken mit erheblich mehr Eigenkapital hinterlegt werden. In Zukunft wird die Bonität eines Unternehmens daher größeren Einfluss auf die Kreditkonditionen haben. Banken setzen hier zunehmend auf interne Verfahren zur Bonitätsermittlung. Die Bestände der Firmenkredite der mitgliederorientierten Volks- und Raiffeisenbanken (VR) legten gegen den Markttrend stetig zu. Bei der Kreditvergabe an Gewerbekunden kommt mittlerweile mehr als jeder vierte Euro und damit über 27 Prozent von den VR-Banken in Deutschland. Eine Kreditklemme existiert entsprechend nicht, wie die Volksbank Hamm beispielhaft aufzeigt. Allein im vergangenen Jahr konnte sie ein Kreditwachstum von 4,4 Prozent bei einer Bilanzsumme von 1,06 Milliarden Euro verzeichnen. Ein wesentlicher Faktor dabei ist die technische Prozessunterstützung durch Bank-21, das Bankenverfahren des genossenschaftlichen Rechenzentrums GAD eG.

Schnellrating: automatisierte Verhaltensbewertung

Das VR-Firmenkundenschnellrating in Bank-21-Kredit ermöglicht eine schnelle und automatisierte Analyse der Kunden- und Kontoentwicklung; die Ratingklassen werden übersichtlich im System abgebildet und sind sowohl für die Marktfolge als auch für den Marktservice jederzeit mit einem Mausklick einsehbar.

Basierend auf den VR-Rating-Konzepten des Bundesverbands der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken wurde das Firmenkundenschnellrating im November 2009 bei den genossenschaftlichen Banken in Deutschland eingeführt. Die Volksbank Hamm war eine der beiden Pilotbanken, die dieses VR-Ratingverfahren - gemeinsam mit den Entwicklern des BVR - einem umfassenden, einjährigen Praxistest in Bank-21-Kredit unterzog und das Schnellrating in Arbeitskreisen maßgeblich mitgestaltete. Ziel des Firmenkundenschnellratings ist es, den hohen Zeitaufwand für die Erfassung von Jahresabschlussunterlagen und die Beantwortung umfangreicher qualitativer Fragenkataloge - wie es das qualifizierte Rating fordert - durch eine automatisierte Verhaltensbewertung zu minimieren. Das Ratingmodell ermöglicht so eine deutliche Verschlankung des Kundenbewertungsprozesses im kleinteiligen Firmenkundengeschäft.

Von Bonitätsnotenermittlung durch Kapitaldienstberechnung ...

Bis zur Einführung der Ratingverfahren erfolgte bei der Volksbank Hamm die Einordnung der Schuldnerqualität bei einer Kreditvergabe nach bankeigenen Kriterien. Beim internen Bankrating stand die Analyse der Kapitaldienstauslastung im Vordergrund der Kreditentscheidung. Die Bonitätseinschätzungen der Gewerbekunden, Mittelständler sowie Freiberufler basierte bei der Bank rund 15 Jahre lang auf dem bankeigenen "Kreditklassifizierungssystem": Die Kapitaldienstgrenze, die entsprechend zu Beginn des Kreditverfahrens in der Marktfolge ermittelt wurde, wurde mit Hilfe von Schulnoten von eins (für höchste Bonität) bis sechs (für eine schlechte Bonität) Kunde für Kunde bewertet und eingetragen. In der Marktfolge bearbeitete ein Mitarbeiter etwa 300 bis 500 Kunden, der Aufwand der Einschätzung war demnach äußerst zeitintensiv.

Das Problem für die Bank: Die Bonitätsnote basierte auf der Auslastung der Kapitaldienstgrenze, die zum Zeitpunkt der Kreditvergabe ermittelt wurde. Blieb ein Kundenwunsch oder Beratungsanlass aus, konnten - speziell im kleineren Kreditgeschäft - Jahre vergehen, in denen die Bonitätsnote nicht verändert wurde - sie blieb statisch und wie in Zement gegossen. Das arbeitsintensive und aufwendige Verfahren konnte zudem keine statistisch unterlegte Ausfallwahrscheinlichkeit erbringen. Der Anteil am aktiven Geschäft war entsprechend niedriger. Die ordnungsgemäße Ermittlung der Kapitaldienstgrenze ist dabei nicht nur eine unternehmensspezifische vorbereitende Tätigkeit eines Kreditnehmers vor Kreditantrag, sie ist auch ein notwendiger Pflichtbestandteil jeder sachlichen Kreditwürdigkeitsprüfung - schließlich will die Bank wissen, ob und wann sie ihr Kreditvolumen zurück erhält.

... zur Anknüpfung an das qualifizierte Rating

Mit der Veränderung des Verfahrens und Festlegung der Ratingklassen im VR-Rating haben sich für die genossenschaftlichen Banken neue Chancen ergeben.

Während das VR-Rating "Mittelstand" auf bilanzierende Firmenkunden bis sechs Millionen Euro Umsatz abzielt,

wurde das VR-Rating "Oberer Mittelstand" beispielsweise für bilanzierende Firmenkunden mit einem Umsatz ab sechs Millionen Euro entwickelt.

Das VR-Firmenkundenschnellrating ist dabei speziell auf das sogenannte "kleinteilige" Firmenkundengeschäft ausgerichtet, um die Lücke zum qualifizierten Ratingverfahren und in der Einschätzung der Bonität der Kunden effizient zu schließen.

Die Volksbank Hamm konnte etwa nur zehn Prozent ihrer Kunden im qualifizierten Rating erfassen und bewerten - fokussiert auf das mittlere und große Firmenkundenkreditgeschäft. Auch wenn sich die Marktfolge der Volksbank bewusst ist, nie 100 Prozent der Kunden nach ihrer Bonität einschätzen zu können, so klaffte immer noch eine Lücke von rund 70 Prozent der nicht gerateten Kunden auf.

Das qualifizierte Rating, gebunden an die Umsatzgröße des Kreditnehmers, wird anlassbezogen oder individuell angewendet. Dabei werden die Bilanzen des Kunden umfangreich manuell erfasst und ausgewertet. Die Prognosegüte für die Ausfallwahrscheinlichkeit beträgt dabei ein Jahr. Nach Ablauf diesen Jahres wird das qualifizierte Rating im kleinteiligen Kreditgeschäft heute automatisch durch das VR-Firmenkundenschnellrating in Bank-21-Kredit abgelöst, wenn nicht erneut ein qualifiziertes Rating angestoßen wurde.

Alle anderen gewerblichen Kreditantragssteller, die innerhalb der Anwendungsgrenze, sprich dem Kreditvolumen, das von Institut zu Institut variiert und bis 250 000 Euro frei wählbar ist, eingestuft sind, werden durch das Firmenkundenschnellrating erfasst. Kennzahlen werden zu Kundendaten, Limits und Volumina, Limitauslastungen, Negativmerkmalen sowie Salden gebildet. Anhand dieser ausgewerteten Daten wird der Kunde seiner individuellen Ratingklasse zugeordnet.

Permanente Überprüfung der Kreditwürdigkeit

Voraussetzung ist ein Kontokorrentkonto, das älter als zwölf Monate ist. Das VR-Firmenkundenschnellrating wurde für das "kleinteilige" Firmenkundengeschäft als Alternative zu den jahresabschlussbasierten Ratingverfahren entwickelt. Hier werden Gewerbe- und Unternehmenskunden in den Bereichen "Mittelstand", "Gewerbekunden/Freiberufler", "Agrar", "Not-for-Profit-Organisationen" sowie "Oberer Mittelstand" eingeteilt. Allen Ratingverfahren gemeinsam sind 15 spezifische Ratingklassen - 1a bis 3e - für das operative Geschäft. Die Ausfallwahrscheinlichkeiten belaufen sich auf 0,07 Prozent in Klasse 1a und 20 Prozent bei Kunden, die 3e zugeordnet sind. Das VR-Firmenkundenschnellrating erzeugt diese Ratingklassen automatisch, der Ausfall - die Ausfallklassen 4b bis 4e - hingegen wird manuell erfasst. Ist der Kunde jedoch in einem Ausfallstatus von mehr als 90 Tagen, sprich überzogen oder rückständig, erfolgt die Einordnung systemisch (Ausfallklasse 4a).

Die Volksbank Hamm genehmigt ausschließlich Investitionen unterhalb der Grenze von 50 000 Euro unter Anwendung des Firmenkundenschnellratings. Gerade im Retailgeschäft werden Kunden so zügig bedient und die Bank kann dem Kreditwunsch schnell entsprechen. Durch das Firmenkundenschnellrating erhalten die genossenschaftlichen Kreditinstitute zusätzlich eine permanente und automatisierte Überprüfung der Kundenbonität.

Das Schnellrating kann im gewerblichen Firmenkundengeschäft sowohl zur anlassbezogenen Bewertung (zum Beispiel Neukreditwunsch) als auch zur laufenden Bewertung des Bestandsgeschäftes herangezogen werden. Die Volksbank Hamm setzt das Ratingverfahren in allen Branchen, zum Beispiel bei Handwerksbetrieben, Gaststätten oder Firmen aus dem Automobilsektor und der Metallerzeugung ein. Das monatlich durchgeführte Schnellrating ergänzt hier die als notwendig erachtete Kapitaldienstfähigkeit, der personelle Zeitaufwand für eine manuelle Analyse wird dabei erheblich reduziert.

Schiffbruch vermeiden und Problemkunden selektieren

Das aktiv gemanagte Kreditgeschäft stellt eine wichtige Säule dar, demnach sollte auch jede Bank dessen Management gezielt vorantreiben. Dabei gilt es, Überziehungen zu vermeiden und schwierige Kunden nicht in dem normalen Kreditgeschäft zu belassen. Diese Maßnahmen dienen den Vorbereitungen für eine erfolgreiche Einführung des Firmenkundenschnellratings.

Die Volksbank Hamm setzt bereits seit über drei Jahren auf das Management des aktiven Kreditgeschäfts und verfügt in Marktfolge und Marktservice über eine optimale Aufstellung. Basis für eine erfolgreiche Umsetzung des Schnellratings ist die deutliche Selektion der Problemkunden im Vorfeld. Wichtig dabei ist der aktive Dialog mit Kunden, die Schwierigkeiten mit der Liquidität oder Rentabilität haben, um Kreditprobleme frühzeitig und zielführend zu lösen.

Automatisierte Negativauslese

Stärken und Schwächen des Kunden erkennen die Bankberater im Ampelsystem des Firmenkundenschnellratings in einer übersichtlichen Darstellung auf einen Blick (siehe Abbildung). So steht die Indexfarbe "grün" für ein unterdurchschnittliches Risiko, die Farbe "rot" hingegen markiert ein signifikant erhöhtes Risiko. Der Berater bekommt somit ein Instrument an die Hand, mit dem er im Beratungsgespräch vor Ort schnell entscheiden und agieren kann. Dies gibt ihm die Möglichkeit, Drittgeschäft gezielt zu forcieren.

Parallel dazu ist die Kreditüberwachung durch die automatisierte Negativauslese für die Mitarbeiter der Marktfolge einfacher und präziser: Musste in der Vergangenheit noch der komplette Kundenbestand überprüft werden, fokussieren die Mitarbeiter heute ausschließlich die negativen Entwicklungen. Aufgrund dieses hohen Informationsstands, basierend auf Bank-21-Kredit, ist die Bank in der Lage, dem Kreditwunsch des Kunden schnell zu entsprechen. Das Firmenkundenschnellrating wirkt somit der Kreditklemme entgegen.

Die in der Vergangenheit entstandene Ratinglücke wurde durch die Einführung des VR-Firmenkundenschnellratings optimal geschlossen. Gleichzeitig konnte die Bank ihre Prozesse erheblich verschlanken. So sind heute deutlich weniger Mitarbeiter in der Marktfolge erforderlich, um eine Risikofrüherkennung zu identifizieren und mit entsprechenden Maßnahmen zu handeln.

Gleichzeitig deckt die Volksbank über 3 900 Kunden über das VR-Firmenkundenschnellrating in Bank-21-Kredit erfolgreich ab: Die Entwicklung der Kunden ist innerhalb des Systems übersichtlich dargestellt und die aktuelle Situation kann per Knopfdruck auf einen Blick eingesehen werden. Die Bank ist überzeugt, dass das Firmenkundenschnellrating langfristig Auswirkungen auf die Steigerung des aktiven Geschäfts haben wird.

Als eine der zwei zentralen Partnerbanken des BVR war die Volksbank Hamm bereits Anfang 2008 in den Arbeitskreisen zur Entwicklung und Konzeption des VR-Firmenkundenschnellratings vertreten. Die Praxiserprobung des technisierten Verfahrens begann im ersten Quartal 2009, seit November befindet sich das VR-Firmenkundenschnellrating bei über 200 Banken im genossenschaftlichen Sektor im Einsatz - Tendenz steigend.

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