Märkte

Retailbankingin Deutschland: Der Wettbewerb funktioniert

Die Bankenlandschaft in Deutschland ist seit jeher und auch noch aktuell durch die drei Gruppen beziehungsweise Säulen private Geschäftsbanken respektive Kreditbanken, Sparkassen und Landesbanken und genossenschaftliche Kreditinstitute wie Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie deren Zentralbanken gekennzeichnet.

Da die Kreditinstitute innerhalb der beiden letztgenannten Gruppen auf Grund der regionalen Orientierung so gut wie gar nicht im Wettbewerb untereinander stehen, wird in Deutschland auch vom Gruppenwettbewerb gesprochen.

Aus volkswirtschaftlicher Sicht sollte der Wettbewerb nicht einfach intensiv beziehungsweise sehr hoch sein. Sehr hoher Wettbewerb ist genauso schädlich wie zu geringer Wettbewerb.

Es stellt sich - vereinfacht ausgedrückt die Frage, ob der Wettbewerb funktionsfähig ist; sprich, ob er weder zu gering, aber auch nicht zu hoch ausfällt und somit im Ergebnis aus Verbraucher- beziehungsweise Kundensicht zu zufrieden stellenden Ergebnissen und Bankleistungen insbesondere im Hinblick auf Preise/Gebühren, Service und Qualität führt.

Verlässliche Zahlen und Marktanteile liegen separat für das Retailbanking gerechnet kaum öffentlich vor. Zur Vereinfachung können jedoch Daten des Markts der Universalbanken herangezogen werden.

Bei Betrachtung der Marktanteile auf Basis der Bilanzsumme ergibt sich folgendes Bild:

Fünf Großbanken: 24,64 Prozent Marktanteil;

156 Regional- und sonstige Banken, Privatbankiers: 11,69 Prozent Marktanteil;

92 Zweigstellen ausländischer Banken: 2,64 Prozent Marktanteil;

Sparkassengruppe gesamt (zwölf Landesbanken einschließlich Deka-Bank Deutsche Girozentrale, 449 Sparkassen): zusammen 45,41 Prozent Marktanteil, davon Landesbanken 26,86 Prozent, Sparkassen 18,55 Prozent;

Genossenschaftliche Bankengruppe gesamt 15,62 Prozent Marktanteil, davon zwei genossenschaftliche Zentralbanken 4,48 Prozent, 1257 Kreditgenossenschaften 11,14 Prozent. Keine marktbeherrschende Stellung einer Bankengruppe

Obwohl die Deutsche Bank bekanntlich größenmäßig der Branchenprimus ist, stellt sich bei Betrachtung der Marktanteile von Bankengruppen der Sparkassensektor als bedeutendste Bankengruppe dar.

Gründe für eine marktbeherrschende Stellung einer Bank beziehungsweise einer Bankengruppe und mögliche Wettbewerbsbeschränkung auf Basis der Größe eines Kreditinstituts beziehungsweise einer Bankengruppe liegen nicht vor.

Vor dem Hintergrund der Entstehung des einheitlichen europäischen Finanzmarktes hat sich auch auf dem betrachteten deutschen Markt sowohl der potenzielle als auch der tatsächliche Wettbewerb durch Aktivitäten neuer Anbieter verstärkt. Zusätzlich geht eine gewisse und zunehmende Konkurrenz von Finanzdienstleistungsanbietern (in erster Linie Versicherungen und Beratungs- beziehungsweise Vermittlungsunternehmen) aus. Der Markteintritt neuer Wettbewerber in Gestalt von Finanzdienstleistern sowie Non- und Nearbanks und das deutlich veränderte Kundenverhalten (abnehmende Kundenloyalität) können als Faktoren, die den Wettbewerb erhöht haben und weiterhin erhöhen, festgehalten werden.

Bankenkonzentration im europäischen Vergleich noch gering

Ferner kann festgehalten werden, dass die Schaffung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) in Verbindung mit der Weiter entwicklung im Bereich Telekommunikation/EDV in einem großen europäischen Finanzmarkt durch die einfachere Möglichkeit, Bankleistungen über das Internet beziehungsweise das Telefon anzubieten, den Wettbewerbs- und Fusionsdruck hin zu größeren Einheiten verstärken. Der Erfolg der Direktbanken wäre ohne Internetverbindung kaum denkbar und übt einen bemerkenswerten Druck auf die Gewinnmargen der Filialbanken aus.

Trotzdem ist die Konzentration im deutschen Retailbanking im europäischen Vergleich gesehen weiterhin gering. Die auf dem betrachteten Markt nach wie vor geringe Konzentration auf der Anbieter- beziehungsweise der Bankseite hat sich in den letzten Jahren erhöht. Wettbewerblich negativ zu beurteilende Auswirkungen sind bei dieser Entwicklung jedoch nicht festzustellen.

Druck auf die Konditionen ohne unerwünschte Wettbewerbsergebnisse Die betrachteten Konzentrationsraten weisen - auch im Vergleich mit dem Ausland - geringe Werte auf. Mit der gestiegenen Konzentration entstanden grundsätzlich größere und leistungsfähigere Kreditinstitute, insbesondere in der Genossenschafts- und auch der Sparkassengruppe.

Die Marktzutrittsschranken sind insgesamt als Wettbewerbsbeschränkungen zu sehen. Diese sind mit der EWWU verringert worden. Durch die EWWU gibt es zusammengefasst positive Impulse für den Wettbewerb im Retailbanking.

Die Preise für Bankdienstleistungen, speziell für die Kontoführung und das Wertpapierdienstleistungsgeschäft, sind in den letzten Jahren unter Preis senkungsdruck geraten. Insbesondere die Angebote der Direktbanken haben den Markt "aufgemischt". Von überhöhten Bankpreisen in Form von zu hohen Gebühren oder "zu schlechten" Zinsen kann nicht gesprochen werden. Im aktuellen Umfeld wird der Preiswettbewerb im betrachteten Markt als hoch angesehen. Wettbewerblich ist dies positiv zu beurteilen. Der Preisdruck scheint zudem nicht so hoch zu sein, dass er zu überoptimalen und unerwünschten Wettbewerbsergebnissen führen könnte.

Der Qualitätswettbewerb und auch der Servicewettbewerb sind ebenfalls als hoch zu bezeichnen. Bei den Kreditinstituten liegt eine Akzeptanz des Wettbewerbsgedankens vor. Die Neigung zu wettbewerbsbeschränkendem Verhalten scheint gering zu sein. In Deutschland lagen und liegen keine

bedeutenden wettbewerbsschädlichen Absprachen, die als Wettbewerbsbeschränkung zu sehen wären, vor. Allerdings scheint die insgesamt geringe - wenn auch zunehmende - Nachfragebeweglichkeit auf der Seite der Bankkunden wettbewerbsbeschränkend zu wirken.

Wettbewerb ist funktionsfähig

Insgesamt ist festzuhalten, dass sich der Wettbewerb im Retailbanking durch die EWWU grundsätzlich verstärkt hat. Die Erfüllung der ökonomischen Wettbewerbsfunktionen und somit die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs sind auf dem betrachteten Markt gegeben: Der Wettbewerb im Retailbanking ist funktionsfähig.

Im gesamten Bundesgebiet Deutschlands werden umfassend und flächendeckend Bankleistungen angeboten.

Entwicklungen von neuen Produkten finden statt.

Die Produktvielfalt und die Innovationsgeschwindigkeit bei der Auflage neuer - auch strukturierter - Produkte sowie die Erschließung neuer Vertriebswege ist bemerkenswert.

Als Gründe für die Funktionsfähigkeit sind in erster Linie die einschneidenden Veränderungen durch das Voranschreiten des Internets und des Online Bankings und das sich schon geänderte und weiter wandelnde Kundenverhalten zu nennen. Die hohe Wettbewerbsintensität und das rege Wettbewerbsverhalten der Kreditinstitute können auf die vielfältige und unterschiedliche Struktur des Angebots an und von Privatbanken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen zurückgeführt werden. Die deutschen Kreditinstitute scheinen insgesamt in einem intensiven Wettbewerb zu stehen. Unterschiede zwischen den regional beschränkt tätigen Kreditgenossenschaften und Sparkassen auf der einen Seite und den Kreditbanken, insbesondere den Großbanken, auf der anderen Seite sind jedoch zu sehen. Sparkassen und Kreditgenossenschaften verfügen grundsätzlich durch ihre starke Präsenz in der Fläche über lokale Bindungen und daraus folgend über mehr regionale Marktmacht als Kreditbanken.1) Der 2005 wirksam gewordene Wegfall der Gewährträgerhaftung und die Modifizierung der Anstaltslast bei den öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Landesbanken können durchaus als eine Aufhebung beziehungsweise ein Einschnitt in der vormals bevorzugten Stellung dieser öffent-lich-rechtlichen Kreditinstitute und als eine wettbewerbspolitisch positive Entscheidung gesehen werden. Weitere staatliche Änderungen zu Lasten der Sparkassen scheinen jedoch vor dem Hintergrund der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs im Retailbanking aus Sicht der Wettbewerbspolitik nicht notwendig und sinnvoll zu sein.

Privatisierung von Sparkassen ist kritisch zu sehen

Der mögliche Schritt hin zur Zulassung von Privatisierungen der Sparkassen beziehungsweise zur Ermöglichung der Fusionen von Kreditgenossenschaften und Sparkassen birgt vielmehr das ernstzunehmende Risiko, dass langfristig eine der drei Universalbankensäulen am Markt ausscheidet. Dies würde den Wettbewerb vermutlich verringern und ist somit aus wettbewerblicher Sicht kritisch zu beurteilen beziehungsweise abzulehnen.

Ein "Aufkaufen" von Sparkassen durch private Kreditbanken mit der Folge des Ausscheidens der Sparkassen als Wettbewerber wäre wettbewerblich ebenfalls negativ zu beurteilen. Gerade bankengruppenübergreifende Fusionen von Sparkassen und Kreditgenossenschaften würden unmittelbare wettbewerbliche Relevanz auf vielen lokalen Einzelmärkten haben, da gegenwärtig oftmals in kleinen Orten nur eine Sparkasse und eine Kreditgenossenschaft mit lokaler Präsenz ihre Leistungen anbieten.

Wenn hieraus ein in gewisser Weise monopolistischer Anbieter entstehen würde, wäre dies - trotz potenzieller und tatsächlicher Konkurrenz anderer Banken, etwa über das Internet oder das Telefon - für den Bankenwettbewerb und schlussendlich für den Bankkunden negativ zu beur teilen. Gegenwärtige Marktstruktur nicht verändern

In der öffentlichen Diskussion wird - verstärkt in den letzten Jahren - die Forderung erhoben, Deutschland beziehungsweise das deutsche Bankwesen bräuchte, um im europäischen und internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu sein, mehrere oder mindestens einen Global Player, also sehr große Kreditinstitute, die national, europäisch und darüber hinaus weltweit tätig sind. Fusionen unter kleinen und mittleren Sparkassen oder unter Kreditgenossenschaften können wettbewerbspolitisch positive Effekte bringen, da hierbei Economies of Scale genutzt werden können.

Es besteht jedoch kein stringenter und erwiesener Zusammenhang zwischen der Größe eines Kreditinstituts und der Rentabilität. Fusionen unter den Großbanken in Deutschland mit dem Ziel der Schaffung eines sehr großen Global Players bergen das Risiko, dass hierdurch Diseconomies of Scale auftreten.

Zudem stehen der dann auftretenden Gefahr eines gegebenenfalls marktbeherrschenden Unternehmens mit den negativen Konsequenzen für den Wettbewerb und die Marktergebnisse keine deutlich sichtbaren Vorteile für den Wettbewerb gegenüber. Global Player können zwar aufgrund ihrer Kapitalkraft und Größe höhere Volumina bewältigen und somit - auch vor dem Hintergrund der Großkreditvorschriften - höhere Kredite vergeben. Grundsätzlich andere oder bessere Leistungen und Produkte als mittelgroße Kreditinstitute anbieten, sind jedoch von deutschen enorm großen Global Playern nicht zu erwarten.

Die gegenwärtige Marktstruktur mit zwar vielen Kreditinstituten, aber der Verbandsstruktur (gerade bei den Sparkassen und Kreditgenossenschaften), die eine oligopolistische Marktstruktur sichert, ist ein Grund für den vorliegenden, funktionierenden Wettbewerb.

Vor dem Hintergrund des funktionierenden Wettbewerbs ergibt sich somit keine wettbewerbspolitische Notwendigkeit, die Marktstruktur durch Schaffung mehrerer beziehungsweise eines sehr großen Global Players zu verändern.

Der Beitrag fasst die Ergebnisse der Dissertation des Autors zusammen. Die gesamte Dissertation kann unter dem Titel "Der Wettbewerb und seine Veränderung auf dem Markt der Universalbanken in Deutschland beim Übergang in die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion" eingesehen werden.

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