Bankmanagement-Glossar

Focus Strategy

Von Ewald Judt und Claudia Klausegger

Das Konzept der Fokusstrategie stammt von Michael Porter und wird in seinem 1985 erstmals erschienenen und mittlerweile zum Klassiker gewordenen Werk "Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance", beschrieben. Demnach ist die Fokusstrategie neben Kosten-/Preisführerschaft und Differenzierung eine dritte entwicklungsfähige Wettbewerbsstrategie um Wettbewerbsvorteile zu erzielen.

Fokussierung ist das Ausrichten der geschäftlichen Tätigkeit auf einen "Brennpunkt" (lateinisch Fokus), das heißt die Konzentration auf das, was das Unternehmen für seinen geschäftlichen Erfolg als wesentlich ansieht. Unternehmen sollten sich hinsichtlich ihrer Produkte, Kunden und Regionen auf jene Geschäftsfelder konzentrieren, die es erlauben, eine gute strategische Ausgangslage gegenüber der Konkurrenz zu entwickeln. Gerade bei Finanzdienstleistungsunternehmen ist es nicht möglich, dass sie alle Produkte für alle Kunden in allen Regionen anbieten.

Bereits in der Vergangenheit, aber auch heute verfolg(t)en nahezu alle Finanzdienstleistungsunternehmen eine gewisse Art von Fokusstrategie - ohne, dass diese so genannt wurde/wird. Es ist - egal in welchem Wirtschaftszweig - nur selten möglich, alle Produkte für alle Kunden und alle Regionen anzubieten. Von einer Fokusstrategie im engeren Sinne kann jedoch nur dann gesprochen werden, wenn die Art und Weise der Einschränkung bewusst getroffen, bewusst geändert beziehungsweise bewusst beibehalten wird.

Oft ist der Fokus bei denen, die nicht alle Produkte anbieten, nicht alle Kunden ansprechen und nicht in allen Regionen tätig sind, immer noch zu wenig auf das Wesentliche konzentriert.

Immer noch gibt es das Angebot zu vieler Produkte, wobei die Produktpalette mancherorts durchaus als ausufernd bezeichnet werden kann; nur wenige von ihnen sind wesentliche Geschäftsvolumens- und Ertragsbringer, viele jedoch mitgeschleppte Verlustquellen.

Immer noch gibt es die Ausrichtung auf zu viele Kundengruppen, wobei im Unternehmen selbst Klarheit darüber besteht, dass die Kundenbetreuung in vielen Fällen suboptimal ist und viele Kunden kaum Geschäftsvolumen und Erträge bringen, sondern Verlustquellen sind.

Immer noch gibt es den Trend über das ursprüngliche Geschäftsgebiet hinaus zu expandieren, ohne dort wesentliche Geschäftsvolumina und Erträge zu erwirtschaften, jedoch potentielle Verlustquellen aufzumachen.

Und immer noch wird an zu vielen lieb gewonnenen Prozessen festgehalten, die für das Core Business nicht relevant sind, und im Auftrag des Finanzdienstleisters von anderen besser und/oder billiger durchgeführt werden können.

Gleiches gilt für die verschiedenen Vertriebskanäle. Es macht - mangels fehlender Intensität - oft keinen Sinn, mit allen Vertriebskanälen auf dem Markt präsent zu sein.

In allen Branchen gibt es Musterbeispiele erfolgreicher Fokussierung. So bietet ein namhafter Diskonter nur eine bestimmte Anzahl von - gängigen - Produkten an, die in mehr oder weniger gleich großen Läden vorgehalten werden, ein bekanntes Möbelhaus preiswerte Möbel für Kunden mit handwerklichem Geschick und einem Auto zum Selbsttransportieren und ein Finanzdienstleister Akademikern, die mangels Kenntnis und Interesse keinen Zugang zu Anlage- und Finanzierungsthemen haben, standardisierte Finanzprodukte.

Eine Fokusstrategie muss in einer entsprechenden geschäftspolitischen Strategie zusammengefasst und in die operative Planung eingearbeitet werden. Sie bedarf einer kontinuierlichen Überprüfung. Wenn ein Änderungsbedarf festgestellt wird, sollte dieser mit entsprechender Priorität umgesetzt werden. Notwendige Änderungen können bei den bestehenden Produkten (die Eliminierung von bestehenden oder die Aufnahme neuer Produkte), bei den Kunden (die Verabschiedung von den Kunden, denen man unter Berücksichtung des Ertrags nicht das Service bieten kann, was Kompetentere können, oder Forcierung des Geschäfts bei den Kunden, wo man ertragsorientiert besser als andere Anbieter auf dem Markt ist) und/oder bearbeiteten Regionen (die Auflassung von Inseln im Meer der Konkurrenz oder sukzessive Arrondierung und Ausweitung des Stammgeschäftsgebietes) auftreten.

Die individuelle Fokussierung der Geschäftspolitik auf die eigenen Stärken ist ein wesentlicher Faktor für den künftigen Erfolg. Das "Tanzen auf allen Hochzeiten" wird nicht den Erfolg bringen.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien und Geschäftsführer der Europay Austria Zahlungsverkehrsgesellschaft mbH; ewald.judt[at]europay[dot]at/www.europay.at.Dr.Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu-wien.ac[dot]at.

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