Bankmanagement-Glossar

Minority Marketing

Von Ewald Judt und Claudia Klausegger - Die fortschreitende Dynamik des Kundenverhaltens hat eine zunehmende Differenzierung der Kundenbedürfnisse zur Folge gehabt. Eine Konsequenz war die zielgruppenorientierte Ausrichtung der Marketingaktivitäten. Derartiges Zielgruppenmarketing kann nach unterschiedlichen Kriterien wie demografischen, sozioökonomischen oder psychografischen Merkmalen erfolgen. Eine besondere Ausrichtung des Zielgruppenmarketings - das Minority Marketing - kommt aus den USA, wo Minoritäten nach ihrer Herkunft als Zielgruppe "Blacks", "Hispanics" oder "Asians" und noch spezieller nach ihrem Herkunftsland als Subzielgruppe differenziert angesprochen werden.

Zum Minority Marketing gehört aber nicht nur das in den USA entstandene Ethno-Marketing, sondern auch das Marketing für andere Minderheiten. Diese können zum Beispiel auch aufgrund von Religion, der Abweichung von gesellschaftlichen Normen, ihrer wirtschaftlichen Situation, politischen Überzeugung oder einer Behinderung/Krankheit identifiziert werden.

Minority Marketing definiert einen sozioökonomischen Prozess, der die Herstellung und Verteilung von Produkten und/oder Dienstleistungen zwischen Anbietern und solchen Konsumenten strategisch lenkt, die sich als Minderheit vom Gesamtmarkt nachweisbar abheben oder denen Benachteiligungen erwachsen, die eine gleichberechtigte Marktteilnahme verhindern. Der Aspekt der Ungleichbehandlung beziehungsweise Benachteiligung verkörpert den wesentlichsten Bestandteil der begrifflichen Definition. Minority Marketing ist daher ein Strategieansatz, der eine Kombination aus segment- oder nischenbasierter Bearbeitung spezieller Bedürfnisse mit einer sozialen Komponente darstellt, deren Erfüllung sowohl von gesellschaftlichem als auch von unternehmerischem Nutzen sein soll.

Zielsetzung eines Marketings für Minderheiten muss es sein, nach der Ermittlung der Bedürfnisse der Markteilnehmer diese zur Nachfrage nach für sie maßgeschneiderten Gütern zu führen. Vor der Konzeptentwicklung muss neben der Homogentität, der Messbarkeit der Segmentierungseigenschaften und Zuordnung der Merkmale zum Einsatz geeigneter Marketinginstrumente die Wirtschaftlichkeit überprüft werden.

Profitable Nischen

Minority Marketing muss also neben dem sozialen Nutzen auch wirtschaftlich rentabel für die agierenden Unternehmen sein. Der größte wirtschaftliche Vorteil bei der Besetzung von Teilmärkten beziehungsweise "Nischen" ist der "first mover advantage", das heißt der Vorteil, den der erste Marktanbieter hat, weil er es für die nachfolgenden Anbieter schwieriger macht, in diesem Segment Fuß zu fassen.

Zur Frage der Wirtschaftlichkeit bietet die Studie Profit Impact of Marketing Strategies des Strategic Planning Institutes eine interessante Analyse. Dabei wurde nach den Angaben mehrerer hundert Unternehmen in den USA aus verschiedenen Branchen der ertragsrelevante Zusammenhang zwischen Marketingstrategie und Profitrate ermittelt. Bei den Untersuchungen stellte sich heraus, dass die Rendite bei Unternehmen, die sich auf größeren Märkten behaupten, durchschnittlich elf Prozent betrug, während Unternehmen, die in kleineren Märkten agieren, eine Durchschnittsrendite von 27 Prozent erzielen konnten.

Ins CSR-Konzept integrieren

Ein weiterer Aspekt, der im Zusammenhang mit Minority Marketing erwähnt werden muss, liegt in der Diskussion um die Verantwortung von Unternehmen in der Gesellschaft. Vor allem im angloamerikanischen Sprachgebrauch, aber auch zunehmend in der deutschsprachigen Literatur gewinnen Konzepte im Zusammenhang mit Corporate Social Responsibility (CSR) oder Corporate Citzenshipan Aufmerksamkeit. Die Europäische Kommission charakterisiert CSR als Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren. Sollte der Wirtschaftlichkeitsfaktor einzelner Segmente des Minority Marketing nicht gewährleistet werden können, kann Minority Marketing in ein CSR-Unternehmenskonzept eingebaut werden, als sichtbares Zeichen, dass die gesellschaftliche Verantwortung über die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen hinausgeht.

Betrachtet man die derzeitigen Entwicklungen im Bankensektor, zeigt sich jedoch, dass Nischenmarketing vor allem in traditionellen Bereichen wie zum Beispiel Se-nioren-Marketing oder Jugend-Marketing betrieben wird. Minority-Marketing-Themen finden jedoch derzeit (noch) wenig oder keine Berücksichtigung.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien und Geschäftsführer der PayLife Bank GmbH; ewald. judt[at]paylife[dot]at/www.paylife.at. Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu-wien.ac[dot]at.

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