Vom Wert der Beratung

"Das persönliche Beratungsgespräch kann nicht ersetzt werden" / Interview mit Ingo Buchholz

Das Jahr 2011 war für die Kasseler Sparkasse ein gutes. Wie sah das - der Tendenz nach - 2012 aus?

Das Jahr 2012 war wieder ein sehr gutes Jahr, das gekennzeichnet war durch ein lebhaftes Kreditgeschäft sowohl im Firmen- wie auch im Privatkundengeschäft. Wir sind sehr zufrieden.

Hilft es einer Sparkasse, in einer eher strukturschwachen Region tätig zu sein? Ist der Wettbewerb bei Ihnen weniger intensiv?

Von einer strukturschwachen Region in unserem Geschäftsgebiet - der Stadt und im Landkreis Kassel - ist längst nicht mehr die Rede. Hier gibt es einen intensiven Wettbewerb.

So manche Filialbank kann ihre Einlagen aktuell nur noch dank des Firmenkundengeschäfts steigern. Ist das bei Ihnen auch so? Oder wachsen Sie auch bei den privaten Kunden?

Nein, insbesondere im Firmenkundenbereich kam es 2012 zu Abschmelzungen von Einlagen. Demgegenüber konnten wir das hohe Niveau im Einlagengeschäft mit Privatkunden, das wir als Folge der großen Zuwächse nach der Finanzmarktkrise erreichten, weitgehend halten.

Welches Geschäftsfeld ist das profitablere Standbein?

Die Kasseler Sparkasse orientiert sich nicht nur einseitig an der Profitabilität einzelner Kundensegmente im Sinne einer Gewinnmaximierung. Sie handelt stattdessen nach ihrem öffentlichen Auftrag, der in der Satzung formuliert ist: Geld- und kreditwirtschaftliche Leistungen für Arbeitnehmer, Mittelstand, gewerbliche Wirtschaft und öffentliche Hand anzubieten - selbstverständlich nach kaufmännischen Grundsätzen. Betrachtet man die Geschäftsfelder rein nach Deckungsbeiträgen, ist insbesondere der Firmenkundenbereich von großer Bedeutung

Im Wettbewerb mit Direktbanken und reinen Tagesgeld-Anbietern suchen die Sparkassen mit dem Beratungsangebot zu punkten. Inwieweit gelingt das tatsächlich?

Über die Hälfte der Einwohner unseres Geschäftsgebietes sind unsere Kunden. Sie entscheiden sich trotz mancher Lockvogel-Angebote von "Distanzbanken" immer wieder für uns. Wie wir aus regelmäßigen Kundenbefragungen wissen, spielt die Beratungsqualität dabei eine wichtige Rolle. Unsere Kunden erwarten Qualität in Beratung und Service und das honorieren sie auch. Damit wir auch zukünftig die Anforderungen unserer Kunden erfüllen, praktizieren wir ein striktes, an den Kundenwünschen orientiertes Qualitätsmanagement.

Welcher Anteil Ihrer Kunden nimmt tatsächlich Beratung in Anspruch?

Grundsätzlich nutzen fast alle unsere Kunden unsere Beratungsangebote. Allerdings variiert die Intensität und Häufigkeit der Inanspruchnahme sehr stark.

Ist diese Quote in den letzten Jahren gestiegen? Hat die allgemeine Verunsicherung und das Niedrigzins-Umfeld dazu geführt, dass die Kunden verstärkt Beratung suchen?

Viele Kunden haben einen erkennbar höheren Informationsstand als noch vor einigen Jahren. Zugleich sind viele aber auch verunsichert, deshalb lassen sie sich beraten. Dabei spielt das Thema Vertrauen für die Sparkassen eine große Rolle, hier können wir eindeutig bei unseren Kunden punkten.

Welche Kundengruppen sind am ehesten beratungsaffin? Diejenigen, bei denen sich der Aufwand lohnt, oder eher diejenigen, bei denen das tatsächliche Volumen eher gering ist?

Wir verfolgen mit unserem ganzheitlichen Beratungsansatz das Ziel, unsere Kunden bei der Erreichung ihrer Ziele und Wünsche im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten zu unterstützen. Kunden, die die Vorteile dieses Ansatzes für sich erkannt haben, nehmen unabhängig von Einkommen und Vermögen unsere Beratung regelmäßig in Anspruch.

Mit einem relativ breiten Angebot an Online-Produkten werden Sie dem Trend zum Online-Geschäft gerecht. In welchem Ausmaß wird sich ein Haus wie Ihres vor diesem Hintergrund künftig noch Beratung leisten können? Was wird aus kleineren Standorten, in denen es nicht darstellbar ist, Beratungskompetenz vorzuhalten?

Unsere Multikanalstrategie und unser ganzheitliches Beratungsangebot ergänzen sich und sind Grundlagen unseres Geschäftsmodells. Wir verstehen uns als die wahre "Direktbank" und grenzen uns von den "Distanzbanken" ab - besonders durch unsere räumliche Nähe und durch die Qualität unserer Beratung. Wir glauben, dass wir an unseren Standorten auch auf absehbare Zeit kompetente Beratung im alltäglichen Geschäft anbieten können. Für komplexere Beratungsthemen gibt es unsere Firmenkunden- und Vermögensanlagecenter sowie unser Private Banking. Zu Spezialthemen erhalten die Berater in den Geschäftsstellen und Centern Unterstützung von Experten.

Was ist den Kunden die Beratung wert? Welchen Konditionenabstand zu den beratungsfreien Angeboten nehmen sie dafür in Kauf?

Es macht keinen Sinn, über Prozentpunkte zu spekulieren. Diese Fragen müssen
letztlich die Kunden beantworten, und zwar sehr individuell. Sie entscheiden auch, was es ihnen wert ist, wenn sie ihrem Geldinstitut vertrauen können. Wir wollen unsere Kunden vom Mehrwert unserer Beratung überzeugen. An unserer Geschäftsentwicklung und an unserem hohen Marktanteil lesen wir ab, dass uns dies bislang offensichtlich gut gelingt.

Im Einzelhandel erlebt man immer wieder Folgendes: Kunden beklagen das Sterben des Fachhandels vor Ort - aber sie kaufen beim Discounter oder im Internet. Wird dies auch zum Trend in der Bankbranche?

Meine Wahrnehmung ist, dass sich hier bereits in Teilbereichen ein Wandel vollzieht. Qualität gewinnt für Kunden wieder an Bedeutung. Ich bin davon überzeugt, dass wir unseren Vorsprung durch individuelle, qualitativ hochwertige Beratung gegenüber den "Distanzbanken" halten und sogar noch ausbauen können.

Bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs gibt es keinen Wettbewerber, der auch nur annähernd die gleiche Leistungen wie die S-Finanzgruppe bieten kann. Neben der Möglichkeit des medialen Zugangs bieten wir das dichteste Netz von SB-Geräten und personenbesetzten Geschäftsstellen. Zahlungsverkehr führen wir deshalb individuell, kostengünstig und sicher für unsere Kunden aus.

Folglich müssen zukünftige Strukturdiskussionen - wenn sie denn zu führen sind - vor allem im Kontext weiter sinkender Margen stehen. Eine der Ursachen dafür ist ein ruinöser Wettbewerb unter den Universalbanken, der aus unserer Sicht asymmetrisch ist: Es gibt Mitbewerber, die mit Steuergeldern gestützt werden und von der EZB-Niedrigzinspolitik zur Rettung des Euro profitieren.

Es gibt aber auch zahlreiche ausländische Institute, die in ihren Heimatländern nicht mehr ausreichend Vertrauen finden und deshalb in Deutschland mit außerhalb des Marktes liegenden Konditionen um Einlagen werben.

Wie hat sich die öffentliche Diskussion um Fehlberatungen beziehungsweise provisionsgesteuerten Vertrieb auf die Akzeptanz des Beratungsangebots ausgewirkt?

Zunächst: Die Kasseler Sparkasse steuert ihre Vertriebsmitarbeiter nicht über die Zahlung von Provisionen. Selbstverständlich halten wir uns bei der Beratung unserer Kunden an gesetzliche und aufsichtsrechtliche Bestimmungen. Unsere Kunden haben nachweisbar ein hohes Vertrauen zu ihren Beratern. Daran hat auch die öffentliche Diskussion nichts verändert.

Allerdings stellen Kunden bisweilen den administrativen und zeitlichen Aufwand infrage, der in den Anforderungen an die Dokumentation des Beratungsgesprächs begründet ist. Auswirkungen auf die Akzeptanz unseres Beratungsangebotes können wir nicht erkennen. Auch das ist letztlich ein Ausfluss aus unserer örtlichen Nähe und der damit verbundenen hohen Kundenbindung.

Die Unterscheidung in "abhängige" und "unabhängige" Beratung ist nach der Entscheidung des EU-Parlaments anscheinend vom Tisch. Wie wichtig ist das aus Ihrer Sicht? Hätte das Etikett "abhängig" die Beratung der Filialbanken vor Ort entwertet?

Anscheinend werden solche Themen von der Politik höher bewertet, als sie vom Kunden wahrgenommen werden. Insofern ist es gut, wenn hier keine Regelungen zur Unterscheidung getroffen werden. Unabhängig davon vermute ich, dass es kaum einen Berater gibt, der tatsächlich das gesamte Produktuniversum aller Finanzdienstleister wirklich detailliert kennen und beurteilen könnte.

Kann technisch unterstützte Beratung - etwa Videoberatung im Internet, wie sie die HVB jetzt einführen will - das persönliche Gespräch vor Ort ersetzen?

Das persönliche Beratungsgespräch kann nach meiner Auffassung nicht ersetzt werden durch ein Gespräch von Bildschirm zu Bildschirm. Wir setzen auf ganzheitliche, individuelle, persönliche Beratung und glauben nicht, dass man via Bildschirm eine dauerhafte Kundenbindung aufbauen kann. Und darum geht es uns.

Sind Kunden, die eine Beratung in Anspruch nehmen, zufriedener und damit auch treuer als die nicht beratenen?

Das ergeben alle unsere Kundenbefragungen. Der Weiterempfehlungswert steigt mit der Beratungsintensität.

Wie lässt sich unter den aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen in Sachen Datenschutz überhaupt noch für die Beratung werben?

Dieses Problem haben wohl eher Institute, die keine Nähe zu ihren Kunden haben. Wir haben über unser Geschäftsstellennetz und über unsere Beratungscenter zu fast allen unseren Kunden so häufig persönlichen Kontakt, dass datenschutzrechtliche Vorschriften für uns kein Engpassfaktor beim Kontakt zu unseren Kunden sind.

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