Im Gespräch

"Die Sparkassen suchen nicht das schnelle Geschäft"

Die Sparkasse Oberhessen beschreibt das Jahr 2007 mit der Rückkehr des Alltags nach der Fusion im Jahr 2006. Ist damit die Fusion abgehakt?

Zunächst einmal ist unsere Fusion rechtlich und funktionell schon lange abgeschlossen. Unser Credo war: Funktionieren vor Optimieren. Der Fusionsprozess hat sehr gut und schnell funktioniert. Dies wird uns auch von vielen externen Stellen bestätigt. Für unsere Kunden, Mitarbeiter, unsere Gremien und unsere Träger ist ihre Sparkasse heute die Sparkasse Oberhessen und dies geht auch leicht von den Lippen.

Ein Thema, das uns naturgemäß noch länger beschäftigen wird, ist die kulturelle Integration. Diese nehmen wir jedoch wichtig und sind auch bereit, Arbeit zu investieren.

Wie sehen Sie sich heute im Wettbewerb positioniert?

Sehr gut! Nur so viel dazu: Von etwa 420 000 Einwohnern in unserem Geschäftsgebiet haben 250 000 ein Konto bei uns. Zu zwei Dritteln der einheimischen Firmen haben wir eine Geschäftsverbindung, für 50 Prozent sind wir Hausbank.

Wir haben eine optimale Betriebsgröße, um notwendige Skaleneffekte zu erzielen, und wir haben ein sehr interessantes Geschäftsgebiet direkt angrenzend an den Bankenplatz Frankfurt.

Ein Grundproblem teilen wir uns mit anderen Banken vor Ort, nämlich dass unsere Kunden oft nur einen Teil ihrer Finanzprodukte bei uns haben. Hier gilt es, in Zukunft unsere Marktausschöpfung und Kundenbindung zu verbessern.

Wie wollen Sie das schaffen?

Da gibt es mehrere Bausteine. Erstens durch unser Finanzkonzept. Wir versuchen alle unsere Kunden ganzheitlich zu beraten. Die Basis dafür bilden die Bestandsaufnahme aller Bankleistungen, die der Kunde nutzt, und die Frage nach den Zielen, die der Kunde hat. Anschließend erhalten unsere Kunden von unseren qualifizierten Beratern maßgeschneiderte Vorschläge.

Zweitens: Durch eine seriöse, faire und berechenbare Beratung. Denn in einer globalisierten Welt gewinnt Berechenbarkeit sehr an Bedeutung.

Drittens: Durch faire Preise. Wir sind auch nach dem Abschluss des Geschäftes da und dies bereits seit 175 Jahren.

Viertens: Durch unterschiedlichste Kanäle, auf denen wir für die Kunden da sind: Telefon, Internet, Selbstbedienungsterminal oder am liebsten persönlich - wenn es der Kunde wünscht.

Wir sind kompetent, leistungsstark und haben faire, konkurrenzfähige Preise. Der Kunde kann gerne mit einem Mitbewerber-Angebot zu uns kommen, das freut uns sogar.

Wie kann sich eine Sparkasse mit ihren Kostenstrukturen durch das Filialnetz das Mithalten im Preiswettbewerb mit den Direktbanken leisten?

Durch eine gute Kostenstruktur, gutes Risikomanagement sowie eine breite Kundenbasis. Wir haben beispielsweise einen vergleichsweise günstigen Einkauf von Geld über unsere Kundeneinlagen, die wir in der Fläche einsammeln.

Auf der anderen Seite verursacht unser dichtes Zweigstellennetz hohen finanziellen Aufwand. Wir arbeiten hier permanent daran, den richtigen Weg für unser Haus zu finden. Unsere Ausrichtung ist eine Ertrags- und Kostenstrategie.

Die Margenerosion ist im Prinzip nur eine Frage des ruinösen Wettbewerbs in Deutschland. Dies kommt den Kunden natürlich zugute. In anderen Ländern gibt es aufgrund eines geringeren Wettbewerbs andere Preise und damit andere Gewinne für die Banken. Ob dieser Wettbewerb in der jetzigen Form so bleibt, ist abzuwarten.

Welche Wettbewerber spüren Sie im Markt am stärksten?

In unserem Geschäftsgebiet - dem Vogelsbergkreis und dem Wetteraukreis - gibt es 44 selbstständige Städte und Gemeinden mit etwa 338 Ortsteilen. Wir sind in etwa 190 dieser Ortsteile mit unseren Filialen und Bussen präsent.

An Präsenzbanken gibt es hier etwa 16 selbstständige Volksbanken. Die Großbanken sowie die Sparda-Bank sind an sechs Standorten vertreten. Sie alle sind aber zwischenzeitlich nicht mehr unbedingt - und vor allem nicht in allen Feldern - unsere Hauptmitbewerber. Das sind heute die Direktbanken, die Non- und Nearbanks, wie zum Beispiel die Autobanken, die Strukturvertriebe, die Versicherungen und die Bausparkassen. In unserer letzten Analyse haben wir etwa 25 Institute registriert, die an uns als Marktführer knabbern.

Ihr Geschäftsgebiet befindet sich noch im Dunstkreis

Frankfurts. Welche Bedeutung haben hier Pendler, die ihre Bankverbindung oft eher am Arbeits- als am Wohnort haben?

Der Wetterau- und der Vogelsbergkreis sind beides typische Pendlerkreise. Zusammen haben wir etwa 31 000 Einpendler und 66 000 Auspendler. Von letzteren fährt jeder zweite nach Frankfurt. Pendler erledigen ihre Geldgeschäfte zu einem hohen Prozentsatz am Arbeitsort.

Wie erreichen Sie nun diese Menschen?

Zunächst darüber, dass auch am Arbeitsort für die Geldversorgung gesorgt ist. Die Sparkassen haben mit 24 300 Geldausgabeautomaten das größte Netz in Deutschland. Alle Sparkassenkunden können hier kostenlos verfügen. Ansonsten bieten wir über unseren Multikanalansatz - also von Telefonbanking bis zum Kundentermin am Abend oder Wochenende zuhause - alles an. Ich glaube, bei dem letztgenannten haben unsere Kunden und manchmal auch unsere Mitarbeiter noch eine Hemmschwelle. Aber wir arbeiten intensiv daran, diese zu verringern.

Am Wettbewerbsvorteil des dichten Geldautomatennetzes nagen immer mehr Konkurrenten, indem sie die Kunden auf die kostenlose Bargeldversorgung per Kreditkarte an sämtlichen Geldautomaten weltweit verweisen. Damit nehmen sie Ihnen das Argument im Wettbewerb und zugleich den Einfluss auf die Höhe der Gebühren für Fremdverfügungen.

Das ist korrekt. Dieses Vorgehen zeigt aber auch, dass die Banken merken, dass die gebührenfreie Bargeldversorgung ein wesentliches Argument im Wettbewerb ist.

Wir sehen natürlich, dass in jüngster Vergangenheit die Barverfügungen über Kreditkarten zunehmen, jedoch nicht sehr stark.

Übrigens hat unser Haus in den letzten Jahren jeweils Girokonten dazu gewinnen können. Wir sind per Saldo auf diesem Geschäftsfeld gewachsen. In der tieferen Analyse sehen wir jedoch auch, dass wir bei den Hauptkontoverbindungen, und dies insbesondere bei jungen Erwachsenen, Marktanteile verlieren.

Wie stark spüren Sie die Aktivitäten der Großbanken in Sachen kostenloses Girokonto?

Nicht wesentlich. Großbanken begegnen wir im Wettbewerb eher auf anderen Geschäftsfeldern, wie zum Beispiel im Firmengeschäft und im Privatebanking.

Zur Bargeldversorgung betreiben Sie auch noch mobile Geschäftsstellen. Könnte dieses Modell als Alternative zu bestehenden Kleingeschäftsstellen (zumal in einer alternden Gesellschaft) vielleicht sogar wieder an Bedeutung gewinnen?

Ja, dies könnte ein Weg sein. Jedoch wird heute unser Angebot mit dem Bus meistens von immobilen Kunden in dünn besiedelten Teilen unseres Geschäftsgebietes lediglich zur Bargeldversorgung genutzt.

Kooperieren Sie bei kleinen Zweigstellen mit der jeweiligen Volksbank am Ort?

Wir betreiben zurzeit mehrere gemeinsame Selbstbedienungs-Stellen. Die Kostensituation hat und wird weiter auch institutsübergreifend dazu führen, adäquate Lösungen zu suchen. Jedoch müssen hier eingeschlagene Wege immer wieder neu überprüft werden.

Wie ist Ihre Bilanz im Wettbewerb mit den Direktbanken?

Wir schauen uns natürlich sehr genau - und das jeden Monat - an, wohin die Gelder unserer Kunden fließen und woher wir Gelder von unseren Kunden erhalten. Überraschend für Sie ist vielleicht, dass unsere Bilanz mit den Direktbanken im letzten Jahr beispielsweise fast ausgeglichen war. Hier muss ich immer wieder betonen: Auch bei uns kann der Kunde alle Bankleistungen direkt abwickeln. Preisvergleiche mit Direktbanken scheuen wir keinesfalls, ganz im Gegenteil. Jedoch ist unser Ansatz ein langfristiger und umfassender. Unsere Kunden sollen sich mittels unserer Beratung ihre finanziellen Wünsche und Ziele erfüllen können.

Und das zu fairen, wettbewerbsfähigen Preisen.

An welchen Stellen spüren Sie den Wettbewerb am stärksten?

Bei den Preisen hat der Wettbewerb Formen des Nahkampfes angenommen. Wir als Marktführer werden zurzeit insbesondere über die Preise angegriffen. Auf den unterschiedlichsten Vertriebskanälen, sei es das Autohaus, das Telefon oder der persönliche Besuch eines Vertrieblers bei Kunden zu Hause.

Um hier ein Beispiel anzuführen, nenne ich die Pkw-Finanzierung. Ursprünglich eine Domäne der Präsenzbanken, ist sie heute überwiegend in den Händen der Autohäuser. Jedoch haben wir in unserer Organisation das Thema strategisch besetzt. Mit der Folge, dass unser Haus auf diesem Geschäftsfeld im letzten Jahr Zuwachsraten von 150 Prozent vorzuweisen hat.

Vertriebskooperationen mit dem Handel gehen mittlerweile weit über den Autohandel hinaus. Was die Zusammenarbeit mit großen Partnern angeht, hat es die Sparkassenorganisation durch ihre Dezentralität schwerer. Ist das nicht ein strategischer Nachteil, durch den Ihnen manches Geschäft entgeht?

Ja, so könnte dies von außen aussehen. Aber es ist überhaupt nicht so. Über die Zentralität der Sparkassenorganisation besitzen wir das notwendige Know-how und die entsprechende Kompetenz. Als exzellentes Beispiel können sie die Erfolgsgeschichte der Deka oder der Deutschen Leasing hier beobachten.

Und über die Dezentralität der Sparkassen und die damit verbundenen geschäftspolitischen Entscheidungsspielräume sind wir sehr kundennah. So können wir exzellent auf die unterschiedlichen Bedürfnisse unserer Kunden in den einzelnen Regionen reagieren. Darüber hinaus kennen wir die Region und die Bedürfnisse unserer Kunden ganz genau.

Dennoch geht Ihnen mit jedem Tagesgeldkonto und jeder Kreditkarte, die etwa bei Tchibo oder Lidl verkauft werden, auch potenzielles Geschäft verloren. Müssten die Sparkassen dem Trend nicht folgen, um dieses schnelle Geschäft an der Ladenkasse nicht an sich vorbeigehen zu lassen - gerade im Hinblick auf das von Ihnen anfangs erwähnte Cross-Selling-Problem?

Die Sparkassen suchen nicht das schnelle Geschäft. Wir wollen umfassend und langfristig den Kunden beraten. Wir beobachten sehr genau den Markt. Die Entscheidung trifft immer der Kunde. Danach richten wir uns aus.

Viele solcher Initiativen sind in der Vergangenheit schnell wieder verschwunden, Die Kunden haben hier - vorsichtig ausgedrückt - nicht immer die besten Erfahrungen gemacht. Insbesondere bei Fragen und Anliegen nach dem abgeschlossenen Geschäft.

Wie stehen Sie zur Direktbankendiskussion im Verbund?

Zunächst einmal behaupte ich, dass die Menschen bei allen Sparkassen in Deutschland heute all ihre Geldgeschäfte direkt abwickeln können. Direktbanken sind jedoch spezialisiert. Sie haben nur einen Vertriebskanal und nur eine Hand voll Produkte.

In unserer Organisation gibt es mehrere Direktbanken, zum Beispiel die 1822 direkt, die DKB oder die Netbank. Mit dieser Sitation können wir derzeit gut leben. Die Sparkasse vor Ort wird dies beobachten, und letztendlich entscheidet der Kunde, welchen Vertriebsweg er wählt. Die überwiegende Mehrheit der Kunden möchte heute noch die Filiale - übrigens in den letzten Jahren mit steigender Tendenz.

Bräuchte die Sparkassenorganisation Ihrer Einschätzung nach auch eine zentrale Direktbank?

Die Meinungen gehen hier weit auseinander. Ich glaube, dass wir derzeit die Kundenbedürfnisse über das vorhandene Angebot in unserer Organisation bestens bedienen können. Ob es betriebswirtschaftlich und strategisch sinnvoll wäre, eine zentrale Direktbank zu haben, müssen die Gremien in unserer Organisation entscheiden.

Sie feiern in diesem Jahr Ihr 175-jähriges Jubiläum. Wie lässt sich das geschäftspolitisch nutzen?

Wir werden die Menschen in der Region einmal mehr auf uns aufmerksam machen, zum Beispiel durch zahlreiche Veranstaltungen, alle in der Region für und mit Kunden und Mitarbeitern.

Wir erhöhen jedoch nicht einfach unser Budget, sondern wir überlegen sehr wohl, wie jede einzelne Veranstaltung zu uns, zu unserer Region und zu den Werten, die wir transportieren möchten, passt. Unsere Botschaft lautet: Sparkasse. Gut für uns in Oberhessen. Seit 175 Jahren.

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